Die etwas andere Kinderwunschbehandlung

Birgit Schönborns Wunsch nach Kindern führte sie vor zehn Jahren zur Rohkost. Nach einer längeren Entgiftungsphase und einer parallelen Zunahme von Lebensenergie und Gesundheit wurde sie nicht nur schwanger, sondern veränderte sich grundlegend an Körper, Geist und Seele.

 

Unser Weg zu dieser Ernährung führte über unseren unerfüllten Wunsch, Kinder haben zu wollen. Wir hatten bisher eigentlich „ganz normal“ gelebt, sehr viel und gerne gearbeitet, abends spät gegessen, oft in Restaurants, und uns gefühlt wie junge erfolgreiche Menschen. Im Alter von Anfang 30 erhielten mein Mann und ich dann beide unabhängig voneinander die Diagnose, dass wir auf normalem Wege keine Kinder bekommen könnten. Ich fragte mich, ob es Schicksal sei, dass es heute so viele ungewollt kinderlose Paare gibt, und ob dieses Schicksal nun genau uns zwei zusammenführt hat, die wir beide zeugungsunfähig sein sollten. Sollten wir uns damit abfinden, oder verlangte das Schicksal hier nach etwas anderem? Obwohl wir damals weder ökologisch noch sonderlich spirituell veranlagt waren und mehr unsere beruflichen Karrieren im Kopf hatten, hielt uns irgendetwas vom schulmedizinischen Weg der Reproduktionsmedizin ab – zu unserem Glück.

 

Fertigprodukte raus

Dieses Irgendetwas brachte mich auf das Thema Rohkost. Ich las von komischen Menschen, die komische Dinge essen und noch viel mehr Dinge nicht essen, und begann, in die Szene einzutauchen. Eine neue eigenartige Welt tat sich auf, und nach einigen Tagen war der Entschluss gefasst, die Speisekammer wurde entleert und Nudeln, Fertigprodukte und viele, Süßigkeiten wurden verschenkt: „Wir machen jetzt Rohkost!“ Zu meinem allergrößten Glück habe ich den besten aller Ehemänner, der nicht rebelliert, sondern sich nur immer mal wundert. Dann recherchiert er gründlich, und dann macht er mit – meistens. Rohkost passierte diese Ehemann-Toleranzgrenze, und wir knabberten ab sofort Sellerie, Möhren und Obst. Wir begannen alles zu lesen, was es auf dem Büchermarkt gab, gingen zu Seminaren, Treffen, Messen und probierten Neues an uns aus. Bis heute haben wir einen immensen Wissensschatz gehoben und viele unglaubliche Geschichten erleben dürfen.

Nach einem halben Jahr war ich schwanger. Dazwischen lag eine Zeit der kompletten Neuausrichtung. Freunde verabschiedeten sich von uns, weil wir so komisch wurden, einige blieben, ließen uns gewähren und stellten uns eine Schale Möhren hin. Die Eltern sorgten sich um Mangelerscheinungen und ob das wohl eine Sekte sei. Derweil änderten wir uns weiter. Zuerst änderten sich die Körper, dann Geist und Seele.

 

Stinken, entgiften, abnehmen

Wir reinigten unsere Körper sehr, sehr stark. Am Anfang stanken wir, wir entgifteten, wir nahmen ab. Vereinfacht und plakativ ausgedrückt: Rohkost war wie Fasten – nur mit Essen. Nach einiger Zeit fasteten wir mit Wasser, Heilerde und Darmspülungen. Wir ließen uns Blut abnehmen, analysierten dessen Werte und betrachteten die Veränderungen an und in uns. Mein Mann ließ regelmäßig Spermatogramme anfertigen. Von 100 Prozent „unbrauchbaren“ Spermien auf 80 Prozent, 60 Prozent, 40 Prozent – und dann war ich schwanger… Monat für Monat konnten wir zusehen, wie sich die verschiedensten Werte veränderten. Die Ärzte sagten nichts, einfach nichts. Wir brauchten weniger Schlaf – viel weniger. Wir benötigten kein Deo mehr, wir schwitzten nicht oder kaum – und dieser Schweiß war geruchlos. Alles andere, was an Menschen Gerüche verbreiten kann, wurde nahezu geruchlos. Auf der Toilette muss es nicht stinken – was für eine Erkenntnis. Und es gibt noch viele dieser kleinen Anekdoten. Die Sinne wurden feiner, wir konnten Dinge riechen und schmecken, die vorher einfach nicht da waren, und wir wurden feinfühliger.

