Diejenigen, die mich schon länger begleiten, kennen ja mein „Satsang- Mobil“. Einen weißen VW-Bus, mit dem ich auf Anfrage immer wieder unterwegs zu Menschen bin, die nicht anderweitig mit mir in Kontakt kommen können oder wollen. Er bietet alles, was ein geschützter Raum für ein therapeutisches Gespräch oder einen Einzelsatsang braucht: bequeme Sitzmöglichkeiten, Tisch für Getränk und Taschentücher, Standheizung, Fenster mit Gardinen – ein Mini-Ashram auf Rädern mit der notwendigen energetischen Ruhe inmitten des hektischen Großstadttreibens.

Er begleitet mich nun schon 20 Jahre und vor kurzem war eine Generalüberholung von Technik und Karosserie fällig. Beim Informationen sammeln, was man alles beachten sollte, las ich unter anderem davon, dass Busse dieser älteren Baujahre gern mal durch Elektrikprobleme anfangen können zu brennen. Die Werkstattarbeiten begannen und zogen sich ziemlich lange hin – u.a. deswegen, weil der gute Freund und Werkstattbesitzer durch Brandstiftung sein Haus und sein gesamtes Hab und Gut verlor und sich folglich erstmal nicht um meinen Bully kümmern konnte. Es vergingen einige arbeitsintensive Monate, aber irgendwann stand er wieder schick und neu auf unserem Hof.

Vor kurzem war ich mal wieder unterwegs und als ich zurückkam, ließ ich den Bus direkt in unserer Hofeinfahrt, einer Scheunendurchfahrt, stehen, da für die Nacht starker Regen angesagt war. Normalerweise parken wir direkt auf dem Hof mit Abstand zu den Gebäuden, aber der noch frische Lack konnte etwas Schutz vor der Witterung gut gebrauchen. Am Abend sah ich mir auf Empfehlung einer Klientin den Film „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ an und war, abgesehen davon, dass die Lüge der illusorischen Trennung zwischen Gott und Mensch aufrechterhalten wird, von der Titelmusik und dem Refrain „Keep your eyes on me“ irgendwie berührt. Die Aussage des Liedes: Halte immer deine Augen auf Gott gerichtet, habe die zweifelsfreie Gewissheit, dass ausnahmslos alles, was geschieht, seine Richtigkeit hat und nicht anders sein kann!

Kurz vor dem Einschlafen kam plötzlich der Gedanke an die „brennenden VW-Busse“ noch mal hoch, gefolgt von einer kurzen ängstlichen Grübelei, ob ich den Bus besser doch noch an einen sichereren Platz umparken sollte. Mit einem mulmigen Gefühl, aber einer Gewissheit von „alles richtig“ schlief ich ein. Kurz nach zwei Uhr morgens wurde ich abrupt wach… Blaulicht auf der Straße und der Geruch von verbranntem Plastik in der Luft… Ich sprang auf, schnappte mir irgendwelche Kleidung und eilte durch den Flur zur Hoftür, wo sich durch die Fenster flackerndes rotgelbes und blaues Licht mit weißem Rauch in chaotischer Harmonie zu vermischen schienen. Ein Gefühlsmix, in dem alles vertreten war, breitete sich gedanklich aus… Angst, Traurigkeit, Wut, Selbstvorwürfe, Zweifel, Hoffnung, Ungläubigkeit, etc.

