Interview mit der Organisatorin Monique Schiess in Kapstadt

AfrikaBurn, die südafrikanische Version von Burning Man USA, ist die Antwort aus der südlichen Hemisphäre auf den Wandel in der Welt. Bereits zum achten Mal findet AfrikaBurn dieses Jahr vom 28.4-4.5.2014 statt.

In Kapstadt erzählt Monique Schiess über den Mut, die Welt jährlich neu zu erfinden, den Bau einer temporären Stadt der Kunst in der Wüste, und den heutzutage revolutionär anmutenden Akt des bedingungslosen Schenkens.

Monique, du bist eine der Gründerinnen und Organisatorinnen von AfrikaBurn. Wie ist die Idee von AfrikaBurn entstanden?

Monique Schiess: AfrikaBurn ist inspiriert aus Burning Man USA Besuchen. Es basiert auch darauf. Ich stand damals an einem Wendepunkt in meinem Leben und schrieb eine Liste der Dinge, die ich verändern und ausprobieren wollte. An dritter Stelle stand ein „burn“  in Südafrika. 2006 erhielt ich plötzlich einen Anruf von Paul Jorgensen, der mit mir über die Idee einer burn community in Südafrika reden wollte. Es kamen immer mehr Leute dazu und so nahm alles seinen Lauf. 2007 war der erste AfrikaBurn geboren.

Einen solchen Non-Profit Mega Event zum achten Mal in Folge, mit mittlerweile 10.000 Teilnehmern, in der Wüste Südafrikas aufzuziehen, braucht das, neben der ganzen Logistik und Networking, nicht einen unglaublichen Mut?

Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen. Meine Eltern waren beide Schauspieler. Mein Vater war zudem Regisseur, Dramatiker und Jungscher Analytiker. Bereits während meinem Studium der Umweltwissenschaften und Sozialanthropologie organsierte ich Groß-Events in Kapstadt und arbeitete als Wildhüterin.

Ich bin der festen Überzeugung, wir alle sollten uns mehr zutrauen. Jeder kann alles tun. Man muss es nur zu versuchen.

 

Wer oder was gibt dir Kraft?

Kinder, ich mag ihre Neugier und Furchtlosigkeit. Und Nelson Mandela, für sein Engagement und seinen Idealismus. Er blieb so menschlich, obwohl er ein Gigant war.

 

AfrikaBurn ist kein gewöhnliches Festival, im herkömmlichen Sinne von Konsum. Was macht es wirklich anders?

AfrikaBurn wird von den Teilnehmern erschaffen. Jeder bringt etwas von sich mit, ob Kunst, Wasser, Essen, Musik, usw. und verschenkt es weiter an die burn community. Diese kollektive Kreativität und Energie macht das Festival erst möglich. Wir als Organisatoren wollen niemanden unterhalten. Wir bieten eine leere Leinwand – die Wüste – und laden alle dazu ein kreativ zu werden. Aus diesem Momentum heraus, entstehen neue Ebenen des Miteinanders. Der Grund von AfrikaBurn, war nie eine Party zu veranstalten. Tanzen ist ein Nebeneffekt. Es passiert etwas viel tiefergehendes. Wir laden ein die Welt gemeinsam immer wieder neu zu erfahren und erfinden. Das unterscheidet die weltweiten „burn events“, von anderen Festivals. 

 

Die Woche findet in der Tankwa Karoo Wüste statt, 400 km nördlich von Kapstadt, in Richtung Namibia. Man taucht richtig tief ein in die spektakulärsten Naturschauspiele Südafrikas. In den Großstädten und Agglomerationen dieser Welt, erlebt man die Natur bestenfalls noch in den Stadtparks. Sandpisten, sengende Hitze, Staub, Durst und wilde Tiere, gehören ebenfalls dazu. Ihr holt die Leute so richtig aus ihrer Komfortzone heraus?

Ja, die Tankwa Wüste ist ein erstaunlicher Ort, herausfordernd und unglaublich schön zugleich! Sie weckt fundamentale Urkräfte in uns. Themen wie: Überleben, Inspiration oder Ehrfurcht, werden zu Katalysatoren während dieser Zeit. Die Wüste lehrt dich, radikal selbständig zu sein. 

 

AfrikaBurn basiert auf 11 Grundsätzen, wie z. B. die von dir erwähnte „Radikale Selbstständigkeit“, „Keine Spuren hinterlassen“, oder „das Schenken“. Setzt ihr das auch in einen globalen Kontext?

Wenn ich einen Grundsatz wählen müsste als Grundlage, so ist es die „Radikale Selbstständigkeit“. Gesellschaftlich gesehen leben wir mittlerweile in einer „standardisierten“ Welt. Güter, Erfahrungen, usw. werden schön verpackt konsumiert, das ist sehr unverbindlich. Es ist sehr einfach geworden passiv zu konsumieren – sich nicht mehr zu engagieren. Unsere Prinzipien rütteln daran und sind ein Aufruf zum Handeln. Ich denke, wäre der burn designt und konzipiert worden, und nicht von einer Gruppen Menschen entstanden, die in der Black Rock Wüste in Nevada experimentierten, wäre daraus eine Aktivismus-Bewegung geworden. Im Sinne davon, dass sich jeder seine Realität selbst erschafft.

