Neues Bewusstsein basiert auf einer neuen Spiritualität. Dieser neuen Spiritualität liegt ein neues „Selbst“- Bewusstsein zugrunde, in dem man sich nicht mehr als ein vom Universum und der Natur getrenntes Wesen wahrnimmt, sondern sich mit allem verbunden fühlt. Das von dem italienischen Arzt, Psychiater und Pionier der transpersonalen Psychologie und Psychotherapie Roberto Assagioli entwickelte psycho-spirituelle Modell der Psychosynthese basiert auf einer solchen neuen Spiritualität. Es bietet damit eine wesentliche Orientierungshilfe auf dem Weg zu einem solchen neuen Bewusstsein und steht im Einklang mit der These des französischen Jesuitenpriesters und Philosophen Teilhard de Chardin, dass Evolution als eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins zu betrachten ist.

von Hans Piron

Die Frage nach dem Wesen von Spiritualität kann nicht von der Frage „Wer bin ich?“ getrennt werden. Spiritualität ist ein Bewusstseinszustand. Er ist davon geprägt, was und wer man glaubt in seiner Essenz als Mensch zu sein. Die Spiritualität, die der Psychosynthese zugrunde liegt, entspricht einem neuen „Selbst“-Bewusstsein, das neben Assagioli auch andere spirituelle Lehrer als solches definieren. Der deutsche Benediktiner, Zen-Meister und Mystiker Willigis Jäger etwa spricht hier von einem Paradigmenwechsel, was bedeutet, dass der Mensch aus dem Bewusstsein einer neuen Selbst-Wahrnehmung lebt. Das alte Paradigma sagt: „Ich bin ein Mensch, der eine spirituelle Erfahrung macht.“ Das neue Paradigma erklärt: „Ich bin ein spirituelles Wesen, das eine menschliche Erfahrung macht.“ Dieser Ausspruch stammt sinngemäß ursprünglich von dem Jesuiten und Philosophen Teilhard de Chardin, der so etwas wie der Visionär eines neuen Bewusstseins ist, auf das sich die Menschheit in ihrer Evolution zubewegt. Er wurde wegen seiner Thesen aus der Kirche verbannt.

Die Psychosynthese fühlt sich dem neuen Paradigma verbunden und formuliert dementsprechend: „Der Mensch ist eine Seele und hat Körper, Gefühle und Gedanken.“ Begriffe wie Seele und spirituelles Wesen sind dabei lediglich Worte, die etwas beschreiben, was man im Grunde nicht beschreiben, sondern selbst erfahren muss. Sie sind nur „Finger, die zum Mond zeigen“, wie es eine Zen-Weisheit ausdrückt. Der Mond ist die Erfahrung, die man nicht in Worten ausdrücken kann. Im Buddhismus spricht man dementspechend von der Buddha-Natur, in der christlichen Sprache der Mystik wird diese Erfahrung als Christus- Bewusstsein bezeichnet. Jesus ist der Mensch auf dieser Welt, Christus ist das göttliche Bewusstsein, das nicht getrennt ist von Gott: „Ich und der Vater sind eins.“

Einheits-Erfahrungen als Wegweiser

Mystiker aller Religionen haben von dieser Einheits- Erfahrung berichtet. Sie überschreitet das Ego-Bewusstsein, das auf einem dualistischen Denken basiert. Wir lassen die Illusion, von der Ganzheit der Natur und des Universums getrennt zu sein, hinter uns. Diese von den institutionellen Kirchen aus den Religionen verbannte Mystik kann mit der Transpersonalen Psychologie gleichgesetzt werden. Neben Roberto Assagioli ist unter anderem der amerikanische Psychologe und Gründer der humanistischen Psychologie, Abraham Maslow, einer ihrer Väter. Er nannte die Erfahrung, um die es auf dieser Bewusstseinsebene geht, Peak Experience – Gipfelerfahrung. Der von ihm entwickelten Bedürfnispyramide, die zunächst die Selbstverwirklichung als oberste Entwicklungsstufe aufwies, fügte er als Folge seiner Erfahrung den Begriff Selbst-Transzendenz hinzu.

