Kinder und Jugendliche haben es nicht leicht in diesen Tagen. Sie wachsen auf in einem zerfallenden System, zwischen Konsumterror, Bildungsdruck und beruflicher und existenzieller Perspektivlosigkeit. Weder Schule noch die Gesellschaft, noch Eltern können in vielen Fällen eine wirklich Sinn spendende Orientierung bieten.

Und trotzdem die gespielte Überraschung über Schüler mit Burn-out und Depressionen; Orientierungslosigkeit, Resignation und Protestverhalten – oder eben Eskalationen wie im Falle von Amokläufen. Die Reaktionen sind, genauer betrachtet, fast absurd: Da führen Pädagogen und Lehrer Fernsehdebatten über Killerspiele und Waffengesetze, werden politische Lösungen gefordert, es wird diskutiert und vermutet. Und meistens, fast immer, sind es die Erwachsenen (Eltern, Lehrer, Pädagogen, Experten, Autoren) sind, die erklären wollen, was mit den Kindern los ist.

Warum fragen wir nicht mal die Kinder? Das dachte sich auch die freie Journalistin Sandra Schuster-Böckler und rief die Initiative „Die Stimmen unserer Kinder“ ins Leben.

 


Wer fragt eigentlich die Kinder selbst, was sie bewegt?

Die Idee: eine bundesweite Umfrage unter Jugendlichen, was sie bewegt und was sie sich wünschen. Eigentlich, so hätte man denken können, müsste eine solche Aktion doch breite Unterstützung finden. Und so telefonierte und schrieb Schuster-Böckler mit Stiftungen, Politikern, Vereinen und Initiativen. Doch zu ihrer Bestürzung ließ sich kaum Unterstützung finden und so entschied sie sich schließlich, das Projekt aus eigener Kraft zu starten.

Es geht ihr darum, zu erfahren: Was macht Kinder glücklich, was vermissen sie Zuhause und in der Schule, was brauchen sie wirklich? Was ist los in den Köpfen und vor allen Dingen in den Herzen unserer Kinder?

Um diese Antworten zu bekommen, will die Initiatorin nun mit einem einheitlichen Fragebogen 80 verschiedene Schulen in ganz Deutschland besuchen. In jedem Bundesland werden fünf Schulen ausgewählt (je eine Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Eliteinternat und eine freie Schule). In einer Spezialunterrichtsstunde beantworten die 14- bis 17-jährigen Schüler anonym sieben Fragen, die dann ausgewertet und veröffentlicht werden sollen.

Der Fragebogen

1 Vor wem hast Du Respekt? (Nenne max. drei Stichpunkte/Personen)
2 Was wünschst Du Dir von Deinen Eltern? (Keine materiellen Dinge, nenne max. drei Stichpunkte)
3 Was macht Dich glücklich? (Nenne max. drei Stichpunkte)
4 Wenn Du die Welt verändern könntest, was wären die drei wichtigsten Dinge, die Du tun würdest? (Bitte in kurzen Sätzen)
5 Vor was oder wem hast Du Angst? (Nenne max. drei Stichpunkte)
6 Was machst Du in Deiner Freizeit? (Nenne max. drei Stichpunkte)
7 Was können Deine Lehrer besser machen? (Nenne max. drei Stichpunkte)

 

Die Antworten

Bisher wurden 200 Kinder befragt und die Antworten führten zu der Idee, ob eine breiter angelegte Umfrage nicht direkt zur Schulentwicklung beitragen könnte. Warum nicht auch mal die Wünsche der Kinder umsetzen?

„Ich möchte einen Beitrag leisten, der letztendlich den Kindern und Jugendlichen dienen soll. Die bis jetzt gesammelten Stimmen erstaunen mich. Einige erfreuen mich, andere machen mich traurig und nachdenklich…“, berichtet Schuster-Böckler. „Ich möchte den Jugendlichen eine Plattform geben, ihre Stimmen sollen gehört werden. Authentisch und unverfälscht. Es geht mir nicht um Statistiken, Politik und Psychoanalysen. Vielmehr soll die individuelle Welt unserer Kinder genauer beleuchtet werden.“

Es geht um ein gegenseitiges Verstehen und Zuhören. Darum, eine authentische Kommunikation zwischen den Generationen zu fördern und einen neuen Respekt füreinander zu entwickeln. Auf der Webseite wurden schon einige Antworten veröffentlicht, die Auswertung erfolgt, sobald das Projekt abgeschlossen ist.

 

Einander zuhören

Wenn wir uns verstehen wollen, sollten wir uns gegenseitig zuhören. Mit Respekt und auf Augenhöhe. Auch wenn das Projekt sicherlich nur an der Oberfläche kratzt, ist die Intention eine wichtige. Kinder und Jugendliche haben Bedürfnisse, die wir uns anhören sollten und die ernst genommen werden wollen. Und vielleicht macht es mehr Sinn, sie einfach zu fragen, statt sich in Expertenrunden gegenseitig die Ohren vollzudiskutieren. Nicht immer werden wir eine klare Antwort bekommen, vielleicht sogar auf manche Ablehnung stoßen. Aber erst wenn wir als Gesellschaft dahin kommen, dass Kinder und Jugendliche sich wieder respektiert und angenommen fühlen, kann es auch überhaupt wieder eine Grundlage für ein offenes Gespräch geben.

Webseite:

http://www.diestimmenunsererkinder.de

 

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