Verschmelzung der Gegensätze

Im Sivasakti-Yoga zeigt sich eine besondere Verbindung der polaren Lebensenergien – mit dem Ziel, diese Verbindung zunehmend auch in sich selbst herzustellen. Es ist einerseits tief verwurzelt in der indischen Yogatradition und integriert andererseits neue Erkenntnisse der moderner Wissenschaften. Ein persönlicher Bericht von Yogacharya Ananda Leone.

 

 

Sivasakti-Yoga (sprich: schiwa schakti) ist kein neuer Yogastil, sondern das Resultat meiner Art des Unterrichtens und gelebten Yogas seit über dreißig Jahren.

Ich persönlich halte nichts von der Idee, ein neues „Yoga-Label“ zu kreieren oder, wie mein Guru Swami Gitananda zu sagen pflegte, „Another Ego-Yoga“.

Durch persönliche Erfahrungen innerhalb verschiedenster Yogarichtungen, Künste und Wissenschaften hat sich über viele Jahre mein Unterrichten sehr verändert und ich kann es beim besten Willen nicht mehr als Gitananda-, Iyengar- oder Anusara-Yoga bezeichnen. Ich bin allerdings sehr dankbar für die Inspirationen und mir bewusst darüber, wie stark mich diese Traditionen in meiner Arbeit unterstützen – schließlich bin ich in ihnen gewachsen und verwurzelt.

Yoga erneuert sich ständig. Ich möchte Yoga mit einem Fluss vergleichen: Er passt sich einerseits der Landschaft an, durch die er fließt, andererseits verändert er seine Umgebung und hat die Kraft, sie völlig zu transformieren. Durch Swami Gitananda erfuhr ich zum ersten Mal vom tantrischen Konzept des göttlichen Paares Siva und Sakti, aus deren Liebe das gesamte Universum erschaffen wurde und die die göttliche Energie in der Natur und in uns repräsentieren. Jahre später lernte ich dasselbe Konzept über meine Anusara-Yoga-Lehrerin Bridget Woods-Kramer auf physischer Ebene kennen: Das Zusammenwirken von muskulärer und organischer Energie ließ mich in mir die Kraft und Lebendigkeit von Siva und Sakti spüren. Ich erfahre sie täglich im Yoga und im Leben.

 

Neues Bewusstsein für unsere göttliche Existenz

Durch die Praxis von Sivasakti-Yoga kann jeder über die Verbindung der Polarität beider Energien eine Einigkeit mit sich selbst herstellen. In Sivasakti-Sadhana erleben wir die Polarität beider Energien: die Qualität von Siva als zentrierend, erdend, muskulär, rational, introvertiert, maskulin, mit dem Fokus nach innen. Die Qualität von Sakti als ausdehnend, wachsend, organisch, feminin, intuitiv, emotional, extrovertiert und entfaltend. Keiner der Gegensätze ist wichtiger als der andere: Sie ergänzen sich optimal und verschmelzen in unserem Yoga!

Daraus kann ein neues Bewusstsein für unsere göttliche Essenz entstehen. Mithilfe des tantrischen Konzeptes der pañca kosa (fünf Energiekörper) und der cakras (Energiezentren) lehrt Siva-sakti-Yoga ein ganzheitliches Verständnis des menschlichen Seins, das über den anatomisch-physischen Körper hinausgeht. Durch dieses Bewusstsein können wir eine Art von Intimität zwischen den Qualitäten in uns kreieren: Wir erkennen, begreifen, akzeptieren und umarmen sie – und damit uns selbst – schließlich liebevoll. Sivasakti-Yoga bringt Körper und Geist in seine Balance zurück, zelebriert eine neu gewonnene, innige Beziehung zu uns selbst und dem Leben an sich und inspiriert uns, die Fülle des Lebens zu erfahren und zu genießen.

 

Die Yogaklasse als Komposition

Gerne vergleiche ich Sivasakti-Sadhana auch mit einer Musikkomposition, zum Beispiel Bachs „Kunst der Fuge“: Ein Thema erfährt verschiedene Variationen und zieht sich wie ein roter Faden durch unterschiedliche Stimmen, baut sich langsam auf und löst sich wieder. Eine runde und vollkommene Komposition!

