System zur Selbstheilung. Ein schwerer Verlauf von Multipler Sklerose mit 26, schwere Depression mit 55: Dr. Helmut Retzl hat beides Dank eines selbst kreierten Systems überwunden und glaubt. Unheilbar gibt es nicht.

 

Selbstheilung

Prof. DDr. Helmut Retzl wurde im Laufe seines Lebens sowohl von seiner körperlichen als auch von seiner seelischen Kraft im Stich gelassen. Heute geht es ihm besser denn je. Zu verdanken hat er das vor allem seinem sozialen Umfeld und seinem selbst entwickelten System. Sein neues Buch Unheilbar gibt es nicht – Das Selbsthilfeprogramm für Krisenfälle erzählt seine Geschichte und von einem Programm, das inzwischen schon vielen Menschen geholfen hat.

Wenn Helmut Retzl von seinem Selbsthilfeprogramm erzählt, ist seine Stimme voller Begeisterung. Kein Wunder – und das gilt mehrfach – blieb dem Autor, Konfliktmanager, Professor an der Pädagogischen Hochschule und wissenschaftlichem Leiter des Therapiezentrums „familiaritas“ doch nichts anderes übrig, als dieses mit sich selbst als erste Testperson unter schwierigsten Umständen zu entwickeln.

Ein schwerer Verlauf von Multipler Sklerose führte bei Helmut Retzl im Alter von 26 zu linksseitiger Lähmung; sich selbstständig fortzubewegen war ihm praktisch unmöglich und jede Berührung bereitete ihm Schmerzen. Die ihm verschriebenen Medikamente zeigten wenig bis gar keine Wirkung, Hoffnung auf Heilung gab es bei dieser Diagnose keine. Hoffnung auf ein schmerzfreies Leben ebenso wenig. Der vielzitierte Tropfen war die Nachricht, dass er „eh noch ein paar Jahre zu leben hätte, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen„.

Die folgenden Tage und Wochen waren geprägt von Resignation, Todessehnsucht, Angst und Schmerzen.

Seine Familie erweckte nach der Phase der Verzweiflung und Resignation seine Willenskraft von Neuem. Durch Selbstversuche entdeckte Helmut Retzl Wurzeln und Ausläufer seiner Krankheit in den verborgensten Winkeln seines Lebens. Er begann die Ursachen zu bekämpfen, anstatt der Symptome und schaffte es so, die Multiple Sklerose zurückzudrängen. „Eine Wunderheilung? Auf keinen Fall“, sagt der Autor. „Denn“, so weiß Retzl „um Heilung zu bewirken, bedarf es intensiver Kräfte, die ebenso wie Krankheiten, Auslöser haben müssen.“ Heute geht Helmut Retzl mindestens dreimal in der Woche auf seinen Hausberg und läuft dann zurück nach Hause. Für jemanden mit Multipler Sklerose scheint dies fast unvorstellbar.

 

Heilung muss man selber machen

Von Wunderheilern hält Retzl nichts, auch wenn der Titel seines Buches beim ersten Lesen anders klingen mag. Heilung, Genesung, Gesundung, ja selbst das Erreichen von körperlichem und seelischem Wohlbefinden ist, so weiß er, harte tagtägliche Arbeit. „Wenn jemand in mein Therapiezentrum kommt und um Hilfe fragt, muss auch wirklich der Wille zur Lebensveränderung vorhanden sein. Ich kann niemanden heilen. Das muss schon jeder selber machen“, sagt Retzl. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Zauberwort. Was in „Unheilbar gibt es nicht“ angeboten wird ist ein System, ein Leitfaden für jene, die sich überfordert und überwältigt fühlen oder nicht mehr wissen, wie sie in ihrer derzeitigen Situation jemals wieder ein erfülltes und glückliches Leben führen sollen.

Hinter der provokanten Behauptung im Titel seines Buches steckt ein durchdachtes und erprobtes Programm. Die Idee dahinter scheint kompliziert und einfach zugleich. Jeder Einschnitt im Leben, jede Situation, jede Entscheidung – egal ob positiv oder negativ – hat weitreichende Auswirkungen. Unverarbeitete negative Erfahrungen oder Erlebnisse, die schlicht zu groß oder zu weitreichend sind, um sie für sich selbst begreifen zu können bilden einen guten Nährboden für unangenehme und gefährliche Krankheiten und Symptome. „Dauerstress, permanente Überforderung, Selbstüberschätzung, ein zerstörerisches Umfeld oder Verhalten sammeln und verwickeln sich so lange in uns, bis es – im schlechtesten Fall – kein Weiterkommen mehr gibt. Das kann schlimme Folgen haben“, so Retzl. Diese Knoten aufzulösen, das System wieder in Schwung zu bringen und so eine Besserung oder Gesundung möglich zu machen, ist das Ziel seines Systems.

 

Heilung in allen Lebensbereichen

Eben jene oben genannten Faktoren, wie auch eine schwere private Krise führten bei Helmut Retzl Jahre nach dem ersten Krankheitsverlauf zum Ausbruch einer schweren Depression. Mit ihr kehrte auch die Multiple Sklerose zurück. Wieder ein Rückschlag, wieder waren die Auslöser Überforderung, persönliche Krisen und Selbstzweifel, das Gefühl, das eigene Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Eine Rückbesinnung auf seine Methode und die Kraft, die ihm von seinen Mitmenschen geschenkt wurde, ermöglichte einen erneuten Sieg über die Hoffnungslosigkeit. Nach der Veröffentlichung seines, für Fachpublikum geschriebenen, ersten Buches „Wirkungsorientiertes Denken“ (ebenfalls Goldegg), war Retzl die Übersetzung zum Selbsthilfeprogramm ein persönliches Anliegen und ging ihm in Windeseile von der Hand.