 

Wacher, aufmerksamer, sinniger

Der Geist wurde wacher, die Seele erwachte. Und langsam erkannten wir, dass sich mehr verändert hatte als nur der Körper. Wir dachten anders. Wir wurden wacher, aufmerksamer, sinniger. Wir erkannten etwas sehr Wesentliches, und für diese Erkenntnis bin ich sehr dankbar: Kinder kann man nicht einfach haben wollen. Empfängnis ist ein viel weiseres Wort als Kinderwunsch. Es geht bei Kindern nicht um etwas, das wir haben wollen. Wir wollen so vieles haben und kaufen es uns. Gerade bei der Empfängnis stehen wir nun da – trotz aller unserer Möglichkeiten. Wir wollen mit aller Macht, nichts passiert. Alles Wollen hilft nichts. Wir können Kinder nur empfangen und uns darauf einlassen. Wir können den Boden bereiten und erwarten, was geschieht. Ein halbes Jahr mit Rohkost machte den Körper rein und noch etwas anderes: Sie machte die Seele bereit zu empfangen und lehrte uns Vertrauen.

Rohkost heilt den Körper schnell und effektiv von vielen, vielen Leiden, die durch unser modernes Leben verursacht werden – allein dies ist schon wunderbar. Aber Rohkost reinigt auch den Geist. Sie macht Durchzug im Hirn, lässt frischen Wind hinein und lässt damit die Seele wieder aufatmen und sich Gehör verschaffen.

Heute weiß ich, wie wahr es ist, dass „wir sind, was wir essen“. Wie weise es von meinem Körper war, mir eine Schwangerschaft zu verweigern, wie sinnvoll! Natürlich war mein Wille ein anderer und natürlich war ich keineswegs zufrieden. Und doch kann ich heute die Weisheit erkennen. Als wir nicht hörten, was die Seele sagte, sagte es irgendwann der Körper. Gut, wenn wir ihn verstehen können. Damals konnten wir es zunächst noch nicht.

 

Rohkost ein Leben lang?

Wir praktizieren Rohkost in unserer Form nun seit zehn Jahren, mit wechselnder Intensität und inzwischen ohne Dogmatismus. Ich kann heute sehr flammende Reden über das Thema halten – und nebenbei doch Kekse essen. Und doch unterscheidet sich unsere Lebensweise und unsere Ernährung stark von der vieler anderer. Einmal Rohkost-infiziert bleibt uns dieser Erfahrungsschatz für immer erhalten. Wir haben an uns selbst die vielen verschiedenen Theorien ausprobiert, wir waren radikal und experimentierfreudig: „Instinktive Rohkost“ hat uns gezeigt, wie genau unser Körper uns sagt, was er braucht und was er nicht braucht. „Exotische Früchte“ machen einfach Spaß, und wenn sie reif geerntet wurden, sind sie wie Sonnenlicht zum Essen. „Regional und saisonal“ ist eine interessante Erfahrung, vor allem im Winter, „Wildkräuter“ sättigen tatsächlich schon in geringsten Mengen, und „grüne Smoothies“ machen das viele Grünzeug durchaus erträglicher. Es gibt noch viele Theorien und Versuche zu diversen Lebensmitteln, und die meisten haben wir kennen gelernt – und doch finde auch ich rohes Gemüse nicht immer lecker. Dann gibt es „normales Essen“. Ein Sprichwort sagt: „Wer die Extreme nicht kennt, der weiß nicht, wo die Mitte ist“, und so haben wir in dieser Hinsicht die Mitte für uns ausprobiert. Wir haben erfahren, wie sehr Getreide unsere Körper „verklebt“, so ist unser täglich Brot oft etwas anderes, aber die klassischen Sonntagsbrötchen mit Marmelade und Schokocreme gibt es auch bei uns. Wir essen auch gerne asiatisch und indisch, und das durchaus nicht roh! Wir wissen um die gesunde Ernährung, doch haben auch wir den Geschmack von Pommes Frites und Pizza nicht vergessen. Mit aller Härte gegen einen selbst zu leben und zu essen führt nicht dauerhaft zu Gesundheit, die Seele möchte zwar in einem gesunden Tempel wohnen,aber nicht in einem verhärteten, oder?

