In der Kindheit wurden Lebensmuster entwickelt, die unser Verhalten noch heute beeinflussen. Dies ist uns oft nicht bewusst. Wir machten Erfahrungen mit Eltern, Lehrern, Geschwistern und anderen Verwandten. Das konnte positiv sein, wenn wir uns als Kind wohl fühlten und entfalten konnten – aber auch belastend, wenn wir negative Erlebnisse gemacht haben. Das innere Kind ist die lebendige Seite in uns. Dazu gehören Spontaneität, Begeisterungsfähigkeit, Neugier, Offenheit und auch die Fähigkeit, ganz im Hier und Jetzt sein zu können. Aber das innere Kind hat auch eine andere Seite: die Verletzlichkeit, das Suchen nach Bestätigung und Anerkennung, nach Liebe, nach Bindung und freier Entfaltung. Wenn der reflektierende Erwachsene und das innere Kind in Kontakt und Einklang sind, dann entsteht ein Gefühl der Ganzheit.

Viele von uns mussten erleben, dass sie den Wünschen der Eltern nicht gerecht werden konnten. Sie lernten als Kind, dass sie »nur« lieb und angepasst zu ihren Eltern sein mussten – und hofften so, dass ihre Eltern ihnen dann Liebe und Respekt entgegen bringen. Es entstanden Verhaltensmuster, Überlebensstrategien, welche sie trotz verzweifelten Gefühlen „überleben“ ließen. Ich sage mittlerweile, dass diese Überlebensstrategien unsere „Kumpels“ sind und nicht „vernichtet“ und abgelehnt werden dürfen. Diese „Kumpels“ haben uns wirklich gerettet, doch heute sind sie oft blockierend und wollen uns nach wie vor schützen (kontrollieren), obwohl es gar nicht mehr nötig ist. Hier gibt es wunderbare Möglichkeiten, mit ihnen zu arbeiten, indem sie entlastet werden und nicht mehr im Vordergrund stehen müssen. Im inneren Dialog mit diesen „Kumpels“, werden unbewusste Ängste und Verhaltensweisen aufgedeckt. Dies tragen wir zum Teil auch noch in jedem Alter mit uns herum. Daher haben wir immer noch das Bedürfnis, anderen Menschen gerecht zu werden, um Anerkennung zu erfahren. Doch bekommen wir diese Anerkennung wirklich? Wie oft denken sie, »jetzt habe ich mich so abgestrampelt – und was ist nun der Dank dafür?“ Das innere Kind lebt in uns weiter, auch wenn wir erwachsen sind, und prägt unser Denken und Fühlen. Wer ein ungeliebtes inneres Kind in sich trägt, ist der Überzeugung, dass er sich selbst nicht glücklich machen kann, dass er Schmerz und Ablehnung nicht aushalten kann. Er macht andere für seine Gefühle verantwortlich und versucht, andere mit seinem Verhalten zu kontrollieren und zu manipulieren. Selbst will er sich jedoch jeder Kontrolle entziehen, obwohl er sich gleichzeitig nach nichts mehr sehnt, als so akzeptiert zu werden, wie er ist. Durch das Verdrängen der schmerzhaften Gefühle wird jedoch auch das Empfinden positiver Gefühle verhindert und ein Gefühl der Leere, Depression und des Alleinseins manifestiert sich. Ein tiefer Kontakt zu anderen Menschen ist ohne Verbindung zu sich selbst jedoch nicht möglich. Das abgelehnte innere Kind ist machtvoll. Es tritt in impulsivem Verhalten zutage. Schon geringe Kritik kann unangemessene Reaktionen auslösen. Auf der anderen Seite werden eigene Wünsche und Gefühle unterdrückt, in der Annahme geliebt zu werden, wenn man sich zurücknimmt und anpasst.
Das innere Kind zu heilen bedeutet, sich selbst mit den ureigenen Wünschen und Qualitäten auseinander zu setzen, um eine neue innere Stärke aufzubauen, die wir in alle Lebensbereiche hinaus tragen können. Diese Arbeit wirkt in allen Lebensbereichen, in denen wir in blockierenden Mustern festhängen. Ganz gleich, ob das eine gestörte Beziehung zu den Eltern ist, ob es Angst vor Prüfungen ist, ob es sich um Ehe- und Beziehungsprobleme handelt oder Störungen im Verhältnis zu Vorgesetzten oder Kollegen.

Mit der Gestalttherapie – das Wort Gestalt, kann auch ersetzt werden, mit dem Wort Situation – werden alte schmerzhafte Lebenssituationen neu geöffnet um diese wieder mit einem befriedigenden Gefühl zu schließen. Die ganz individuellen Lebensthemen bekommen nun ihren berechtigten Platz und können bei der „Arbeit“ einfließen. Wie bereits geschildert, werden Blockaden und Verhaltensmuster erkannt; und doch hatten sie einen positiven Sinn. Sie haben als Kind geschützt, doch jetzt blockieren sie sehr oft im Leben. Manchmal haben die Menschen keinen liebevollen Blick zu ihrem inneren Kind und trauen sich nicht zu zeigen, was sie gerade fühlen. Sie vergessen die Gemeinschaft und spüren auch Hilflosigkeit, Wut, Zorn und Angst. Und doch gibt es immer eine Lösungsmöglichkeit, diese wirkt befreiend und es gibt eine neue Zuversicht. Jetzt erfahren die Menschen im Feedback Unterstützung, Mitgefühl, Vertrauen und Ermunterung die unterdrückten Gefühle herauszulassen. Und sie erfahren, dass sie nicht allein mit ihrem inneren Kind sind.

