Homöopathische Antworten am Puls der Zeit

von Werner Baumeister

 

Die Lepra-Nosode zählt in der Homöopathie nicht unbedingt zu den häufig verordneten Mitteln.
Auch mein Bedürfnis, diese Arznei kennenzulernen, hielt sich zunächst sehr in Grenzen – um dann zunehmender Begeisterung Platz zu machen. Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass sie ein Universalmittel für uns Menschen ist, da, wo wir uns auf der tiefsten Ebene vom Leben getrennt und verstoßen fühlen. Der Beginn meiner eigenen Arzneiprüfung von Leprominium war skurril. Die erste Einnahme war kurz vor einer Blutegelbehandlung, einer Heilmethode, die ich seit Jahren wahrnehme. Allerdings ist es noch nie passiert, dass von zehn Blutegeln konsequent kein einziger anbeißen wollte – trotz des Anlockens mit Blut durch vorher gesetzte Hautschnitte. Im Gegenteil, kommentiert die fassungslose Therapeutin, „die versuchen sogar verzweifelt aus dem Schröpfglas zu flüchten, sich unter dem Rand durchzudrücken, sie springen tatsächlich von der Behandlungsliege“ – bloß weg von dem. Ich fühle mich regelrecht zurückgewiesen von den kleinen Saugern. Kein Lebewesen will anscheinend etwas mit einem Leprastigmatisierten zu tun haben.

Ein Leben als Fußmatte

Unter dem Einfluss von Leprominium frage ich mich in den nächsten Tagen manchmal, ob ich hier als Fußmatte inkarniert bin. Denn so fühlte ich mich erstmal. Die Arzneiprüfung der Lepra-Nosode öffnet die Tür zu einem Raum in mir, wo anscheinend jeder meint, mich herablassend und wie ein Stück Dreck behandeln zu können – und das korrespondiert eben auch exakt mit diesem inneren Gefühl, aussätzig, nicht in Ordnung zu sein. Die homöopathische Lepra-Nosode triggert zudem das Gefühl, sich dafür, wie man ist, oder für ein bestimmtes Verhalten schämen zu müssen! Wann und wie auch immer es entstanden ist, dies ist exakt das Lebensgrundgefühl, das auf die Lepra-Nosode als passende homöopathische Arznei hinweist. Sie ist vor allem angezeigt bei einer biographischen Vorerfahrung von Ablehnung oder verstoßen werden. Dadurch hat sich ein Lebensgrundgefühl entwickelt, verachtet und verlassen zu sein, so als wäre man ein Ausgestoßener. Man glaubt als Folge dieses Traumas irgendwie unnormal zu sein oder etwas (wie eine Krankheit) zu haben, aufgrund dessen man sich wie ein Leprakranker abschotten, vor anderen verstecken möchte. Hierzu gehört auch die feste Überzeugung, eigene Bedürfnisse nicht aus eigener Kraft erfüllen zu können, sondern davon abhängig zu sein, dass andere diese befriedigen. So wird man zum Bettler!

Abgespaltene Gefühle wiederbeleben

Bei Wikipedia finde ich, dass die Lepra ursprünglich eigentlich eine neurologische Erkrankung ist, bei der die Nerven absterben. Durch den Sensibilitätsverlust verlieren Betroffene das Gefühl für Schmerz, verletzen sich so unbemerkt, und die nicht beachtete Wunde infiziert sich lebensgefährlich. Keine Schmerzen zu spüren, ist also der Ausgangspunkt dafür, dass Wunden unbehandelt bleiben und Körperteile absterben! Analog kann die homöopathische Lepra-Nosode abgespaltene Gefühle wiederbeleben.

Nosoden sind feinstofflich-homöopathische Informationen aus Krankheitsprodukten und kommen in der Homöopathie seit über 200 Jahren dann zum Einsatz, wenn eigentlich gut gewählte Arzneien nur kurzzeitigen Erfolg bringen oder gar nicht wirken. Sie sind also Mittel, die eine Generations-übergreifende biographische Blockade auflösen können, die die Wirkung jeglicher therapeutischer Ansätze bisher unterbunden oder abgeschwächt hat. Danach wirkt nicht nur Homöopathie besser, sondern alles andere auch (Familienaufstellung etc.)!

