SonnenZeit ist ein junges, in Österreich bereits wachsend funktionierendes, Wirtschaftssystem, dessen Zielsetzung es ist, dem Menschen als Werkzeug für eine Erhöhung der Lebensqualität Aller zu dienen. Mit der Bildung lokaler Kleingruppen entstehen neue Gemeinschaften und immer größere Netzwerke an Menschen, die bereit sind, verantwortungsvoll mit sich, mit anderen und der Natur umzugehen. Unterstützt wird dies durch verschiedene miteinander verbundene Instrumente wie einen (virtuellen) Marktplatz, eine zeitbasierte Komplementärwährung, ein ausgabenbezogenes Grundeinkommen, die Bewertung von Produkten und Dienstleistungen nach ihrer Lebensförderlichkeit und einen Nachhaltigkeitsausgleich zur Berücksichtigung dieser Information in die Kaufpreise.

 

SonnenZeit – Spiel des Lebens

Gestartet wurde SonnenZeit als „Spiel des Lebens“ im Januar 2013 in Steyr/Österreich von einer Gruppe Menschen um den Volkswirtschaftler Dr. Gerhard Zwingler. Dieser hatte sich seit seiner Promotion zu nachhaltiger Gemeinde-Entwicklung intensiv mit tragbaren Optionen zum alternativlos scheinenden Krisenmodell des Schuld- und Zinsgeldsystems beschäftigt. Daraus ist das Gründungskonzept entstanden, das dann schrittweise zur Realität wurde. Seither ist die Anzahl der „MitspielerInnen“ kontinuierlich auf elf Kleingruppen gewachsen, weitere Kleingruppen bilden sich gerade in vielen Regionen Österreichs, auch in Linz, Salzburg und Wien. Privatpersonen spielen mit und auch bereits knapp 60 Unternehmen, die sich der Zielsetzung vollständigerer bzw. fairer Preise, schuldfreien Geldes und eines nachhaltigen Alltagslebens verbunden fühlen. Regional- und Landesfernsehen sind auf die „Innovation“ aufmerksam geworden, das Spiel des Lebens hat Ausstrahlung entfaltet über Österreich hinaus nach Südbayern und wird als Inspiration nun auch in Berlin, in den Niederlanden und in England wahrgenommen.

 

Was unterscheidet das „Spiel des Lebens“ von den vielfältigen anderen Initiativen, die es in Richtung Nachhaltigkeit gibt? 

Wie kommt es, dass die SonnenZeit so erfolgreich ist? Was als Erstes auffällt, ist die Leichtigkeit, die für die Menschen damit verbunden ist. Es geht nicht darum, schwierige Konzepte perfekt umzusetzen, sondern sich als Teil eines spielerischen Lernprozesses zu verstehen, in dem auch Scheitern und Veränderung dazugehören; eben keine utopische Modellwelt sondern ein wirkliches, realistisches „Spiel des Lebens“. Charakteristisch ist zweitens die Einfachheit dieser „Spielregeln“. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie viele interessante Einzelansätze integrieren und intelligent miteinander verbinden. Drittens führt die Spieldynamik (im Gegensatz zu der Spieldynamik der gegenwärtig üblichen, aus Theorie-Modellen abgeleiteten „Sozialen Marktwirtschaft“) in Richtung eines nachhaltigen Lebens. Konsequent ist jedes Element darauf ausgerichtet für jede einzelne Mitspielerin ein stressfreieres und erfüllteres Leben zu ermöglichen.

Ein nachhaltiges Leben hat sehr viel damit zu tun, ob es sich glücklich und sinnvoll anfühlt – dann ist typischerweise der Bedarf an Ersatzbefriedigung in Form ressourcenzehrender Konsumgüter deutlich geringer. Also setzt das Spiel des Lebens dort an, wo die Glücksforschung die zwei wichtigsten Faktoren ermittelt hat: beim stressfreien Zusammensein mit Freunden und Familie und bei der ebenfalls ent-stressteren Beschaffung des täglichen Bedarfs.