Später verwendete er auch den Begriff Selbstrealisierung, um die höchste Stufe in der Entwicklung als Mensch zu umschreiben. Die Selbstrealisierung basiert auf dem Bedürfnis, zu erfahren, wer man in seiner wahren Natur ist. Mystische Erfahrungen sind nicht nur den Menschen vorbehalten, die man als Mystiker bezeichnet. Jeder Mensch kann sie machen. Und die meisten haben sie auch bereits häufig gemacht, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein. Bei einer mystischen Erfahrung wird das Ego-Bewusstsein mit seiner Illusion von Getrenntsein transzendiert. Man erfährt sich als Teil eines größeren Ganzen. Es ist im Kern die Erfahrung einer tiefen Verbundenheit mit allem, was ist. Es ist die Erfahrung dessen, was Liebe in der Tiefe wirklich bedeutet.

SELBST-Erfahrung

„Das klingt ja alles sehr schön, aber ist das nicht auch nur eine Illusion?“ könnte die Frage von Skeptikern und Zweiflern lauten. In einem meiner Seminare mache ich eine Übung, die das Ziel hat, sich eine solche Erfahrung wieder ins Bewusstsein zu bringen. Ich bitte die Teilnehmer, sich an ein Ereignis zu erinnern, das für sie unvergesslich geblieben ist, eines, an das sie sich sehr gerne erinnern. Bevor ich auf das Ergebnis eingehe, möchte ich dir Gelegenheit geben, diese Übung selbst einmal durchzuführen. Versuche dich an ein Ereignis in deinem Leben zu erinnern, an das du gerne zurückdenkst, das für dich unvergesslich geblieben ist. Nimm dir etwas Zeit, um dir ein solches Ereignis in deinem Leben wieder bewusst zu machen. Es kann bis in die Kindheit zurückgehen. Wenn es mehrere sind, die dir einfallen, entscheide dich für eines von ihnen. Versuche dir möglichst viele Einzelheiten des Ereignisses aus deinem Gedächtnis zurückzuholen. Nimm dabei deine Gefühle und Empfindungen wahr, die du damals hattest oder die sich vielleicht sogar wieder einstellen. Wenn du möchtest, mache dir danach ein paar Notizen über diese Erfahrung.

Bei dieser Übung erinnern sich nahezu alle Teilnehmer an eine solche Erfahrung. Es fließen dabei oft Tränen, weil man wieder neu davon berührt wird. Bei der Beschreibung eines solchen Ereignisses und den damit verbundenen Erfahrungen zuzuhören, ist für mich immer wieder etwas Wunderbares. Es lässt keine Zweifel zu, dass diese wirkliche „SELBST-Erfahrung“ für jeden Menschen möglich und keine Theorie ist.

Der unbesiegbare Sommer in uns

Nina Ruge, die bekannte ehemalige Fernsehmoderatorin, schrieb ein Buch mit dem Titel „Der unbesiegbare Sommer in uns“. Sie berichtet in diesem Buch von einem Erlebnis während eines Camping-Urlaubs. Eines Morgens wachte sie früh auf und entschloss sich, zu einem nahegelegenen See zu gehen. Um sich herum nahm sie eine große, friedvolle Stille wahr. Und dann, so schreibt sie, „geschah etwas mit mir, etwas Überwältigendes, völlig Neues, das sich trotzdem vertraut anfühlte. Ich tat gar nichts. Ich stand nur da, wie angewurzelt, ein Stück noch vom Ufer entfernt, und es war, als sähe ich das spiegelnde Wasser, die Ufergräser, die Zweige und den Himmel zum ersten Mal. Alles, was mich umgab, umfing mich mit einer Kraft und Klarheit, die mich erschaudern ließ. Die Wucht des Gefühls, das in mir hochstieg, die Dimension des Glücks, die Sprachlosigkeit zugleich, all das zu erfassen – ich fühlte mich wie aus der Zeit gefallen. Keine Ahnung, wie lange ich dort stand und staunte.

