Grundängste sind unsere tiefsten existenziellen Ängste – doch betreffen sie nicht unser physisches Überleben, sondern etwas nicht eindeutig Fassbares, was jenseits davon liegt. Wer sich auf die Erforschung dieser Ängste einlässt, erkennt, dass sie ­eigentlich der Sehnsucht nach umfassender Bewusstheit und Entfaltung entspringen. Sie können als spiritueller Selbstfindungsweg genutzt werden, da sie uns auffordern, unsere wahre Identität, unser grenzenloses seelisches Selbst zu erkennen und zu leben. Über die sieben Grundängste.

 

Da jedoch Ängste meist lieber unterdrückt als wahrgenommen werden, verliert man sich leicht in unheilvollen Kompensationsbestrebungen. So entstehen die Ziele des „Egos“, die uns von unserem Glück wegführen, weil sie mit unseren seelischen Zielen unvereinbar sind: Wir strampeln uns ab, um der Welt unseren Wert oder unsere Fähigkeiten zu beweisen, um akzeptiert oder anerkannt zu werden. Das Ego strebt nach einer Scheinsicherheit, die es durch die Kontrolle äußerer Lebensumstände zu erlangen sucht, die Seele hingegen benötigt Freiheit, Lebendigkeit und authentischen Austausch mit der Welt.

Innere Konflikte können durch das Bewusstmachen der Ängste und der ursprünglichen Sehnsucht aufgelöst werden. Auch wenn das menschliche Leben wohl niemals vollkommen angstfrei sein kann, lässt sich die einschränkende Wirkung der Angst abbauen. Schrittweise ist es möglich, mehr Bewusstheit des wahren Seins zu erlangen, sich aus Verstrickungen zu befreien und zu erkennen, dass man einzigartig und zugleich Teil des universellen Seins ist. Man kann lernen, die Seelenenergie immer mehr durch die Persönlichkeit hindurchstrahlen zu lassen und ihr zu vertrauen.

 

Ängste und Chakren

Dass es sieben verschiedene Grundängste gibt, hängt mit den sieben grundlegenden Aufgaben- und Kompetenzbereichen des seelischen Seins zusammen – sie finden sich in den sieben Chakren. Die sieben Grundängste wurden erstmals von Varda Hasselmann in „Archetypen der Seele“ beschrieben und später noch einmal ausführlicher in „Die sieben Archetypen der Angst“. Dort erhielten sie folgende Bezeichnungen: Angst vor Unberechenbarkeit, Angst vor Wertlosigkeit, Angst vor Versäumnis, Angst vor Unzulänglichkeit, Angst vor Lebendigkeit, Angst vor Mangel, Angst vor Verletztwerden.

In meinem Buch „Grundängste und Selbstverwirklichung“ habe ich die Ängste im Zusammenhang mit dem menschlichen Streben nach Selbstverwirklichung untersucht. Dabei gehe ich besonders auf die Qualitäten ein, die sich hinter den jeweiligen Ängsten verbergen und die man bewusst zu ihrer Transformation nutzen kann. Die Grundängste haben deshalb teils andere Bezeichnungen – diese stellen eine Verbindung zu den ihnen entsprechenden Chakren und zu deren Qualitäten her:

 

Die sieben Ängste:

Die Angst vor Haltlosigkeit trägt in sich die Herausforderung, inneren Halt und Verlässlichkeit zu entwickeln und trotz äußerer Veränderungen in sich zu ruhen und anderen Halt geben zu können. Diese Qualitäten entsprechen dem ersten Chakra, dem Wurzelchakra.

Die Angst vor Wertlosigkeit fordert dazu auf, den eigenen Wert unabhängig von äußeren Wertmaßstäben zu erkennen und im Austausch mit Menschen sich selbst treu zu bleiben. Die Qualitäten des zweiten Chakras sind auf das Geben und Nehmen in gegenseitiger Wertschätzung ausgerichtet. 