 

Gemeinschaftsbildung

Der erste Startpunkt ist dabei die Gemeinschaftsbildung in lokalen Kleingruppen von idealerweise 5-7 Personen. Die ermöglicht der Mitspielerin, die Anonymität des typischen, heutigen Alltagsmenschen im Verhältnis zu seinen Mitmenschen zu verlassen und ähnlich Gesinnte in der Umgebung kennen zu lernen. Gemeinsam durchläuft man einen schrittweisen Lernprozess hin zu einer wechselseitigen Befähigung, zum zukunftsfähigen Umgang mit sich selbst, den Mitmenschen und der Natur als Umgebung und Lebensgrundlage. Man trifft sich regelmäßig, um einander zu unterstützen – praktisch durch Austausch von Fähig- und Fertigkeiten und sozial in der Gestaltung des Alltags nach der gemeinsamen Vision eines nachhaltigen Lebens.

Der praktische Austausch ist ein wichtiges Modul dieses Lernprozesses. Man lernt sich selbst und andere Mitspieler kennen: welche Waren und Dienstleistungen man anbieten kann und welche man selbst benötigt. So wandelt sich der Mitspieler vom abhängigen Konsument zum Prosument, der je nach Situation produziert oder konsumiert. Dem so entstehenden Prosumenten-Netzwerk steht ein Marktplatz zur Verfügung. Das ist weder ein Tauschforum, wo ein Handel nur zustande kommt, wenn A mit B sich über die Tauschverhältnisse z.B. von zweimal Rasenmähen gegen ein Päckchen gebrauchte Kinderkleidung einig werden können, noch ist es eine kommunistisch angehauchte Plattform mit administrierten Preisen, wo dem Markt prinzipiell misstraut wird.

 

Nachhaltigkeitsorientierte Preisbildung

Wer auf diesem Marktplatz anbietet, wird gebeten, im Angebotspreis, der in einer beliebigen Kombination aus EUR und SonnenStunden bestehen kann, den Aufwand an Lebenszeitstunden zu berücksichtigen, der real nötig war, um dieses Produkt herzustellen (inklusive den notwendigen Erholungszeiten!) oder der nötig sein wird, um es erneut anbieten zu können. Die einzige Intervention in den freien geldbasierten Handel, der sich dann entfaltet – also eine Marktwirtschaft – stellt eine Art gestaffelter Preisaufschlag dar, der an die Gemeinde des Herstellers weitergereicht wird – der „Nachhaltigkeitsausgleich“.

Hier greift der zweite Eckpfeiler von Sonnenzeit: die Ermöglichung nachhaltigkeitsorientierter Preisbildung. Dank eines hyperkomplexen, auch für Experten zunehmend intransparenteren, internationalen Steuer- und Subventionssystemgeflechts sind die tatsächlichen Angebotskosten eines Produkts oder einer Dienstleistung in der europäischen Gemeinschaftswährung oder anderen Nationalwährungen kaum mehr erkennbar. Noch weniger erkennbar sind die Kosten, die externalisiert wurden, d.h. auf Menschen oder die Natur bei der Ressourcenextraktion, -weiterverarbeitung oder bei diversen Transporten rund um den Globus abgewälzt wurden. Die Spielregel für das Anbieten eines Produkts oder einer Dienstleistung fordert daher eine Nachhaltigkeitsbewertung, die auf den Elementen der internationalen Agenda21-Richtlinien aufbaut und die Marktteilnehmer unabhängig vom Preis informiert, wie schädigend oder lebensförderlich das Angebot ist. Das Instrument hierfür ist der von Gerhard Zwingler entwickelte Nachhaltigkeitskompass, an dessen Bewertungsergebnis ein entsprechender Preisaufschlag gekoppelt ist.

Dieser Nachhaltigkeitsausgleich, der mit abnehmender Lebensförderlichkeit steigt, macht die Nachhaltigkeitsinformation auch im Preis, dem wichtigsten Informationsträger auf Märkten, transparent. Ökologische und soziale Auswirkungen eines Kaufs werden im Produktpreis erkennbar; die Voraussetzung für     einen Markt mit vollständiger Information – Grundannahme der meisten Wirtschaftsmodelle für einen funktionierenden Markt – wird damit endlich einmal in einem wesentlichen Punkt erfüllt.