Es war, als hätte die Natur mir gnädig ein Portal geöffnet, durch das ich gehen und eins sein durfte mit ihr, mit meinem Leben – nichts war von Bedeutung, kein Gedanke an gestern, heute und morgen.“ Sie begründet dann wie folgt, weshalb sie so ausführlich von diesem „Gold in der Morgenstund“ erzählt: „Weil ich der Überzeugung bin, dass derartig wegweisende Schlüsselerlebnisse jeder schon gemacht hat, deren unendlichen Wert aber bislang übersehen hat.“

Das, was sie hier beschreibt, haben mir viele Menschen mit ähnlicher Klarheit berichtet. Ich bin daher auch überzeugt, dass fast jeder schon einmal eine solche (mystische) Erfahrung gemacht hat. Ich sammle nach der oben genannten Übung Qualitäten, derer man sich bei der Erfahrung bewusst wurde. Es sind in jedem Seminar nahezu immer die gleichen: Einheit, Verbundenheit, Liebe, Freude, Glück, Zeitlosigkeit, Vertrauen, Geborgenheit und Ähnliches.

Die unzerstörbare Quelle im Alltag finden

Nina Ruge beschreibt in ihrem Buch noch eine weitere ähnliche Erfahrung, die sie bei einem Ausflug in die Wüste gemacht hat. Das gesamte Buch basiert im Grunde auf solchen Erfahrungen. Sie macht deutlich, wie schwierig es ist, diese tiefen Erfahrungen in den Alltag zu integrieren, zeigt aber auch Wege auf, wie man dieses neue innere Wissen im Leben umsetzen kann. Im Titel des Buches, der sich auf einen „Sommer“ in uns bezieht, der unbesiegbar sei, weist sie bereits darauf hin. Der Sommer steht als Symbol für den „ureigenen Kraftort in uns“ wie sie ihn im Untertitel nennt.

Gemeint ist die Quelle in uns, in jedem Menschen, die unzerstörbar ist. Doch nicht nur in solch herausragenden Momenten der besonders tiefen Erfahrung kommen wir aus meiner Sicht in Kontakt mit dem transpersonalen und spirituellen Bewusstsein. Die oben genannten Qualitäten erleben wir auch im Alltag immer wieder, in Augenblicken tiefer Verbundenheit mit einem Menschen, einem Tier und der Natur. Es ist die Erfahrung von bedingungsloser Liebe, von Freude, die keine Ursache hat, sondern einfach nur da ist. Wir erfahren Mitgefühl oder freuen uns, wenn andere sich freuen. Wir sind einfach so, wie wir sind, ohne eine gedankliche Erwartung im Sinne einer positiven Rückmeldung durch andere auf unseren aktuellen Lebensausdruck zu hegen.

Denn eine Voraussetzung für diese Erfahrung von Verbundenheit ist, dass in diesen Momenten Egoismus und Egozentrik nicht mehr existieren. Die oben erwähnte bedingungslose Liebe ist im Ego-Bewusstsein nicht erfahrbar.

Psychosynthese, Spiritualität und Neues Bewusstsein

Der Paradigmenwechsel, den Teilhard de Chardin durch seine neue Sichtweise des Menschen eingeleitet hat, führt zu einer Spiritualität, die eigentlich nicht wirklich neu, aber anders ist als die der heutigen institutionellen Kirchen. Denn nach dem alten Paradigma ist Spiritualität in den westlichen Religionen mit dem Glauben an etwas verbunden, mit Geboten und Dogmen. Spiritualität basiert hier auf einem dualistischen Bewusstsein. Das bedeutet, dass auf der einen Seite der sündige Mensch steht und auf der anderen der barmherzige oder strafende Gott. Der Kern, das Wesen der neuen Spiritualität ist dagegen Verbundenheit, basierend auf einem nicht-dualen Bewusstsein, das keine Grenzen kennt. Religionen, die sich abgrenzen, scheinen diesen Geist der Einheit verloren zu haben.