Die Angst vor Überforderung ruft dazu auf, Verantwortung zu übernehmen und die eigene Lebensenergie effizient einzusetzen. Seelische Ziele, die von innen kommen, wollen erkannt und im Leben umgesetzt werden. Diese Qualitäten entsprechen dem dritten Chakra, welches Informationen verarbeitet und Macht über die eigene Lebensführung gibt.

Die Angst vor Unzulänglichkeit trägt in sich die Herausforderung, die eigenen Fähigkeiten auf einer essenziellen, seelischen Ebene zu erkunden. Das innere Gefühl der Kompetenz wird nicht durch erlernbare Fertigkeiten und technische Perfektion erlangt, sondern durch das Ausstrahlen von Herzensqualitäten wie Liebe und Mitgefühl. Sie entsprechen dem vierten Chakra.  

Die Angst vor Kontrollverlust fordert dazu auf, sich der eigenen inneren Autonomie bewusst zu werden. Lebensfreude erwächst aus Freiheit, aus der Entscheidung für den eigenen individuellen Weg. Dazu gehört die Erkenntnis, dass man alles, was man verlieren kann, in seiner Essenz auch jederzeit wieder erschaffen kann. Das fünfte Chakra vermittelt freien Selbstausdruck und Kontrolle über den eigenen Weg.

Die Angst vor Sinnlosigkeit ruft dazu auf, nach dem tieferen Sinn der Dinge und Aktivitäten im eigenen Leben zu fragen. Äußere Ziele wie Reichtum, Status und Karriere sind sinnlos, wenn sie zum Selbstzweck werden. Es kommt auf die innere Bereicherung und geistige Erweiterung an. Das sechste Chakra ermöglicht das „Sehen“ von Sinnzusammenhängen hinter dem äußeren Schein. 

Die Angst vor Integritätsverlust verbindet sich mit der Herausforderung, die Unverletzlichkeit der Seele und ihre harmonische Ganzheit zu erkennen. Körper und Psyche sind verletzlich. Die Psyche kann etwa durch ein Trauma ihre Integrität verlieren, doch sie ist heilbar. Wer die Masken fallen lässt und sich der liebevollen Berührung mit dem Leben aussetzt, erlangt echte Heilung und Harmonie. Das siebte Chakra steht für diese innere Offenheit. 

 

Die zentralen Entwicklungsabsichten

Jedem Menschen sind all diese Ängste vertraut, doch nur zwei davon sind jeweils in einem Leben aktuell. Diese stellen die zentralen Entwicklungsabsichten eines Menschen dar und werden ständig bearbeitet. So lässt sich das Leben als spiritueller Lernweg betrachten, wobei die Grundängste die wesentliche Antriebskraft sind. Lernfortschritte werden immer erzielt, oft aber auf leidvollen Umwegen. Das Verdrängen der Ängste führt dazu, dass man „Opfer“ von Illusionen und Verstrickungen wird. Diese führen oft zu Krisen und so letztendlich doch zu einem Zuwachs an Unterscheidungsvermögen, an Erkenntnis des eigenen wahren Seins.

Nun leben wir in einer Zeit, in der die Menschheit zunehmend „erwacht“ und die früher verbreiteten destruktiven Wege verlassen will. Selbstreflexion und Verantwortungsbereitschaft nehmen zu,  Ängste werden mehr thematisiert und weniger in destruktives Verhalten umgewandelt. Gleichzeitig werden die Menschen sensibler und sensitiver, so dass sie auch schneller empfindlich auf negativen Energieaustausch reagieren. Je sensibler ein Mensch ist, umso mehr muss er auf „Psychohygiene“ achten, um sein inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

