Das Ego ist ein Produkt der Trennung vom Göttlichen, von dem Gefühl, getragen, geborgen, sicher und geliebt zu sein. Je mehr wir – vor allem in den prägenden Jahren der Kindheit – Schmerz, Angst und Verzweiflung erlebt haben und davon überfordert wurden, so dass wir sie wegdrücken mussten, desto stärker leben wir getrennt von Freude und Lebendigkeit. Weil das Ego aus Verlust entstanden ist, heißt Ego auch Mangel. Ein Ego braucht immer. Wenn es einmal gibt, möchte es darum auch etwas dafür zurück haben – zumindest Dankbarkeit.

Daran ist letztendlich nichts Negatives, wenn man versteht, dass unser Ego aus kleinen inneren Kindern besteht, die einfach nicht das bekommen haben, was sie für eine heile harmonische Entwicklung gebraucht hätten. Da wir das aber leider nur in den seltensten Fällen verstehen und diese kleinen Kinder dann in uns therapeutisch nachnähren und damit heilen, fühlen sie sich vergessen, verlangen lautstark nach Aufmerksamkeit und verhalten sich dann oft wütend, trotzig, gewalttätig und gemein. Sie sind so lange im Widerstand gegen uns als Erwachsene, die sie vergessen haben, bis sie endlich beachtet werden und liebevolle Aufmerksamkeit bekommen.

Jede Egostruktur ist daher auch eine selbsterzeugte Schutzfunktion für so ein inneres Kind und hat damit ihre positive Seite. Ein Ego fühlt sich beispielsweise ganz in der Tiefe immer falsch und unecht, weil es nicht wirklich lieben (= bedingungslos geben) kann, sondern letztlich immer haben will. Doch wir können uns nur dann richtig fühlen, wenn wir lieben. Alles andere ist Selbstbetrug. Lieben fängt daher damit an, diese inneren Strukturen (gleich innere Kinder) nicht mehr abzulehnen und zu bekämpfen – und wenn wir diese Strukturen verstehen, ist das oft gar nicht so schwer.

Arroganz ist in diesem Sinne einfach ein Versuch des Ausgleichs gegen das tiefe Gefühl von Minderwertigkeit, das wir in uns tragen, weil wir uns an der Wurzel falsch fühlen. Und Scham ist ein Wegweiser, der uns davon abhält, eine Situation aufzusuchen, die potenziell Ablehnung und Schmerz für uns bereithält – auch wenn das heute vielleicht gar nicht mehr zutrifft. Haben wir es geschafft, den Kontakt zu so einem inneren Kind herzustellen und mit ihm Frieden zu schließen, indem wir es nicht mehr weg drücken, ist das glücksbringender, als jede Aktion im Außen, unseren inneren Mangel aufzufüllen und unser Gefühl des Falschseins aufzuhübschen.

… Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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Eine Antwort

  1. Sacha
    Naja

    dem kann ich leider nicht zustimmen, zumindest hätte der Author nicht den Begriff Ego neutral verwenden sollen. Das Ego ist auch das was wir benötigen in jungen Jahren um uns zu entwickeln. Es ist eine Triebfeder für uns Menschen. Und daran ist ja erst einmal nichts schlechtes. Also schon wahre Worte in dem Artikel, aber der Kontext ist verzehrt meiner Meinung nach.

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