Die Physiker am CERN dürften die spannendste Zeit ihrer Karriere erleben: Nach mehr als 50 Jahren Suche haben sie ein Teilchen gefunden, dessen Eigenschaften denen des gesuchten Higgs-Bosons entsprechen könnten. Das Higgs-Boson ist das letzte Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik, das noch nicht nachgewiesen werden konnte – allerdings auch das entscheidende. Nur durch das Higgs-Boson wird innerhalb der Theorie erklärbar, was Teilchen ihre Masse verleiht, weshalb das Teilchen auch als „Gottesteilchen“ bekannt ist. Würde dieses Teilchen nicht gefunden, stünde die Grundlage des gesamten Modells, und damit weite Teile der modernen Physik infrage.

Nun haben die Forscher erstmals ein Teilchen entdeckt, das den theoretischen Vorhersagen des Standardmodells sehr gut entspricht.“Wir sind uns ziemlich sicher, dass es das Higgs-Boson ist. Das Teilchen ist in Bezug auf Häufigkeit und Masse kompatibel zum Higgs-Boson aus dem Standardmodell“, so der Physiker Thomas Müller vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Die Daten reichen derzeit noch nicht aus, um mit Sicherheit zu sagen, was die Forscher da gefunden haben – noch besteht die Möglichkeit, dass das Teilchen andere Eigenschaften hat, als erwartet, was die Tür für neue Theorien öffnen würde. Die meisten Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Suche nach dem Teilchen ein Ende hat.

 

Wie erhalten Teilchen ihre Masse?

Die Higgs-Theorie geht davon aus, das Teilchen an sich sozusagen keine Masse besitzen. Die Teilchen bewegen sich vielmehr durch den Raum und interagieren dabei mit dem Higgs-Feld, welches Higgs-Teilchen an diese Teilchen ankoppelt und ihnen damit die Masse verleiht. Erst durch die Interaktion mit dem Higgs-Feld, wird sozusagen aus der energetischen „Idee“ eine Manifestation mit Masse – der Grund, warum das Teilchen so oft als Gottesteilchen bezeichnet wird.

Die Entdeckung des Higgs-Teilchens könnte zu einer genaueren Beschreibung des Higgs-Feldes führen – und möglicherweise auch Erkenntnis über die Entstehung des Universums mit sich bringen. Auch hegen viele die Hoffnung, dass dieses neue Verständnis den Weg für eine Erklärung der Gravitation ebnen könnte.

 

Was würde die Entdeckung für die Physik bedeuten?

1. Es würde erklären, wie Teilchen ihre Masse erhalten und den Weg bereiten für eine Theorie über das nächste Mysterium: Warum Teilchen genau die Masse haben, die sie haben. Das könnte zu einer weit größeren Theorie führen.
2. Es würde das Standardmodell der Teilchenphysik stützen, da alle durch das Modell vorhergesagten Teilchen experimentell bestätigt wären. Auch das Standardmodell liefert jedoch nur eine sehr ungenaue Beschreibung des Universums, da es Gravitation und die Dunkle Materie nicht erklären kann und darum außen vor lässt. Laut dem Modell soll das Universum jedoch zu 98 Prozent aus eben dieser Dunklen Materie bestehen.
3. Die elektromagnetische Kraft und die schwache Kraft könnten vereinheitlicht werden zur „electroweak force“.
4. Es könnte die Theorie der Supersymmetrie beweisen oder widerlegen. Supersymmetrische Theorien sind insbesondere in der theoretischen Physik sehr populär. Die meisten Großen Vereinheitlichten Theorien und Superstringtheorien sind supersymmetrisch.

 

 

 

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