In jeder Gesellschaft gibt es einige Menschen, die sensibler und anspruchsvoller sind als ihre meisten Zeitgenossen und deshalb „ihrer Zeit voraus“. Sie benötigen mehr Ehrlichkeit und lebendige Kreativität im Umgang miteinander, als es den Konventionen ihres Umfeldes entspricht. Sie können nur glücklich werden, wenn es ihnen gelingt, zu sich und ihren Bedürfnissen zu stehen. Dann können sie ein höheres Beziehungsniveau in ihrem Umfeld etablieren, indem sie ihre eigenen Beziehungen transformieren. Zudem bringen sie neue Ideen und Strukturen in die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Die viel zitierte „Zerrissenheit der Künstler“ wird in diesem Zusammenhang verständlich: Die vorherrschenden Umgangsformen und institutionalisierten Strukturen sind für sie untragbar, da sie ihren emotionalen Bedürfnissen und ihrer Kreativität keinen Raum geben. Es ist aber oft schwierig, neue Ideen und Ansprüche in die Gesellschaft einzubringen, da es viele Menschen gibt, die am Alten festhalten wollen und das Neue bekämpfen. Deshalb ist es für Künstler und Kreative besonders wichtig, ihre Ängste zu erkennen und abzubauen. Diese Menschen benötigen in hohem Maß Selbstvertrauen und innere Stärke, um ihre Wünsche verwirklichen und ihren Weg gehen zu können.

 

Grundängste transformieren

Wer seine Entwicklung beschleunigen und Angst bewusst transformieren will, begibt sich auf einen Weg zunehmender seelischer Verwirklichung und Identitätserkenntnis. „Selbstverwirklichung“ setzt ja eigentlich voraus, dass man weiß, wer man ist. Doch die Fähigkeit, das wahre Selbst von falschen Selbstbildern, erlernten Rollen und übernommenen, fremden Vorstellungen zu unterscheiden, wird erst im Laufe des Lebens schrittweise erworben. Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit zu, die Energien des wahren seelischen Seins zu spüren und mit der Welt auszutauschen sowie kreative Visionen zu entwickeln und umzusetzen.

Jede Grundangst kann bewusst und direkt mit Hilfe bestimmter Einstellungen und seelischer Qualitäten abgebaut werden:
Angst vor Haltlosigkeit kann mit Hilfe von konzentrierter Wahrnehmung und Achtsamkeit transformiert werden. Konzentration gibt Halt, denn sie verhindert Zerstreuung und Verwirrung. Innere Gespaltenheit kann durch konzentrierte ganzheitliche Selbstwahrnehmung aufgelöst werden.

Angst vor Wertlosigkeit wird durch volle Präsenz und Hingabe an den Augenblick transformiert. So kann man seinen Wesenskern spüren. Man kann sich selbst als wertvolles Wesen erkennen und sich liebevoll behandeln, so dass man auch Wertschätzung von anderen erfährt.

Angst vor Überforderung reduziert sich durch die Bereitschaft, Verantwortung für das Geschehen im eigenen Leben zu übernehmen und die eigenen schöpferischen Möglichkeiten wahrzunehmen. Dadurch überwindet man Gefühle der Machtlosigkeit und entwickelt Führungskompetenz.

Angst vor Unzulänglichkeit wird durch Einfühlsamkeit und ein offenes Herz bewältigt. Intensive zwischenmenschliche Begegnungen lassen das Gefühl des inneren Mangels verschwinden. Sie machen den Beteiligten ihr wahres seelisches Potenzial und ihre Kraft bewusst.

Angst vor Kontrollverlust kann durch eine freigeistige Einstellung bewältigt werden, mit der man sich von gesellschaftlichen Normen, Zwängen und Ideologien emanzipiert. So wird man nicht mehr „Opfer“ von Fremdbestimmung oder einschränkenden Umständen, weil man seine wahre Freiheit erkennt und nutzt.  

Angst vor Sinnlosigkeit reduziert sich durch das Bemühen um Klarsicht und die Bereitschaft, die eigene Wahrheit zu finden und ihr gerecht zu werden. Wer hinter den „Schleier der Illusionen“ blickt, bewahrt sich vor sinnlosen Anstrengungen und findet Möglichkeiten, um seinen inneren Reichtum zu entfalten.

