Im Kino: Spirit Berlin

Sehnsuchtssuche

Vor ein paar Tagen hat in Berlin ein Dokumentarfilm über das spirituelle Berlin und die Sinnsuche in dieser Stadt der tausend Gesichter Premiere gehabt. 

Der Schmelztiegel Berlin, der trotz aller immer wieder aufflammenden Intoleranz für seine Freiheit, Toleranz und den Raum sich so zu entfalten, wie man will, tatsächlich als „spirituelles Herz Europas“ bezeichnet wird, ist der Schwerpunkt dieses Films. Inspiriert wurde Kordula Hildebrandt zu diesem Film durch ihre eigenen Erfahrungen und ihre eigene Sinnsuche, sie pilgerte selbst den Jakobsweg entlang und nach Lourdes und Taizé, beschäftigte sich mit Zen-Meditation und arbeitete unter anderem als Yogalehrerin.

Die Geschichte dreht sich um Stephan, der aus der Provinz in Sachen Freiheitssehnsucht nach Berlin kam, hier als Schauspieler lebt und nun von einer spirituellen Suche getrieben wird. Mit dem Charme eines verloren herumirrenden und vor sich hin starrenden Schäfchens stolpert Stephan (Stephan Ziller) auf seiner Sinnsuche umher und blüht zaghaft zum ersten Mal bei der Begegnung mit Simone (Simone Geißler) während einer Yogasession auf. Und so tingelt er fast beliebig – wie ein von spirituellem ADHS Getriebener – auf der Suche nach seinem persönlichen Weg weiter durch Ashrams, Chantingsessions, Yogastunden, zu Taizégesängen, zum Zegg, zum Tantra oder auch zur medialen Beratung, begegnet Sufis, probiert herum und diskutiert mit den Menschen über ihre Ansichten. Unterbrochen wir die Dokumentation immer wieder von Interviewparts bekannter Szenegrößen.

Und ja, obwohl der Hauptdarsteller (übrigens ebenso wie sein weiblicher Gegenpart) Schauspieler ist, ist es ein Dokumentarfilm. Die Filmemacherin Kordula Hildebrandt lernte ihn bei einem Dreh kennen und fand, dass er die richtige Besetzung für „Spirit Berlin“ ist. 

Eine dokumentarische Erfahrungsreise mit – wie sie selbst sagt – „filmischer Dramaturgie“. Die Kamera begleitet ihn bei seiner spirituellen Reise durch die Hauptstadt und natürlich bei seiner Liebesgeschichte mit Simone. Die sich während des Drehs entwickelte und in die Story eingeflochten wurde. Um diesen sich ungeplant entwickelnden Handlungsstrang stärker herauszustreichen, wurden sogar noch Szenen nachgedreht.

Fazit: Spannend. Bereichernd. Natürlich auch durchwachsen mit ein paar sanft verstrahlt-esoterischen Phrasen – das bleibt bei so einem Film nicht aus. 

Für spirituell interessierte Berliner/innen sicher teils auch lustig, weil bekannte Plätze, Dinge und Gesichter auftauchen. Schade allerdings, dass trotz allem Bemühen um Diversität wieder fast nur die sehr indisch inspirierte spirituelle Seite Berlins eine Bühne bekommt und paganistische Aspekte außen vor bleiben. 

Unabhängig davon: Eine erstaunliche Entstehungsgeschichte und Offenheit, mit der die Schauspieler an das Filmprojekt herangegangen sind. Findet hier doch quasi die ultimative Seelenschau statt, bei der man sich nicht mal eben hinter einer fiktiven Rolle verbergen kann. Erstaunlich auch, dass dieses Projekt à la „Wir filmen jetzt mal ne spirituelle Entwicklung..!“ so funktioniert hat. Musikalisch begleitet wird der Film übrigens von Mitsch Kohn (www.mitschkohn.de).

 

Kordula Hildebrandt 

Spirit Berlin

Hildebrandt Film, 2014

Jetzt im Kino, 89 Minuten

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