Zwei Wochen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs bietet Google ein Web-Formular zur Datenlöschung an.

Seit Donnerstag stellt Google ein Web-Formular zur Verfügung, über dass Europäer den Antrag stellen können, veraltete, irrelevante oder anderweitig unangenehme Treffer aus den Suchergebnissen zu löschen. Damit setzt der Suchmaschinenriese das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) um, welches besagt, dass persönliche Daten „unter Umständen“ zu löschen sind. Erst am 13. Mai 2014 hatte der EuGH festgelegt, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google verpflichtet werden können, Verweise auf Webseiten mit sensiblen persönlichen Daten aus den Suchergebnissen zu streichen.

Das Recht „vergessen zu werden“ leite sich aus der EU-Datenschutzrichtlinie ab. Ausgelöst wurde das Verfahren durch den den Fall eines Spaniers, dessen Namen 1998 im Zusammenhang mit einer Immobilienpfändung über eine Zeitung in die Google Suchergebnisse gelangte was der Spanier als Rufschädigung empfand und daher die Löschung forderte. Die spanische Datenschutzagentur AEPD gab ihm 2010 recht, Google klagte als Antwort vor dem spanischen Obergericht, welches wiederum vom EuGH forderte, die Auslegung der EU-Datenschutzrichtlinie zu klären. Diese Klärung erfolgte Mitte Mai mit einem überraschenden Ergebnis:

Für die Datenverarbeitung sind die Suchmaschinen verantwortlich

Nach Ansicht des Gerichts ist eben doch der Suchmaschinenbetreiber für die Verarbeitung der Daten verantwortlich und nicht – wie Google argumentierte – der Urheber der Inhalte wie beispielsweise die Zeitungen. Und sobald die Zeitung den Artikel entferne, sei er auch per Google nicht mehr auffindbar, brachte der Konzern in der mündlichen Verhandlung vor. Das Gericht entschied anders und nun können sich Betroffene mit der Bitte um Änderung der Suchergebnisse direkt an die Suchmaschinenbetreiber wenden. Für die Löschung über das Web-Formular benötigt man unter anderem eine Kopie des Führerscheins oder des Personalausweises. Falls diese seinem Antrag auf Löschen nicht nachkommen, kann er die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht bemühen.

Angeblich wird Google seit der Veröffentlichung des Formulars mit Tausenden von Anfragen bombardiert. Darunter seien auch Berichte über Personen, die sich nun bemühen sollen, die Verweise auf einen Bericht über ihre Straftaten oder entsprechende Verfahren zu löschen. Auch Steuerhinterzieher sollen zu den Antragsstellern gehören.

Obwohl das Entfernen von Links zu illegalen Kopien bereits seit einigen Jahren gängige Praxis bei den Suchmaschinen ist, bleibt unklar, wie der Konzern die voraussichtlich enorme Anfragenmenge bewältigen will und wie das Ergebnis dann aussieht – wann also die Daten und Links aus den Suchergebnissen tatsächlich verschwinden, ist noch ungewiss.  Laut Google wird derzeit das genaue Vorgehen von einer Expertenrunde diskutiert, bestehend aus Google Managern und externen Sachverständigen wie z. B. Dem Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales. Eine Schlichtungsstelle mit Datenschützern ist angedacht.

Bis das konkrete Verfahren zur Entscheidungsfindung steht, sammelt der Konzern weiter unzählige berechtigte und unberechtigte Löschanträge. Doch sogar wenn der Löschantrag bei Google Erfolg hat – die Internetseiten mit den problematischen Inhalten bleiben erhalten. Allerdings sind sie ohne Google wesentlich schwerer zu finden.

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