Lepra als Krankheit ist heute zwar nur noch selten anzutreffen, doch das Gefühl des Ausgestoßen-Seins, das sich über Jahrtausende tief in die menschliche Seele eingebrannt hat, begegnet uns immer noch in den verschiedensten Facetten. Beispielsweise im modernen Schönheitswahn mit seinem verzerrten Körperbild, in dem Gefühl, dass irgend etwas am eigenen Körper korrekturbedürftig ist, und in unserer Angst vor dem Altern und der daraus resultierenden möglichen Isolation, Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit. Das Grundgefühl der Lepra-Nosode ist es, falsch zu sein, nicht in diese Gesellschaft zu passen, verachtet zu werden, verlassen zu sein und andere wie auch immer zu beflecken.

Von Gott getrennt

Leprominium, die Lepra-Nosode, thematisiert die tiefste Ebene des Gefühls, von Gott getrennt, aus dem Paradies verstoßen und aus dem Mutterbauch (= Einheit) vertrieben zu sein! Moderne epidemiologische Studien und auch historische Forschung zum homöopathischen Miasmenmodell Hahnemanns (Miasma, griech: Verunreinigung, Verschmutzung; ganz allgemein: ein krankmachender Einfluss) sehen in der Lepra eine Art primitiven Prototyp für Krankheit überhaupt, aus dem sich offenbar viele andere Krankheiten entwickelt haben.

Wenn Lepra der primitive Prototyp für spätere menschliche Krankheiten überhaupt ist, dann ist sein homöopathisches Thema auf der psychischen Ebene das Gefühl des Ausgestoßenseins vom Leben, des von Gott Getrenntseins, analog dazu die Urkränkung des Menschen überhaupt. Hierzu ein interessantes Klienten- Feedback:

„Nach der Einnahme von Lepra C 50000 kam ich in eine Situation, in der ein anderer mir sagen wollte, was ich machen sollte. Und zwar sollte ich einem Teil von mir Liebe zukommen lassen. Da es in einem Seminar war, versuchte ich mich darauf einzulassen. Aber keine Chance. Meine Reaktion anstatt der Liebe: Selbsthass. Ich hasse mich, weil ich nicht so bin, wie ich gerne wäre (und sein sollte, denn das innere Bild, das ich gerne wäre, ist auch nur wieder das Bild eines anderen, wie er mich gerne hätte, damit er mich lieben kann). Und ich hasse jeden, der mich nicht so will und liebt, wie ich bin, und der mir irgendwelche Anweisungen gibt, was ich zu tun habe, damit er mit mir zufrieden ist. Ich merke, dass das Mittel einen grundlegenden Autoritätskonflikt an die Oberfläche bringt, der seinen Beginn ganz an meinem Lebensanfang hat: Ich bin von Gott aus dem Paradies, aus der Liebe verstoßen worden, und dafür hasse ich ihn. Er hat mich in ein Leben verstoßen, das ich als feindlich empfinde. Ich habe versucht – und versuche es immer noch –, in das Paradies zurückzukommen, aber ich bin dort nicht gewollt. Denn sonst hätte ich es ja geschafft und wäre wieder aufgenommen worden. So gebe ich mich mit den kleinen Aufmerksamkeiten meiner Mitmenschen zufrieden, die ich mir auch erarbeiten und erkämpfen muss. Es ist kein echtes Leben, nur ein Überleben. In diesem ganzen Krampf habe ich zudem komplett vergessen, wer ich wirklich bin. Ich bin so, wie ich glaube, dass die anderen mich haben wollen, damit ich irgendwie durchkomme. Ich habe diesen Verlust des Geliebtwerdens schon auf vielen Ebenen (nicht liebende Eltern, spirituelle Lehrer, Partner usw.) durchgearbeitet, aber durch die Lepra-Nosode kommt mir das Thema noch einmal auf einer ganz grundsätzlichen Ebene entgegen: ich und das Leben, ich und Gott.“