Der US-amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr beschreibt dies sehr gut in seinem Buch „Falsches und wahres Selbst.“ Und doch ist die ursprüngliche Spiritualität in allen Religionen vorhanden, nämlich in der Mystik. Sie wird von den institutionellen Kirchen allerdings nicht nur vernachlässigt, sondern ihre Vertreter, die Mystiker, wurden und werden immer noch aus der Kirche verbannt. Zu diesen Verbannten gehört neben Teilhard de Chardin und vielen anderen christlichen Mystikern auch ein großer Mystiker unserer Zeit, Willigis Jäger. „Als Zenmeister und Kontemplationslehrer ist er sowohl von der christlich- abendländischen Mystik als auch dem östlichen Zen geformt und geht gleichzeitig über beide Konfessionen hinaus auf das, was allen spirituellen Wegen des Westens und des Ostes zugrunde liegt. Sein Verständnis der WestÖstlichen Weisheit basiert auf der Philosophia perennis, die ihren aktuellen Ausdruck im integrativen Denken und Handeln findet. Teil dieser Vision ist die Einbeziehung der modernen Naturwissenschaften, sowie das wirtschaftlichpolitisch- soziale Handeln, in dem sich die Übung im Alltag manifestiert“ (wikipedia).

Andere Mystiker außerhalb der Kirchen, wie die Vertreter der transpersonalen Psychologie, werden völlig ignoriert. Klar, denn die Spiritualität der transpersonalen Psychologie – und damit auch der Psychosynthese – steht im Einklang mit der Mystik in den Religionen. Sie kann daher so etwas wie eine Wiederauferstehung der Mystik im Bewusstsein der Menschen bewirken, in einem Bewusstsein, das als transpersonales Bewusstsein bezeichnet wird.

ICH (Personales Selbst) und SELBST (Transpersonales Selbst)

„Um herauszufinden, wer du bist, musst du erkennen, was du nicht bist: Körper, Gefühle, Gedanken, Zeit, Raum, dies oder das. Was du konkret oder abstrakt wahrnimmst, kannst du nicht sein. Schließlich bist du dir nur einer Tatsache bewusst, DU BIST. Das ICH BIN ist sicher, das Ich bin dies oder das, nicht.“ (Sri Nisargadatta Maharaj)

Auch Assagioli definiert das ICH in diesem Sinne: Ein Zentrum von Wahrnehmung. Statt der Einschränkung des Menschen durch Descartes auf sein Denken, „Ich denke, also bin ich“, kann es nun heißen: „Ich nehme wahr, also bin ich“. Alles, was du glaubst zu sein, bist du nicht, sagt Nisargadatta. Alles, mit dem du dich identifizierst, bist du nicht, sagt Assagioli. Es ist der Zustand von reinem Bewusstsein, das man mit seiner Wahrnehmung füllt. Dabei bezieht sich die Wahrnehmung nicht nur auf die äußere Welt, sondern auch auf das Geschehen in der inneren Welt, den Prozess der Gedanken, die ständig wechselnden Gefühlen und die Empfindungen des Körpers. Alles, was man wahrnimmt, und das, was sich ständig ändert, kann man nicht sein, so Nisargadatta. Das ist auch die Kernaussage von Assagioli.