Kein Wort kann diese inneren Abläufe beschreiben, die in solchen Sekundenbruchteilen stattfinden. Für den Verstand völlig paradox, war aber gleichzeitig und untrennbar das gesamte Erleben in diese unbeteiligte Ur-Ruhe eingebettet, die die Basis allen Seins ist. Als ich auf den Hof hinaustrat, war es so, als hätte jemand die Zeit angehalten bzw. als geschähe alles in Zeitlupe. Mein Blick fiel zuerst auf das mächtige Feuer, welches aus dem Dachstuhl eines Hauses in der direkten Nachbarschaft in den dunklen Nachthimmel hochloderte. Alles war verqualmt und die Straße voll von blauleuchtenden Feuerwehr- und Polizeifahrzeugen und hektischem Treiben. Irgendwie gleichzeitig ging das durch einen Bewegungsmelder gesteuerte Licht in unserer Hofdurchfahrt an. Der Blick schwenkte zum Bully. Da stand er… angestrahlt, weiß, unversehrt und in mir hörte ich den gesungenen „Keep your eyes on me“- Refrain. Ich fühlte mich ertappt wie ein kleiner Junge, der etwas falsch gemacht hat „Wie konntest du nur zweifeln!?!“

Ein Gefühls- und Gedanken-Potpourri aus Kindheits-Erinnerungen, Erkenntnissen, Erleichterung, Betroffenheit und jeder Menge Traurigkeit bahnte sich den Weg in die Wahrnehmung, die mich erst in den Morgenstunden ein wenig schlafen ließ. Es ist nicht wichtig, zu wissen und zu verstehen, warum irgendwelche Gefühle aufsteigen. Wichtig ist nur, alles einfach da sein zu lassen, ohne etwas dagegen oder dafür zu tun – egal, was es auch immer ist. Alles passiert von selbst und immer genau richtig. Das Feuer war inzwischen gelöscht und niemand verletzt worden. Solche und ähnliche Situationen, die jegliche unbewusst vorhandenen Emotionen hochspülen, passieren immer wieder. Das hört auch nach einem vermeintlichen Erwachen nicht auf. Der einzige Unterschied liegt darin, dass das ganze Spektakel paradoxerweise von niemandem erfahren wird und dadurch völlig an Substanz und Brisanz verliert. Es ist einfach immer das, was ist und das schließt jede Reaktion und jedes Gefühl mit ein.

„Die Reise des verwundeten Heilers“ – so hat der spirituelle Maler Alex Grey die Lebensreise des Menschen mal genannt. Auf dem Weg zurück in die Einheit mit der Quelle, die er paradoxerweise nur gedanklich verlassen hat, muss der Mensch alle Gefühle so lange immer und immer und immer wieder erleben und ausleiden, bis alles, vor allem aber er selbst, seine illusorische getrennte Existenz verliert. Genau dadurch kommt die „unio mystica“, die Vereinigung von Gott und Mensch, wonach jeder strebt, zustande – egal ob bewusst oder unbewusst. Von daher sei gewiss, dass jede Situation „richtig“ ist. Genau richtig für deine Heilung. Und Heilung bedeutet Einswerdung. Keep your eyes on you! Es gibt nur dich – nondual.

Über den Autor

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bekam nach jahrelanger erfolgloser spiritueller Suche das größte Geschenk – das komplette Erwachen aus der Ich-Illusion. Er starb und überlebte ohne einen Überlebenden. Seitdem gibt er regelmäßig Satsang, spricht in Einzelsettings und veranstaltet mehrmals jährlich Retreat-Wochen. Auf seinem Youtube-Channel gibt es immer wieder neue kostenlose Wachmacher-Videos und bei Facebook und Instagram ist er mit nahezu täglich neuen Posts vertreten. Was kann Mario dir geben? Nichts… wozu auch – du hast bereits von allem viel zu viel. Zu viel „falsches“ Wissen über dich und die Welt und in dir zu viele ungefühlte Emotionen. Diese Kombination lässt dich unentwegt leiden. Von daher kann er dir nur alles nehmen – bis absolut nichts mehr übrig bleibt. Durch seinen Lebenslauf ist er ein Weltenwanderer, der sowohl in der Psychotherapie, im Schamanismus, in den energetischen Heilmethoden als auch im Advaita- Vedanta zu Hause ist und so das Existenzdenken von jeglichem Ich ad absurdum führen kann.

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