Super-Reaktionsmittel

Jeder von uns trägt dieses Gefühl des Getrenntseins mit sich herum.
Inkarnation für Inkarnation spielen wir dieses Thema nach, um es Stück für Stück abzuarbeiten. Immer geht es um das Gefühl des Ausgestoßen-Seins! In der Beziehung verlassen, bei der Arbeit gemobbt, jeder fühlt sich auf seine Weise verstoßen. Die Lepra-Nosode, hömoopathisch exakt eingesetzt, also als ein Super-Reaktionsmittel, kann auf jeder homöopathischen Potenzstufe wirken und uns biographisch punktgenau da abholen, wo wir aktuell das Verstoßen-Sein inszenieren.

Dazu ein weiteres Klienten-Feedback aus meiner Praxis:
„Einen Tag nach der Einnahme der Lepra-Nosode ging ich auf eine Supermarktkasse zu, als das grüne Zeichen darüber rot wurde und eine Computerstimme verkündete, dass diese Kasse jetzt schließt. In meinem Kopf ploppten Gedanken an die Oberfläche wie „Das muss gerade jetzt passieren“, „War ja wieder mal klar“ usw. Ich wollte mich schon ab- und einer anderen langen Kassenschlange zuwenden, als die Kassiererin mir zurief, dass ich doch noch zu ihr kommen könne. An der Kasse bedankte ich mich und erzählte der Kassiererin, dass ich gerade angefangen hatte, mich zu ärgern. Sie sagte, dass sie das gesehen und mir darum zugerufen hätte, dass ich noch kommen könne. Das hört sich jetzt nicht besonders spektakulär an, aber so etwas passiert mir sonst nicht – zumal die Kassiererin am Ende ihrer Schicht bestimmt schnell nach Hause wollte. Mein ganzes Leben lang fühle ich mich außen vor, habe Schwierigkeiten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, fühle mich oft wie unsichtbar und werde nicht wahrgenommen – und auf einmal werde ich gesehen. Das hat mich sehr beeindruckt.“

Alle homöopathischen Mittel verbinden uns wieder mit einem bestimmten verdrängten Aspekt unseres Lebens. Die Lepra-Nosode hat hier – so meine bisherige Erfahrung – eine besondere Fähigkeit, in unseren tiefsten Tiefen Bewegung in Erstarrtes zu bringen.

Homöopathischer Themenbereich

Einige Mittel, die das Thema des Verstoßen-Seins variieren:

Lachesis, die Schlange: Verstoßen aus dem Paradies und verdammt, im Staub zu kriechen. Das Gift der Buschmeisterschlange ist typisch für das Gefühl, für andere ansteckend zu sein und deswegen ausgestoßen zu werden, und gehört damit ins Lepra-Miasma.

Oxygenium (Sauerstoff) hat das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Das vernachlässigte Kind, das als Erwachsener fordert wie ein Bettler und nur sich und seine Bedürfnisse sieht.

Sulfur (Schwefel) empfindet die Trennung vom Partner wie ein Verstoßenwerden.

Das Lanthanid (seltene Erde) Ytterbium macht aus dem „Nach draußen vor die Tür“-Verstoßen-Sein ein Markenzeichen: der einsame Wolf.

Androctonus australis (der Skorpion) verstößt sich selber.

Homöopathische Plazenta fühlt sich verstoßen aus dem Mutterbauch und erlebt die Geburt wie eine zerrissene Umarmung.

 

Schlagworte (mit Links zu weiteren Artikeln von Werner Baumeister):
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Werner Baumeister

ist Arzt und bietet individuelle homöopathische Begleitung an.

30 Jahre Erfahrung in eigener Praxis in Berlin.

Einzeltermine nach Vereinbarung, Behandlungstermine zum Thema des Artikels jederzeit möglich.

Information zu aktuellen Workshops immer auf der Seite „Homöopathie am Puls der Zeit

(mit Themenregister aller Artikel) sowie unter Tel.: 0172 – 391 25 85 .

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Die homöopathischen Arzneibilder von Werner Baumeister verstehen sich auch

als homöopathischer Spiegel aktuellen Zeitgeschehens.

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