Kunst ist die Sehnsucht jedes Einzelnen, wieder zurückzufinden zur Gesamtheit des Lebens – sich mit dem Leben selbst zu verbinden und es zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir unbelastet von Ideen und Konzepten sind, kommen wir mit unserer reinen Schöpferkraft in Berührung. Und das kann sich auf das gesamte Leben auswirken.

 

Kreativer Ausdruck ist nichts anderes als die Lebensenergie, die den Körper durchströmt wie unsichtbares Blut. Kreative Intelligenz liegt in uns verborgen und kann hervor- sprudeln wie ein Gebirgsbach aus einem schneebedeckten Berggipfel, unerschöpflich überströmend, voller Entzücken. Sobald du mit deiner Kreativität in Kontakt kommst, verändert das dein Leben. Du hast eine Energiequelle, aus der du leben kannst, aus der heraus du Situationen begegnen kannst, die dir vollkommen unbekannt sind.

Wer das Abenteuer der Selbst-Erforschung sucht – ob durch Meditation, Therapie oder Workshops aller Art –, setzt Kreativität häufig als Letztes auf seine Wunschliste. Das ist meiner Meinung nach ein Irrtum. Denn wer wirklich all seine tiefen und dunklen Ecken erforschen möchte, der braucht dazu sehr viel Energie und vor allem viel inneres Licht. Denn du musst dich den Problemen, die dir da drinnen begegnen, ja auch gewachsen zeigen. Und genau das leistet die Kreativität: sie fördert deine schöne Seite. Mit Hilfe von Kreativität schlägt man einen ganz anderen Wachstumsweg ein.
Und die eigentliche Schönheit liegt in unserer eigenen Wahrheit.

 

Primäres Malen

Es kommt zunächst darauf an, dem Reich der Unschuld in uns mehr Raum zu geben. Kreativität hängt mit der Entdeckung deines inneren Kindes zusammen – mit Spontaneität und Sensibilität.

Oft bitte ich Teilnehmer meiner Kurse, für eine Weile ihre Kindheit in Erinnerung zu rufen – besonders Augenblicke, die mit Kreativität zu tun hatten. Ich bitte sie, sich an eine Kindheitswunde zu erinnern, ein spezifisches Problem, das mit ihrer Kreativität zu tun hatte. Die meisten Menschen haben keine Schwierigkeiten, sich an solch schmerzliche Augenblicke zu erinnern. Denn so schlicht und kindisch diese auch erscheinen mögen – sie haben tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Der Schmerz eines solchen Eindrucks kann so schockieren, dass er die Verbindung zur eigenen Kreativität kappt.

Dann ist es notwendig, das innere, unschuldige Kind zu bestärken, das einen kreativen Impuls hat und nicht darin behindert werden möchte. Erst wenn dieser Impuls befriedigt ist, wird das „innere Kind” bereit sein, sich für Struktur und Anleitung zu öffnen. Darum nenne ich den ersten Teil meines Trainings auch „Primäres Malen”. Da tauchen wir zu den Ursprüngen hinab – zur Kindheit, zur Unschuld – und finden wieder Anschluss an einen verlorenen Impuls. Danach können wir ganz von vorn beginnen.
Verbindung zur Quelle
Eine meiner Hauptaufgaben ist es, die Gruppen-Teilnehmer aus ihrem Kopf heraus in ihr Herz hinunter zu holen – und vom Herzen dann zu einer noch tieferen Ebene ihres Inneren. Der direkteste Weg dahin führt über den Körper – durch Tanzen, durch Bewegung – und durch Meditation.

Meditation ist eine Methode, zu unserer Quelle zurückzukehren, durch alle Schichten unserer Psyche hindurch – bis hin zu jenem Bewusstsein, das hinter ihr wohnt. Unsere Kreativität entquillt diesem Bewusstsein so natürlich wie aufwallendes Wasser einem frisch gegrabenen Brunnen – was aber nur deshalb möglich ist, weil diese Quelle jenseits von jedem „Ich” und „Mein” liegt. Diese Kraft erschafft pausenlos.

 

Tanz der Natur

Mir kommt es darauf an, dem Malen wieder eine organischere Qualität zu verleihen, damit es nicht mehr so von der übrigen Natur abgeschnitten ist – und von dir selbst, deinem wahren Selbst, das viel mehr umfasst als nur deinen Intellekt. Wenn der Verstand leer ist, wird der Ausdruck zwangsläufig ursprünglich und schön. Dann merkst du plötzlich, wie du mit etwas in Berührung kommst, das du zum Ausdruck bringen wolltest. In den Gruppen arbeiten wir gemeinsam daran, dieses vergessene Reich der Freiheit, Unschuld und Ausdrucksfreude in uns wieder freizulegen und Verbindung aufzunehmen mit dem Mysterium der Natur um uns herum.

Tanzen ist eine ausgezeichnete Methode, diese organische Qualität in sich zu wecken. Es bewirkt ein Gefühl von unsichtbaren Wurzeln im Innern – als wäre man mit einer Energiequelle jenseits von sich selbst verbunden. Tanz bringt dich in deinen Körper, wirft dich aus dem Denken heraus, verbindet mit dem Unaussprechlichen.
Dieses Gefühl ist dann von besonderer Bedeutung, wenn wir uns der Naturmalerei zuwenden. Denn du wirst die Erfahrung machen, dass dieses Gefühl, das du in dir selbst entdeckt hast, dir auch von außen entgegen kommt – aus den Bäumen, Blumen und Pflanzen. Die Natur besitzt diese Verbindung zu einer unsichtbaren Quelle. Und wenn ein Künstler sowohl die Wurzeln in seinem Innern als auch die der Natur versteht, vermag er etwas sehr Tiefes und Geheimnisvolles zu vermitteln. Wenn du leer und innerlich empfänglich bist, dann nimmt deine Energie am Blühen der Natur teil.

Wenn du erst einmal mit deinem natürlichen Schöpfertum in Berührung gekommen bist, entfaltet es sich einfach. Für mich ist Kreativität eine Brücke in unser Potenzial, in unsere Lebendigkeit. Sobald du mit deiner Kreativität in Kontakt kommst, verändert das dein Leben.
Man braucht kein „Talent“, um kreativ zu sein – das ist eine völlig falsche Vorstellung. In meinen Trainings und Gruppen habe ich schon Abertausende zum Malen hingeführt, und daher weiß ich, dass jeder seine unverwechselbare Art hat, sich durch Malen auszudrücken. Mein Job besteht darin, so gut wie möglich zu zeigen, dass Meditation, Kreativität und Kunst eine wunderschöne Synthese eingehen können.

Über den Autor

Avatar of Meera

(Kazue Hashimoto) leitet seit über 20 Jahren Kunst- und Kreativitätsworkshops weltweit. Sie gilt als „Hofmalerin“ des Mystikers Osho und entwickelte eine Methode des „primären Malens“, die auch Menschen ohne künstlerische Vorbildung ermöglicht, ihre kreative Seite zu entdecken.

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