Er fügt aber noch etwas hinzu. Im ICH ist auch das Bewusstsein einer Wahlmöglichkeit angesiedelt, das heißt, bewusst Entscheidungen treffen, ja oder nein sagen zu können, was zu einem bewussten Handeln führt. Man weiß, was man tut, und kann aus diesem Grunde auch Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Jesus sagt: „Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, eben, weil sie unbewusst handeln und daher nicht für ihr Handeln verantwortlich sind. In ICH-Zustand ist man dagegen präsent, achtsam, lebt im Hier und Jetzt, ist gegenwärtig. Eckhart Tolle beschreibt in seinem Bestseller „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ nichts anderes als diesen Zustand des ICHs. Die Qualität dieses Zustandes ist pures Dasein in der Gegenwart mit der damit verbundenen Bewusstheit und Achtsamkeit. In diesem ICH-Zustand ist man ein Beobachter, der wertfrei wahrnimmt und mit nichts identifiziert ist. Dieses ICH oder Personale Selbst existiert, so lange der Mensch lebt. Das, was der Mensch in seiner wahren Natur wirklich ist, ist zeitlos. Es hat vor der Geburt existiert und wird auch nach dem Verlassen des Körpers weiter existieren.

Es wird in der Psychosynthese transpersonales Selbst oder einfach SELBST genannt. In der christlichen Sprache ist es die Seele, die man nach Assagioli jedoch nicht hat, sondern ist. Andere spirituelle Lehrer, wie zum Beispiel Richard Rohr, nennen es auch „das „Wahre Selbst“. Wie bereits erläutert, kann dieses SELBST nicht beschrieben werden. Es muss erfahren werden, wie zuvor unter SELBST-Erfahrung (transpersonale oder mystische Erfahrung) ausführlich erläutert. Das ICH ohne eine Identifizierung und Bewertung ist so etwas wie eine Leere. Es ist in Kontakt mit dem SELBST und rezeptiv für das, was man häufig auch als „innere Stimme“ oder „innere Führung“ bezeichnet.

Man ist verbunden mit seinem transpersonalen Bewusstsein, aus dem Intuition, Inspiration, Kreativität und Klarheit empfangen werden. Die Qualität der transpersonalen Bewusstseinsebene ist innere Stille, die dann entsteht, wenn der gedankliche Fluss im Kopf zur Ruhe gekommen ist.

Neues Bewusstsein und Meditation

Es stellt sich die Frage, in welchem Zustand man denn ist, wenn man nicht in diesem ICH ist? Man ist dann in Gedanken, überwiegend sogar darin verloren, nicht wirklich anwesend im Leben. Man denkt über Dinge aus der Vergangenheit nach oder macht sich Vorstellungen über die Zukunft. Dies geschieht unbewusst und ungewollt. Man wird überwiegend von seinen im bisherigen Leben programmierten Konditionierungen, Glaubensmustern und Bildern, die man von sich hat, gesteuert. Man reagiert meistens auf äußere Impulse, anstatt bewusst zu agieren. Dies ist ein roboterartiges Leben, das man in einer Art von Halbschlaf lebt. Oft sind es Krisen oder besonders tiefe Erfahrungen, die ein Erwachen aus dieser Unbewusstheit verursachen.

Meistens kommt  dann die Einsicht, dass man nicht wirklich lebt, sondern überwiegend gelebt wird. In vielen Fällen sind Menschen, die zu dieser Erkenntnis gekommen sind, dann entschlossen, dieses überwiegend aus dem Unbewussten gelebte Leben zu ändern und sich auf den Weg zu einem wirklichen Leben zu machen. Dabei hilft die Grundlage der Psychosynthese, das neue Paradigma, ein spirituelles Wesen zu sein und Erfahrungen als Mensch zu machen. Es ist so etwas wie eine Landkarte, eine Orientierungshilfe für das Leben aus einem neuen Bewusstsein, wie Teilhard de Chardin es beschrieben hat.