Angst vor Integritätsverlust transformiert sich durch eine Haltung, die Harmonie im eigenen Inneren herstellt. ­Indem alle psychischen Anteile angenommen und in ihrer Daseinsberechtigung anerkannt werden, wird man von starren Selbstbildern und Rollen frei. So kann man sich für tiefe authentische Beziehungen öffnen, in denen die eigene Ganzheit ebenso wie die kosmische Harmonie spürbar wird.


Abb: © twentyfree – Fotolia.com

4 Responses

  1. Hans Kolpak

    Nicht das Bewältigen von Ängsten bewegt mich, sondern die Kunst, mich von ängstlichen Menschen abzugrenzen. Sie sind überall. Ganz besondern in der Familie und unter Freunden bestehen gewachsene wertvolle Bindungen, die trotz der Ängste aufrechterhalten werden – zumindest mag ich nicht Menschen abweisen, nur weil sie sich irgendeiner Angst hingeben. Ein Eremit bin ich nicht.

    Es gibt einige Filme, die das Ausmaß von Ängsten deutlich beschreiben: http://dzig.de/filme-angst

    Hans Kolpak
    Deutsche ZivilGesellschaft

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  2. Jochen Löffler

    Liebe Monika,
    vielen Dank für Dein Sein. Diese Information und Dein Ebook kommen genau zur rechten Zeit bei mir. Der Preis mit 3,09 als Kindl-Book ist mehr als fair und ich wünsche Dir viele Unterstützer und Spender.
    alles in Liebe
    Jochen

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  3. Anja

    Liebe Monika, von Herzen Danke ich Dir für diese tiefen Einblicke! Ich (Anfang 40) habe sehr lange Zeit geschlafen und mich kaum dafür interessiert, was mit dieser Welt geschieht. Erst, nachdem meine Familie an einem tödlichen Unfall zerbrach und plötzlich überall Geld fehlte, wurde mir klar: hier ist etwas ganz Wichtiges nicht i.O. Anschliessend habe ich viel recherchiert. Heute gibt es für mich keine Fragen mehr zu dem, was an Entwicklungen gewesen ist + warum und was da im schlimmsten Fall noch kommen wird. Es lässt sich alles aus einem einfachen Modell ableiten. Übrigens freue ich mich über jeden Verbesserungsvorschlag! 🙂 Deshalb hier der Link:

    „Was meine Welt regiert“
    http://network-99.com/index.php?option=com_kunena&func=view&catid=4&id=523&Itemid=24

    Meine wesentliche Erkenntnis ist: Am Egoismus geht die Welt zugrunde! D.h. ich habe sehr viel Schuld an der Zerstörung! Aber daraus wurde dann auch ein Widerspruch für mich: ich bin doch in dieser Welt, um sie zu erleben – also aus egoistischen Gründen. Wenn sie mein Egoismus nun zerstört, kann da irgend etwas grundsätzlich nicht stimmen (verstösst doch gegen die natürliche Selbsterhaltungskraft). Dann wurde mir klar, dass es unterschiedlich weit entwickelten Egosimus gibt: den primitiven, oberflächlichen E. mit Tunnelblick (= ich will möglichst viel für mich, koste es was es wolle) und den weiter entwickelten (= ich weiss, dass es mir am besten geht, wenn es allen am besten geht). Daraus ergab sich dann aber eine neue Frage: weshalb ist die Masse der Menschen bis heute über den primitiven Egoismus offenbar nicht hinausgekommen?

    Erst vor wenigen Monaten wurde mir klar: es muss aus Angst sein! Diese Welt ist von so grosser Dichte, dass es einem hier wirklich ganz fürchterlich schlecht ergehen kann. Und die Angst davor, das zu erleben, könnte vielleicht unsere geistige Entwicklung (vom Denken im „Ich“ zum Denken im „WIR“) blockiert haben. Dann las ich gestern Deine Artikel über die sieben Grundängste! … Das hatte genau gepasst! Gleich beim nächsten Update werde ich darauf verlinken.

    Nochmals Danke und alles Gute!

    PS:
    Liebe Sein-Redaktion! Ich bin auch so froh darüber, dass es Euch gibt!

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