In der Praxis besteht ein Sivasakti-Sadhana aus zwölf Angas (Teilen). Jeder Teil ist wie ein Kapitel einer dicht gewebten Komposition oder Geschichte, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Zu ihr gehören neben den Asanas (Körperstellungen), Pranayamas (Atemführung) und der Meditation ebenso die Integration von Mantras (rezitierte oder gesungene Silben und Texte), Mudras (Handgesten), Bandhas und Kriyas (Verschluss- und Reinigungstechniken). Abgerundet wird die Unterrichtsstunde natürlich durch Raum für Entspannung, unterstützt durch thematisch entsprechend ausgewählte Visualisierungen, Energielenkungen und Philosophie. Als Lehrer führe ich meine Schüler durch diese Geschichte und lasse beispielsweise so das Thema „Dankbarkeit“ auf körperlicher, geistiger und spiritueller Ebene gleichzeitig wirken.

Der Sadhana ist kraftvoll, fordernd und dynamisch, gleichzeitig auch sanft und beruhigend. Es geht nicht darum, den Körper in irgendeiner Form zu verbiegen oder in den Asanas nur durchzuhalten: In Trikonasana (Dreieck), einer anspruchsvollen Haltung, spüren die Schüler nicht nur ihre muskuläre Energie und bauen Kraft (Siva-Qualität) auf. Im bewussten Sein und mit der Synchronisierung der Atmung erfährt der Schüler ebenfalls Leichtigkeit und Weite (Sakti-Qualität) im Brustraum – so wird er über die körperliche Haltung der Arme und Beine zum symbolischen Bindeglied zwischen Erde und Himmel und kann sich ganz dem Gefühl des Stundenthemas „Dankbarkeit“ hingeben. Trikonasana ist aber nur ein Instrument für diese Erfahrung.

 

Integration in den Alltag

Im Sivasakti-Sadhana geht es auch um Fragen wie: „Wer bin ich?“, „Wie fühle ich mich jetzt?“, „Wie bewusst bin ich in meinem Körper und meiner Umgebung?“, „Wo liegen meine Potenziale, wo meine Schwächen?“, „Welches sind meine Verhaltensmuster und wie kann ich sie verändern?“, „Wo finde ich Kraft und Energie, um mein Wachstum und Transformationsprozesse zu unterstützen?“ Sivasakti-Yoga verhilft Schritt für Schritt zu klaren Antworten und zelebriert die Freiheit des Seins in ihrer ganzen Fülle.
Ein weiterer Aspekt für mich ist die Nachhaltigkeit der Yogapraxis. Sivasakti-Sadhana beschränkt sich nicht auf das Üben auf der Matte, sondern sieht die Integration von Yoga in den Alltag als essentiell.

Umgekehrt verwende ich neue Erkenntnisse, beispielsweise aus den modernen Wissenschaften der Ökologie und Psychologie, auch im Yogaunterricht und kommuniziere so auf vielfältige Weise mit meinen Schülern, Freunden, mit mir selbst und der Natur. Seit ein paar Jahrzehnten ist die Natur einem extremen Wandel ausgesetzt, wie auch die Gesellschaft in politischer, menschlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Verantwortung des Yogis heute ist es, bewusst mit den aktuellen Herausforderungen unserer Zeit umzugehen. Sivasakti-Yoga geht über die Beschäftigung mit dem eigenen Dasein hinaus und richtet die Achtsamkeit auch auf unsere soziale, politische und ökologische Verantwortung.


Abb: © Ananda Leone

Infos und Kontakt Tel.: 030 – 69 50 52 24
berlin@yoga-sky.de
Yoga Sky Berlin
Am Tempelhofer Berg 7d, 10965 Berlin

Yogacharya Ananda Leone unterrichtet Sivasakti-Yoga im Yoga Sky dienstags, 9.30-11.30 Uhr und 12-13.30 Uhr.

Weitere Kurse: mitt­wochs, 8.45-10.15 Uhr mit Simone Ungerer, freitags,16.30-18 Uhr mit Jasmin Kassem

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