„Neues Bewusstsein leben“ ist daher auch der Titel meiner Website, die den Weg dorthin auf der Grundlage der Psychosynthese beschreibt. Nicht ohne Grund habe ich mein Seminarhaus „ZENtrum für Psychosynthese und Meditation“ genannt. Wer regelmäßig Zazen, Zen-Meditation praktiziert, übt durch das bewusste Gewahrsein des Atmens, ohne mit etwas identifiziert zu sein, im ICH zu sein. Zen nennt es im Hier und Jetzt zu sein, was das Gleiche ist. Eckhart Tolle spricht in diesem Sinne von Gegenwärtigkeit und Präsenz, davon, anwesend im Leben zu sein. Wenn auf diesem Weg der Meditation allmählich die Gedanken immer mehr zur Ruhe kommen und eine innere Stille sowie erwähnte Gegenwärtigkeit eintritt, werden häufig auch Erfahrungen von tiefer Verbundenheit und Einheit gemacht (wie zuvor als transpersonale Erfahrungen beschrieben).

Selbst der noch im ICH-Zustand präsente Beobachter existiert dann nicht mehr. Aus ihm wird ein „Zeuge des Geschehens“, wie man diesen Zustand häufig bezeichnet. Es ist die Erfahrung von Transzendenz, die auch Abraham Maslow beschrieben und definiert hat. Häufig haben Meditierende Schwierigkeiten, diese Schwelle zu überschreiten, weil sie Angst vor diesem Sprung in die Leere haben. Da ist ja nichts mehr, mit dem man sich identifizieren könnte! Für seine Existenz braucht das Ego aber Identifikationen. Ist die Erfahrung in der Meditation sehr tiefgehend, stirbt das Ego-Bewusstsein und damit jede Identifikation mit etwas, was man zu sein glaubte. Mit diesem Erwachen stellen sich häufig Krisen ein, die unterschiedliche Folgen haben können. Wie „Die Zeit nach dem Erwachen“ sein kann, habe ich im gleichnamigen Artikel auf www.sein.de beschrieben.

Liebe und tue, was du willst!

Diese Aufforderung des Kirchenlehrers Augustinus drückt kurz und präzise aus, was notwendig ist, um ein Leben aus diesem spirituellen Bewusstsein zu leben. Dies macht Teilhard de Chardin mit diesem Zitat ebenso deutlich: „Nur die Liebe kann alle Menschen verbinden und zur Entfaltung führen. Denn die Liebe ermöglicht ihnen das Miteinander dessen, was sie im tiefsten Innern sind. Wir brauchen uns lediglich vorzustellen, dass wir unsere Liebesfähigkeit soweit entwickeln, dass sie alle Menschen und die gesamte Erde einschließt.“

Autor: Hans Piron

Literatur:
Jäger, Willigis: Geh den inneren Weg, Herder Spektrum (1999)
Rohr, Richard: Das Falsche und das Wahre Selbst, Herder (2013)
Ruge, Nina: Der unbesiegbare Sommer in uns, Goldmann (2016)
Tolle, Eckhart: Stille spricht, Goldmann (2003)

Über den Autor

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ist Psychotherapeut (HPG) auf der Grundlage der Psychosynthese. 1996 hat er das ZENtrum für Psychosynthese und Meditation im Westerwald gegründet, wo er seitdem zahlreiche Workshops sowie auch eine Ausbildung zum „Psycho-Spirituellen-Begleiter“ anbietet. Er war über 30 Jahre in einem internationalen Wirtschaftsunternehmen im Management und als Managementtrainer tätig. Die Praxis von Meditation seit 1985 und die damit verbundenen Erfahrungen haben ihn zur transpersonalen Psychologie und zum psycho-spirituellen Modell der Psychosynthese geführt.

Kontakt
www.neues-bewusstsein-leben.de

Tel.: 02634 - 4296
Mehr Infos

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Der Weg zu einem l(i)ebenswerten Leben

Es ist ein weit verbreitetes Glaubensmuster, dass es egoistisch sei, sich selbst zu lieben. Doch wer sich selbst nicht liebt, lebt in einem Zustand der Bedürftigkeit, der Abhängigkeit von der Liebe anderer.

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