Das funktioniert auch durch einen Perspektivwechsel. Im Seminar setzen sich dann bewusst Teilnehmer auf die Gegenüber-Position und nehmen z.B. den Platz – und die Sichtweise – des Vaters oder der Mutter an. So können sie auch die Sicht anderer Familienmitglieder oder Personen aufgreifen. Häufig führt dies erst einmal zu negativen Gefühlen und sie erkennen, dass sie diese negativen, ablehnenden Gefühle, da sie ja z.B. die Mutter „spielen“, dem Kind gegenüber (also ihrem inneren Kind) haben. Und letztendlich haben sie diese negativen Emotionen auch sich selbst gegenüber. So können sie nicht ihre Selbstliebe erfahren, die notwendig ist, um wirklich einen anderen Menschen zu lieben. Beziehungen enden sonst immer in Abhängigkeiten. In diesem Dialog kann es zu einem Versöhnungseffekt umschlagen, wenn vorher alles was wichtig ist, gefühlt und gesagt worden ist.

Wenn eine neue Sichtweise der Lebenssituationen zugelassen wird, gibt es auch neue Verhaltensweisen und so reguliert sich das persönliche Umfeld auch. Wir strahlen positive Energien aus, diese werden uns dann im Leben zurück gegeben.
Es ist wunderschön zu sehen, dass man mit seinen Nöten nicht allein ist. Durch die Gruppenarbeit wird man gegenseitig ermuntern. Ich erlebe immer wieder, dass die Menschen nach den Seminaren richtiggehend »schöner« werden. Sie erleben Zuspruch, werden angefeuert, erhalten Komplimente, wenn sie ihre Gefühle zeigen.

Ich arbeite auch mit körperlichen Beschwerden, die oft psychosomatisch sind. Zum Beispiel kam eine Frau völlig gekrümmt laufend in meine Praxis, da sie seit einem dreiviertel Jahr unter starken Schmerzen wegen eines Bandscheibenvorfalls litt. Sie sollte nun doch operiert werden, was sie allerdings ablehnte. Schon in der ersten Stunde konnte sie im Dialog mit ihrer kaputten Bandscheibe die Ursache und den Zweck der Krankheit tief berührend erfahren. Sie nahm die Bandscheibe (das Kissen) mit Tränen in den Arm und ließ ihre eigenen Heilungskräfte zu. In der nächsten Stunde sah ich verblüfft, wie sie gerade mir entgegen kam. Sie konnte die Operation absagen und bald wieder arbeiten gehen. Sie hat gemerkt, dass sie einfach auf ihre Bandscheibe »hören« musste, denn wenn das innere Kind keine Aufmerksamkeit bekommt, egal wofür, ruft es zum Körper: „Mach was, auf mich hört sie nicht!“

Was meine Person betrifft, habe ich selber sehr viele Erfahrungen bezüglich meines inneren Kindes in eigenen Therapien machen können. Ich habe eine hohe Sensibilität, wodurch ich das Wesen des inneren Kind meines Gegenübers gut erkennen kann.

Marita Rosowski

 

 

Foto: B. Stolze / pixelio.de

Über den Autor

Avatar of Marita Rosowski

Graduierte Gestalttherapeutin
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Kinder – und Jugendcoach (IPE) www.potenzial-training.de/rosowski

Mein therapeutischer Ansatz ist die Summe meiner Lebenserfahrungen, meiner bewältigten Krisen und meiner eigenen Therapieerfahrungen. Anfang 20 wusste ich, dass tief in mir eine Sehnsucht ist, die verstehen will und die mich zu meinem eigentlichen Ich führen soll. Damals wusste ich nicht, wie ich diesen Weg gehen kann. Letztendlich haben mich dann meine eigenen Krisen immer wieder weiter gebracht, mit Hilfe meiner Therapeuten, konnte ich alte Glaubensmuster und Blockaden lösen. Doch bis mir klar wurde, dass sich das Hilfe holen eine Form von persönlicher Stärke ist, dauerte es noch Jahre.
Heute versuche, ich mit Achtsamkeit auch mir gegenüber immer gerecht zu sein und das Leben als einen Fluss zu sehen, in dem ich schwimme und das Hier und Jetzt das eigentlich Leben für mich darstellt. Herausforderungen nehme ich an und sehe in diesen eine Möglichkeit zu wachsen. Das Außen ist für mich immer ein Spiegel und ich freue mich sehr, dass ich es wirklich geschafft habe, ohne Feindbilder leben zu können. Hier fühle ich mich innerlich sehr frei. Wahrhaftigkeit und Authentizität sind für mich wichtige Werte, welche ich immer anstrebe und zu guter Letzt die Dankbarkeit und Demut für das Leben, was ich nun leben kann. Da in meiner Ausbildung als Gestalttherapeutin beim TIB Berlin (Nessim Behar Kremer, 1989 – 1992) auch Wert gelegt wurde, einen spirituellen Ansatz in der Therapie mit einzubeziehen, konnte ich in dieser Zeit mich mit dem Buddhismus vertraut machen. In dieser Ausbildung ließen mehrere jährliche Retreats tiefe Einblicke in meine Entwicklung als spiritueller Mensch zu. Seit 2008 bin ich Mitglied im MantraChor Berlin, hier erfahre ich immer wieder:
Wir sind alle EINS.

Mehr Infos

Termine siehe Forumsanzeige: https://www.sein.de/regionalredaktion/brandenburg/anzeigen/forum/dein-inneres-kind-heilen–neue-perspektiven-bekommen-workshops-in-werder-und-potsdam-mit-marita-rosowski.html