Und wir sollten unsere Realität gestalten/ ändern! Als Burning Man USA begann sich in der Welt zu verbreiten, wurde Larry Harvey, der Burning Man Gründer, gebeten zu beschreiben was sie da taten. Er zögerte zunächst damit Grundsätze aufzustellen, weil die Gefahr besteht dogmatisch zu werden. Aber letztendlich ist daraus ein nützlicher Guide entstanden. Wir nahmen dann noch ein 11. Prinzip „each one teach one“ auf, als Reaktion darauf wie schnell AfrikaBurn angenommen wurde, und mit welchem Enthusiasmus sich die Idee weiter verbreitet.

 

Geld dient während der ganzen Woche keinem Zweck. Es gibt nichts zu kaufen oder zu verkaufen. Keine Werbung und Sponsoren. Es wird geschenkt, ohne dafür etwas im Gegenzug zu erwarten. Der Wert des Schenkens, wird als bedingungslos angesehen. Dies grenzt an einen revolutionär anmutenden Akt, angesichts der globalen Situation. Wie funktioniert das?

Geld spielt nur im Vorfeld für die Organisation eine Rolle. Während des Events jedoch findet keine Geld- oder Tauschwirtschaft statt. Ein weiterer wichtiger Grundsatz von größter Bedeutung ist „decommodifying“, das Zusammensein in einer kommerzfreien Umgebung zu erleben. Lässt du unpersönliche Geldtransaktionen hinter dir, ist alles was bleibt Beziehung. Die Beziehung zu dir selbst, den Mitmenschen und der Umwelt. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei auch die Beziehung zu der ureigenen Kreativität. Plötzlich haben wir die Möglichkeit, ganz – unmittelbar miteinander – zu sein.

Die ältesten Bewohner Südafrikas sind laut den offiziellen Geschichtsbüchern, die San Buschleute. Ihr habt das Symbol „San Clan“, als AfrikaBurn Logo gewählt. Warum?

Wir haben uns für das „San Clan“ Bildnis – einen Torso mit mehreren Köpfen und Beinen, alle in die gleiche Richtung gehend, entschieden, weil es ein archetypisches und zugleich südafrikanisches Symbol ist. Es taucht auf vielen San Felsmalereien in ganz Südafrika immer wieder auf und repräsentiert das Kollektiv. Es steht im Einklang mit der Idee von Ubuntu: „Ich bin, weil wir sind“.

Ein weiterer zentraler Punkt der burn events ist die Verbrennung. Jedes Jahr wird eine riesige „San Clan Skulptur“ gebaut und am Ende mit allen anderen Kunstwerken verbrannt. Wieso?

Jedes Jahr vergeben wir die Konstruktion der San Clan Skulptur an eine andere Künstlergemeinschaft, um die Symbolik immer wieder neu zu interpretieren. Das Ritual der Verbrennung, empfindet jeder anders. Für mich steht es für das Loslassen des Materiellen. Erschaffen, loslassen. Ein so großes Feuer nach einer gemeinsamen Woche in der Wüste zu erleben, ist ein feierlicher Moment. Es hat auch etwas zutiefst befreiendes. Das ist sehr beeindruckend.

 

Wie siehst du AfrikaBurn in 10 Jahren? Hast du eine Vision?

Ich habe keine konkrete Vision wie AfrikaBurn sich weiter entwickelt, und zwar weil es dafür geschaffen wurde ein Experiment zu sein. Auf jeden Fall soll AfrikaBurn in Bewegung bleiben, sich nicht festlegen – diese leere Leinwand des experimentellen Lernens bleiben. Neugierig macht mich zu sehen, was AfrikaBurn in 10 Jahren bewirken wird in der Welt? Mit welchen Auswirkungen die Menschen ihre Erfahrungen aus diesen Momentum von Kreativität und des sich Engagierens in der Wüste, in den Alltag integrieren, erfinderisch neue Strategien entwickeln und ihr Leben verändern. Um letztendlich, die Welt zu einen besseren Ort zu machen!

Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

 

 

Weitere Infos unter www.afrikaburn.com

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





2 Responses

  1. HJ
    Ich finde es sehr bemerkenswert

    Hasimaus du klingst aber verbittert. Das ist sehr schade.

    Vielleicht kannst du dem Festival aus Fotografen-Sicht etwas abgewinnen? Schau dir mal die tollen Fotos an: http://www.madiba.de/blog/afrikaburn-festival/#die-ideologie-hinter-dem-festival
    Kannte das Festival bis heute gar nicht aber habe die Fotos gesehen und bin enorm geflasht.

    Monique Schiess kannte ich bis zu diesem Interview daher auch nicht. Wahnsinn! Der Respekt gehört ihr. Werdet ihr noch einmal über das Festival berichten?

    Antworten
  2. hasimaus

    ähhhhh

    hat sich da jemand die bildergalerie angeschaut???

    da sind ja nur weisse drauf die genug kohle haben, bunte sachen für kurze zeit in die steppe zu stellen, ein typ steht da mit nem t-shirt zyget-festival aus ungarn. um genauer zu sein, sind die bilder überwiegend von weissen machos bewohnt.

    südafrika besteht bestimmt nicht nur aus townships und dem holden capetown-rapetown-image,

    ABER: …………………..!!!!!!!!!!!

    is bestimmt ganz nett, lauter drogen in der wüste zu schmeissen und designer aus johannesburg zu treffen, aber bringt’s das?

    bunt = vielfalt = besseres leben?

    egal ob rainbowcommunity oder eben dieser partyjetset, wo ist die verantwortung?
    immer wieder einige tage oder wochen im nirgendwo stippen, ganz „wow“ zu sein wenn einige „locals“ dann doch mal was erzählen wie es ihnen geht und dann den kontakt mit leuten pflegen die ähnlich entwurzelt und „reflektiert“ sind.

    Antworten

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*