Bezeichnenderweise steht am Anfang des Selbsthilfeprogramms das Ziel. Die, wie Retzl es nennt, „Sieben Prinzipien der Lebensqualität“, an erster Stelle der schon erwähnte Wille zur Veränderung. Mit Ihnen umreißt der Autor sieben, unser Wohlbefinden maßgeblich mitbestimmende Lebensbereiche und führt uns sowohl an ihre positiven als auch ihre möglichen negativen Auswirkungen heran. Unter anderem beinhalten diese Prinzipien Umgang, Auswirkungen und Bedeutung folgender Bereiche:

  • Wille zur Veränderung
  • Soziales Umfeld
  • Macht
  • Freiheit
  • Kommunikation und Dialog
  • Zeit
  • Die Fähigkeit zur Flexibilität in Perspektiven und Weltsicht

Was nun folgt, nennt Retzl „Dialogorientierte Rasterfahndung“. Die verschiedensten Lebensbereiche werden interaktiv durchleuchtet. Familie, Beziehungen, Beruf, Gewohnheiten, Lebensräume, das soziale Umfeld alles wird nach versteckten Mustern durchsucht. Mindestens ebenso wichtig, wie die Muster selbst ist, warum wir diesen immer wieder Platz in unseren Leben einräumen, also wie sich diese so tief in uns verwurzeln konnten und wo sie überhaupt herkommen.

Sind die Gründe offengelegt, erfolgt ein vorsichtiges und sukzessives erneutes „Hochfahren“ des Systems. Am Ende des wiederum aus sieben Schritten bestehenden Programms, steht, erneut oder noch immer, die Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Tabelle der „Fünf-Finger-Methode“ – die auch als Download auf www.familiaritas.at zur Verfügung steht, fungiert als Kompass auf der Reise zum gewünschten Ziel. In regelmäßigen Zeitabständen können in den drei allgemeinen Spalten Ernährung, Bewegung und Mentales Ziele Fortschritte, Veränderungen und Maßnahmen eingetragen werden. Die Spalten vier und fünf bieten Platz für Entwicklungen in den persönlichen Problembereichen und Krisen. So fällt es leichter, Fortschritte zu erkennen und das eigene Wohlbefinden nicht aus den Augen zu verlieren.

 

Heilung, Schritt für Schritt

Die Auslöser für körperliche und seelische Krankheiten sind vielfältig und weit verzweigt. Sie lassen sich auf dieselben Lebensfelder zurückführen, in denen auch die Kräfte für Heilung und Verbesserung verborgen liegen. Der Körper ist oft vom schieren Maß an verschiedenen Krankheitsquellen überfordert. Um alle gleichzeitig zu bekämpfen, reichen unsere Kräfte oft nicht aus. Arbeiten wir aber systematisch an einem Brandherd nach dem anderen, gibt es Hoffnung. „Wir müssen uns die Idee abschminken, dass wir durch irgendwen geheilt werden“, so Retzl. „Heilung und Gesundung können nur durch das eigene Wirken erfolgen.“ Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt Helmut Retzl im Therapiezentrum „familiaritas“ weiter. „Gesundung ist sehr viel Arbeit und Anstrengung“, sagt Retzl, „Die kann einem keiner abnehmen.“ Retzl sieht sein System als Wegweiser, als Methode um aus der Resignation entkommen zu können. Es befreit vom Gefühl des Ausgeliefert seins und gibt dem Leidenden etwas Unersetzliches: Aussicht auf Heilung.

 

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Buch

Unheilbar gibt es nicht
Das Selbsthilfeprogramm für Krisenfälle

Helmut Retzl

Erschienen im März 2014

ISBN 978-3-902903-78-5 Preis A/D 19,95
Hardcover, 386 Seiten
ISBN 978-3-902903-87-7 Preis A/D 9,99

www.goldegg-verlag.at

 

 

 

3 Responses

  1. Birkenzweig
    Familie leihen?

    „Seine Familie erweckte nach der Phase der Verzweiflung und Resignation seine Willenskraft von Neuem. “ – Wenn man diese Familie nicht hat, …
    ich meine, schön wäre es, aber ab der Stelle habe ich schon nicht weitergelesen, weil da ein bedeutender Baustein des Ganzen fehlt. Punkt.

    Antworten
    • Ralf
      Stimme zu

      Stimme voll zu……..zwischen wollen & können liegen Welten.
      Wenn weder Macht,Famile oder Mittel zur Verfügung stehen….ist Hoffnung oder positiv denken nur eine Farce.
      Wenn gestandene Mediziner weltweit sagen : Das wars………….dann wars das auch.
      punkt.

      Antworten
  2. Pillwein Christine

    Habe mit Spannung und vollster Zustimmung den heutigen Beitrag in ORF 2 verfolgt. Auch ich bin eine Betroffene d.h. ich bin seit Jahren in Therapie. Vor allem aber trägt sicherlich meine Einstellung mit Schwerpunkt „Lebensqualität“ wesentlich zum relativ ungezwungenen Umgang mit dieser „unberechenbaren“ Krankheit bei.
    Über Gedankenaustausch bzw. Impulse würde ich mich freuen.
    Liebe Grüße
    Christine Pillwein

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