Michel Bouwens ist Gründer der Peer-to-Peer Foundation, einer ­Organisation, die neue Wege der Produktion von Software und Hardware jenseits von geistigen Eigentumsrechten und hierarchischen Strukturen erforscht. Er lehrt an ­diversen Forschungsinstitutionen auf der ganzen Welt, von Thailand über Holland bis Brasilien. Zuletzt war er Forschungsdirektor für ein Projekt der Regierung von Ecuador, das zum Ziel hat, eine neue Ökonomie voranzubringen, die auf frei verfügbarem sozialem Wissen beruht. Produzieren für die Gemeinschaft .

 

Kontext TV: Was genau bedeutet „Peer-to-Peer“-Produktion und „Open Hardware“?

Michel Bauwens:  „Peer-to-peer“-Produktion steht für die Fähigkeit von Menschen, frei zu einem Projekt der Commons, also der Gemeingüter, beizutragen, zum Beispiel geteiltes, frei zugängliches Wissen, geteilte, frei zugängliche Computercodes oder geteilte, frei zugängliche Baupläne. Peer-to-Peer-Produktion begann mit Software, mit Leuten wie Linus Torvalds, dem Gründer des ­Linux-Projektes, dann bewegte es sich in Richtung von offenen Bauplänen – und Baupläne bedeuten auch Produktion. Es gibt jetzt darauf basierend zum Beispiel eine neue Art von Maschinen wie Lasercutter und 3-D-Drucker, mit denen man Autos wie das Wikispeed-open-source-Auto herstellen kann.

Im Zentrum solcher Projekte steht eine Gemeinschaft von Menschen, die, ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen, etwas zu einem gemeinschaftlichen Pool beitragen. Im Idealfall sind diese Gemeinschaften in offene Genossenschaften eingebettet, bei denen die Gemeinwohlorientierung in den Statuten verankert ist. Es geht also darum, ein soziales Gut zu schaffen, das der Menschheit nützt. Jeder, der von ­einer bestimmten Aktivität betroffen ist, hat ein Mitspracherecht; man produziert Gemeingüter, und nicht privatisiertes Wissen. Und: Das Ganze ist global. Daher kann es eine Art Gegenmacht zu den privaten transnationalen Konzernen schaffen.

 

Kontext TV:  Wie können „Peer-to-Peer“-Produktion und „Open Hardware“ helfen, die ökologische Krise zu überwinden und von wirtschaftlichen Wachstumszwängen wegzukommen?

Michel Bauwens:  Um vom Wachstum wegzukommen und zu Degrowth zu gelangen, muss man die Art der Produktion ändern. Wenn man in einem profitorientierten Unternehmen eine Innovation in Gang setzt, dann tut man es für den Markt – und das bedeutet, dass man diese Erfindung verknappen muss. Man schafft im Grunde einen künstlichen Mangel. Das Ergebnis ist geplante Obsoleszenz, also eine vorsätzlich verringerte ­Lebensdauer. Das ist kein Defekt der Produkte, sondern eine erwünschte Eigenschaft. Alles, was heute produziert wird, wird gemacht, um zerstört zu werden. Wenn man einen Computer kauft – selbst wenn es ein „grüner Computer“ ist –, wird man feststellen, dass er nach zweieinhalb Jahren anfängt kaputt zu gehen. Er wurde so entwickelt, dass er kaputt geht, damit man einen neuen Computer kauft. Oder iPhones. Ein iPhone kann man einhundertfünfzig Mal aufladen, dann geht es kaputt, und man kann den Akku nicht einmal selbst ersetzen, denn er ist verlötet. Das wird alles so entworfen, damit man kauft und kauft und kauft – und das ist für die Nachhaltigkeit sehr schlecht.

Nun stelle man sich vor, man hat eine Gemeinschaft, die eine Innovation wie das Wikispeed-open-source-Auto schafft, das fünfmal weniger Treibstoff braucht als jedes Auto etwa in Detroit. Der Grund dafür liegt darin, dass die Gemeinschaft keinen Grund dafür hat, nicht-nachhaltige Modelle zu produzieren. Es ist auf organische Weise nachhaltig, denn es ist ein Modell, das von der Gemeinschaft entworfen wurde. Es ist außerdem modular aufgebaut und für eine ­dezentral verteilte Herstellung entworfen. Man kann es also überall in der Welt mit einer Mikrofabrik herstellen, mit 3-D-Druckmaschinen, und man setzt es zusammen wie Lego. Man kann auf diese Weise Traktoren produzieren oder Kleintransporter. Da die Investitionen so niedrig sind, muss man nicht in Masse produzieren. Keine Massenproduktion heißt keine Massenvermarktung. Also hat man eine Ökonomie, die von der Nachfrage angetrieben wird, anstelle ­einer Ökonomie, die vom Angebot angetrieben wird.

Nun stelle man sich vor, dass man die Autos auch noch gemeinsam nutzt, statt sie individuell zu kaufen.  Car-Sharing vermindert den Verbrauch an Energieressourcen um 80 Prozent. Wenn man sich dazu noch vorstellt, dass man nicht das übliche, wachstumstreibende Geldsystem nutzt, sondern ein wechselseitiges Kreditsystem, und alle diese Elemente zusammenfügt, dann kann man zwar nicht so viele  Produkte herstellen wie im bisherigen System, aber man kann die sozialen Bedürfnisse mit ­einem viel, viel geringeren Ressourcenverbrauch befriedigen. 

Ich denke, dass es für eine Abkehr vom Wachstum essentiell ist, dass wir zu dieser neuen Art von Produktionsbeziehungen übergehen, die sich am Nutzen und am Gemeinwohl orientieren und nicht am Profit. Produzieren für die Gemeinschaft statt für den Profit! Das ist natürlich ziemlich anders als das, was wir heute haben.


Abb. : Michel Bouwens

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