»Unsichtbar macht sich die Dummheit, indem sie sehr große Ausmaße annimmt«, sagte einst Bertolt Brecht. Er dachte dabei wahrscheinlich an die Massenhypnosen seiner Zeit. Ich denke an die unserer Zeit. Und dabei nicht nur an die religiösen und politischen Hypnosen, mit denen ich mich jahrzehntelang sozusagen hauptberuflich ­beschäftigt habe, sondern auch an die in mancher Hinsicht noch tieferen: die ökonomischen. Über die Brille der Insider des Systems.

 

Wir sind gebannt von einem bestimmten Umgang mit Geld. Weil alle so damit umgehen, tun wir es auch und räumen damit denen Macht ein, die viel davon besitzen, und entwürdigen die Menschen, die davon nur wenig haben. Auch unser Umgang mit Konjunkturen und den Gefahren einer Geldentwertung, mit Grundbesitz und Eigentum ganz allgemein ist von diesem Denken geprägt. Wir halten die Banken für Institutionen, in denen Fachleute sitzen, die sich mit Geld auskennen, und glauben, dass es im Krisenfall zur Bankenrettung keine Alternative gibt, weil sie »systemrelevant« seien – danke, Frau Merkel, für diese Einsicht. Aber vielleicht wollen wir dieses System gar nicht retten?

 

Außenseiter und Querdenker

Die kreativen Vordenker einer anderen Weltfinanzordnung sind fast ausnahmslos Außenseiter oder Quereinsteiger und nicht Absolventen der renommierten ökonomischen Schulen des Ancien Régime. Kaum einer dieser Geldrevoluzzer hat BWL, VWL oder Jus studiert, denn die bei uns auf normalem Wege ausgebildeten Ökonomen und Juristen können nach dieser Ausbildung kein anderes System mehr für realistisch halten. Was typisch ist für Massenhypnosen: Wenn sie groß genug sind, erkennen die Hypnotisierten nicht mehr, dass sie selbst die Gehirngewaschenen sind, und halten alle Andersdenkenden für Verrückte oder Feinde.

Deshalb stimmt es auch, die Ökonomie betreffend, was Manfred Lütze und Eckart von Hirschhausen in ihrem Buch »Irre« schreiben, bei dem schon der Titel den Kern der Botschaft verrät: »Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen.« So ist es nicht nur in der Psychiatrie, sondern auch in der Wirtschaft. Die MBA-Studiengänge der westlichen Business-Schulen bilden die Kader aus, die dann unser System verteidigen. Wer anders denkt oder das System bedroht, gilt als Spinner oder Feind. Gustl Mollath haben sie in der Psychiatrie eingesperrt*. Sie hätten auch den Sozialreformer und Begründer der Freiwirtschaftslehre Silvio Gesell eingesperrt, da hat es wohl nur an einer Gelegenheit gefehlt. Oder Michael Unterguggenberger, den Bürgermeister des »Wunders von Wörgl« von 1932. Das Freigeld-Experiment dort in Tirol lief so gut, dass Wien es verbot und mit dem Einmarsch der Armee drohte, weshalb es nach 14 Monaten beendet wurde. Seitdem traute sich nie wieder eine so große Gemeinschaft in so großem Maße, mit Freigeld zu experimentieren.

Wir müssen das Denken hierüber und das Experimentieren damit neu beginnen, denn es ist wohl so, wie Einstein sagte: »Wir können Probleme nicht mit den Denkmustern lösen, die zu ihnen geführt haben«. So haben die Rettungsaktionen, die der Finanzkrise von 2008 folgten, uns nicht gerettet, sondern den Zustand verschlimmert: Die Banken zocken weiter, inzwischen spekulieren sie sogar auf Nahrungsmittel und lösen damit Hungersnöte aus.

 

Aus den Trancen aussteigen

Wir brauchen keine weiteren solcher Rettungsaktionen, sondern eine neue Geldanschauung. Die jetzt im System stecken, sind zu betriebsblind, um irgendwas zu retten. Rettung wird eher von denen kommen, die Wege gefunden haben, aus den Denksystemen auszusteigen, in denen sie konditioniert wurden. Zum Beispiel Meditation und introspektive Selbsterforschung (self enquiry), was das Erkennen der eigenen Brille ermöglicht, durch die wir die Welt betrachten.

Nur echte Querdenker und Erneuerer werden zu einer Lösung beitragen können. Man wird sie vermutlich nicht in den Reihen der angeblichen Realisten des Diesseits finden, aber auch nicht in denen der blauäugigen Träumer einer Anderswelt, sondern eher unter denen, die imstande sind, aus allen Trancen auszusteigen. Erst wenn wir imstande sind, wirklich neu zu denken, können wir eine Welt erschaffen, in der nicht mehr weiterhin Reichtum von unten nach oben verteilt und währenddessen die Natur zerstört wird. Zentral für dieses neue Denken ist ein Verständnis des Menschen als Akteur in einer lebendigen Umgebung, mit der er eng verwoben ist – und eine neue Geldanschauung!


* Er beschuldigte seine Frau, die bei der HypoVereinsbank beschäftigt war, mit weiteren Mitarbeitern für Kunden Schwarzgeldgeschäfte abgewickelt zu haben (was ein später eingesehener interner Bericht der HypoVereinsbank zum Teil untermauerte). Seine Frau warf ihm im Gegenzug gefährliche Körperverletzung vor. Mollath wurde zur Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens durch Gerichtsbeschluss in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo er sieben Jahre lang zwangsuntergebracht war. Grund unter anderem: seine Schwarzgeldvorwürfe seien ein Wahnsystem.
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Abb: © rukanoga – Fotolia.com

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