Lebensförderliche Waren verbilligen sich relativ, schädigende verteuern sich relativ. Dadurch wird eine Marktdynamik in Gang gesetzt, die lebensförderliches und verantwortliches Handeln relativ günstiger werden lässt, als auf Kosten anderer und der Umwelt zu wirtschaften. Da der Nachhaltigkeitsausgleich an die Gemeinden, in denen die Schädigung anfällt, weitergereicht wird (soweit dies möglich ist), entstehen Anreize für die Gemeinden, beim Spiel des Lebens mitzuspielen, z. B. Beschaffungen zum Teil mit SonnenStunden zu vergüten oder ihre Mitarbeiter zum Teil in Sonnenstunden zu bezahlen. Beides reduziert den Schuldendruck auf die mitspielende Gemeinde und zeitigt damit positive Wirtschafts-Effekte über die lokale Ebene hinaus.

 

Komplementärwährung SonnenZeit

Das dritte, wesentliche Instrument, auch namengebend für das Spiel des Lebens, ist die Komplementärwährung SonnenZeit. Diese ergänzt schrittweise Abhängigkeit, Mangel und Armut schaffendes Schuldgeld – z.B. Euro oder US-Dollar – durch ein zinsloses, Fülle ermöglichendes Geld in Form von Lebenszeit – SonnenStunden. Diese Leistungsbestätigungs- und Dankeswährung ist im Wert an der Arbeitsleistung eines Menschen in einer Stunde orientiert und kommt ohne Geldscheine oder –münzen aus. Sie funktioniert nicht durch Zwang, sondern in der Freiheit der wechselseitigen Verantwortung. Der Schritt dazu, nämlich in die Kaufkraft dieses (virtuellen) Geldes Vertrauen zu entwickeln, erscheint zunächst groß.

Bis man sich erinnert, dass auch die Kaufkraft unserer Euro-Währung nur noch darauf beruht, dass Menschen in die Good Governance einer Zentralbank bzw. in die Rückzahlungsbereitschaft von Kreditnehmern genügend Vertrauen haben, um anzunehmen, dass andere Menschen dies auch tun. Sonst wäre das Geld nämlich nicht mehr handelbar, einen Eigenwert hat es nicht. Und eine Materialwertdeckung der Scheine und Guthabenkonten, wie sie bis Mitte des 20.Jahrhunderts bei vielen Währungen zumindest anteilig üblich war, z.B. in Gold, gab es schon vor der Euro-Einführung nicht mehr. Vielleicht haben die SonnenStunden das Potential, das spekulationsgetriebene Schuldgeld nicht nur zu ergänzen, sondern schrittweise auch zu ersetzen?

Die SonnenStunden werden allen MitspielerInnen immer ausreichend zur Verfügung gestellt, mithilfe eines in Kleingruppen verantworteten ausgabenbezogenen Grundeinkommens. Das bedeutet, dass alle MitspielerInnen einer Kleingruppe sich zunehmend wechselseitig garantieren, dass sie alle benötigten Ausgaben in SonnenStunden auch tätigen können, dass also das individuell verfügbare Budget in SonnenStunden mit zunehmender Erfahrung immer höher steigt, bis die Budgetgrenze faktisch verschwindet. Geld haben müssen spielt dann für die Befriedigung der Alltagsbedürfnisse keine Rolle mehr.

Regionale, nachhaltige Versorgungsnetzwerke für ein nachhaltiges Alltagsleben

Ein zentraler Mitspieler bei den Unternehmen ist das NETs.werk mit über 20 Standorten in Ober- und Niederösterreich. Gegründet 2005 ebenfalls von Gerhard Zwingler, ist das Ziel dieses Vereins und der von ihm betriebenen Läden regionale, nachhaltige Versorgungsnetzwerke aufzubauen für ein nachhaltiges Alltagsleben, beginnend bei Lebensmitteln. Das geschieht durch das Fördern von Erzeuger-Konsumenten-Beziehungen, Bereitstellen eines Vorbestellungs-Onlineshops und dem Betrieb von neuen oder eine Kooperation mit existierenden Dorfläden.

 

Weitere Information:

www.sonnenzeit.jetzt

 

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