 

Entspannte Handhabe

Und hier zeigen uns die Kinder auch durchaus einmal die Grenzen. Kann man immer alles verbieten, was alle anderen als normal betrachten? Wenn schon Vegetarier als komisch gelten, was ist dann erst ein Rohköstler? Natürlich lieben auch unsere Kinder Nudeln mit Tomatensoße und bekommen diese auch. Aber sie kennen auch Jack-Fruit, Rambutan, diverse Avocado- und Mango-Sorten und so ziemlich alle Geschmäcker heimischer Obst- und Gemüsesorten und einiger Wildkräuter.

Was uns bei „normalem“ Essen immer wichtig ist, ist die Abwesenheit von Zusatzstoffen. So sind die Bio-Richtlinien bei uns ein Muss, Glutamat ist ein No-Go, Farbstoffe und Konservierungsstoffe ebenfalls. Zucker ist zwar nicht gesund, doch Aspartam ist ein Nervengift, auf das meine Kinder sofort mit Nervosität reagieren. Und so halten auch sie sich an diese Einschränkungen: Süßigkeiten oder Getränke mit künstlichen Farb- oder Konservierungsstoffen gibt es nicht. Aber sie dürfen immer wählen: Wir essen gemeinsam, doch haben wir es abgeschafft, dass wir alle zu einer Mahlzeit genau das Gleiche essen. Oft genug verweigern gerade unsere Kinder das gekochte Gemüse und holen sich lieber eine Möhre oder Paprika und Nüsse aus dem Korb. Recht haben sie. Bringen wir ihnen bei, dass sie essen, was auf den Tisch kommt? Nein – ihr Instinkt funktioniert noch, und ich möchte ihnen genau diesen lieber erhalten.

Meine Kinder sind heute neun und drei Jahre alt. Weniger Milch und Getreide im Kindergarten wären eine Wohltat – und doch gehen das angebliche Training des Immunsystems mit Dauerschnupfen und anderen Beschwerden weitgehend an uns vorbei.
Wenn die Erkältung doch mal anklopft, hilft Rohkost mir dabei, schnell wieder körperlich fit zu werden. Keine Milchprodukte bei Schnupfen, Rohkost ausgerechnet bei Magen-Darm-Erkrankungen, Orangensaft bei übersäuertem Magen – für mich funktionieren diese Strategien, auch die Theorien dazu sind für mich überzeugend, doch nur Wenige kennen sie. Aber die Neugier ist inzwischen bei vielen Menschen geweckt. Es bedarf ein wenig Mut, sich auf etwas Neues einzulassen, vor allem aber Neugier – dann sind erste Erfolge schnell erreichbar.


Abb: © Fotowerk – Fotolia.com

2 Responses

  1. Herrbert
    Schweiß - Zwiebeln, Knoblauch, Kochkost?

    Liebe Birgit, vielen Dank für Deine Rückblende!

    Für jemanden, der vor einem Monat erst so richtig mit der Rohkost angefangen hat, war dieser Artikel sehr hilfreich, auch wenn mein eigener Haushalt nicht ganz so unterstützend is(s)t. Ich habe nach diesem einen Monat ebenfalls bemerkt, daß mein (auch nicht mehr so stark strömender) Schweiß seit einigen Tagen überhaupt nicht mehr riecht – und das ganz ohne Deo, auch bei leichtem körperlichem Training. Früher war starker, „männlich“ riechender Schweiß durchaus ein ernst zu nehmender Gegner – trotz Deo…

    Was ich mich allerdings beim Durchlesen des Artikels gefragt habe:

    A) Habt ihr, wie ich, auch auf Zwiebeln und Knoblauch verzichtet, oder wurde der Schweiß bei Euch auch mit (natürlich roh gegessenen) Zwiebeln und Knoblauch geruchlos?
    B) Jetzt, wo ihr nicht mehr so streng rohköstlich eßt, riecht der Schweiß dann nicht wieder stärker? Falls nicht: Wie in etwa ist das Verhältnis Rohkost/Kochkost bei Euch?

    Herrbert

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  2. Toni

    Eine sehr schöne undogmatische Darstellung von eigentlich etwas selbstverständlichem auf das jeder kommen kann mit etwas Nachdenken, mit Wertschätzung aller Dinge um uns, von unserem Körper und „dem Leben“. Es scheint mir Lebendigkeit zu sein, wenn man in der Lage ist sein Leben durch Erfahrungen mit denen man nicht einverstanden ist zu ändern.
    Die „Odyssay“ von Birgit Schönborn kommt sicher vielen bekannt vor.

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