Ayurveda-Therapie: Wie funktioniert eine richtige ayurvedische Behandlung eigentlich? Und kann sie komplementär mit der westlichen Schulmedizin zusammenarbeiten?

von Kerstin Rosenberg

Ayurveda, die traditionelle Medizin Indiens, ist ein ganzheitliches Heilsystem mit vielen Facetten: Rationale, psychologische und spirituelle Therapien werden eingesetzt, um die Gesundheit zu erhalten und Krankheiten zu beseitigen. Dazu reicht das ayurvedische Behandlungsrepertoire von Ölmassagen und manuellen Therapien über Ausleitungsverfahren bis zu einer umfassenden Ernährungs- und Kräutertherapie mit ausgeklügelten alchemistischen Rezepturen. Auch Yoga, Meditation, Pranayama, Ordnungstherapie und psychologisches Coaching ergänzen das Therapiekonzept. Im Ayurveda wird stets der ganze Mensch behandelt und nicht die Krankheit.

Deshalb beginnt alles mit der Konstitutionsbestimmung, um herauszufinden, auf welche Ursachen die körperlichen und psychischen Probleme zurückzuführen sind und welches typgerechte Ziel mit einem individuellen Therapieplan angesteuert werden soll. Vor den Anwendungen wird eine umfassende Diagnose eingesetzt, um die körperliche und mentale Verfassung des Patienten zu bestimmen. Hierbei werden unter anderem der Konstitutionstyp (Vata, Pitta, Kapha) sowie der Status der sieben Körpergewebe (Dhatus), der feinen Körperkanäle (Srotas) und der sich im Körper ansammelnden Gifte (Ama) erfasst. All dies zeigt, dass sich hinter dem Begriff Ayurveda ein sehr komplexes Heilsystem verbirgt, das nicht umsonst in Indien und Sri Lanka während eines fünfjährigen Medizinstudiums mit ergänzendem Facharztstudium von drei weiteren Jahren erlernt wird.

Individuelle Therapieansätze

Der Therapieansatz, bei dem jeder Mensch als einzigartiges Individuum gesehen wird und eben nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen der Erkrankung behandelt werden, macht Ayurveda zu einer außerordentlich beliebten Heilkunde. Tausende Menschen reisen jedes Jahr nach Indien und Sri Lanka, um bei einer Ayurveda- Kur unter Palmen zu entspannen und gesund zu werden. In Deutschland gibt es ebenfalls unzählige qualifiziert ausgebildete Ayurveda-Ärzte, Heilpraktiker, Therapeuten und Ernährungsberater, die medizinische Konsultationen, ganzheitliche Ernährungs- und Gesundheitsberatungen und eine große Palette an Ölmassagen, Ölgüssen, Kräuterbeutelbehandlungen und Marma- Therapien anbieten.

Schritte der Ayurveda-Therapie

So komplex die ayurvedischen Diagnose- und Therapiemethoden auch sind: Die Antworten und Lösungswege zur Gesundheitsstärkung und Heilwerdung mit Ayurveda sind oft ganz einfach. Der erste Schritt einer Ayurveda-Therapie ist immer die Reinigung (shodhana). Mit ausleitenden Verfahren – wie beispielsweise einer Panchakarma-Kur – werden die Krankheitsverursacher aus dem Körper geleitet. Doch auch schon mit einer kleinen Fastenkur oder dem Trinken von zwei Tassen heißem Wasser am Morgen, der Integration von stoffwechselanregenden Gewürzen und Kräutern wie Ingwer, Kurkuma, langem Pfeffer (Pippali) und Triphala (ayurvedische Kräutermischung) in den Speiseplan sowie einer reinigenden Morgenroutine mit Zungeschaben, Ölziehen und Selbstmassage kann der Detox-Effekt sehr gut in Gang gesetzt werden. Der zweite Schritt einer Ayurveda-Therapie ist die Erneuerung (shamana). Mit einer aufbauenden, zellregenerativen Ernährungsund Kräutertherapie, wohltuenden Ölmassagen, Yoga und Meditation werden die Selbstheilungskräfte von Körper und Geist gestärkt. All dies erfüllt uns bereits nach kurzer Zeit mit vitaler Lebensenergie und ermöglicht einen ganzheitlichen Heilungsprozess.

Therapie oder Wellness?

Auch im Westen gibt es viele gute Möglichkeiten, Ayurveda zu studieren: Von der postgradualen Weiterbildung für Ärztinnen und Ärzte bis zum Massage-Praktiker, Ernährungsberater oder Ayurveda-Gesundheitscoach mit IHK-Zertifikat ist die Bandbreite groß. Wichtig für die Anwendung in Deutschland ist nur die Beachtung des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, im Volksmund auch „Heilpraktikergesetz“ genannt. Dieses erlaubt die Feststellung (Diagnose), Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden nur denjenigen, die über einen hiesig anerkannten Abschluss als Arzt oder Heilpraktiker verfügen. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass jeder erfahrene Ayurveda-Arzt aus Indien oder Sri Lanka in Deutschland offiziell nur im „Wellness“-Segment agieren darf. Doch auch ohne offizielle Heilerlaubnis lässt sich Ayurveda auf wunderbare Weise im beruflichen und privaten Leben umsetzen. Denn 80% der Ayurveda-Heilkunde basieren auf dem Wissen zur Gesunderhaltung des Gesunden. Und dies darf jeder anwenden und weitergeben!

Ayurveda als Ergänzung des modernen Medizinsystems

Mit Ayurveda zu arbeiten ist eine Win-Win- Situation für Therapeut und Klient: Viele Menschen studieren Ayurveda, um ein erfolgreiches Berufsleben, Gesundheit und eine erfüllende Lebensweise miteinander zu vereinen. Die Klienten wiederum profitieren von der fachkundigen Ayurveda-Beratung und -Behandlung, die von empathischer Zuwendung und echtem Interesse für das persönliche Befinden getragen wird. Damit füllen die ayurvedischen Behandlungsangebote auch eine Lücke, die von der modernen Apparatemedizin geschaffen wurde. In Zeiten von langen Wartelisten für Kassenpatienten und Hausärzte-Mangel sind Heilpraktiker und Gesundheitscoaches wichtige Bausteine des Versorgungssystems, die den stetig wachsenden Bedarf an ganzheitlicher, menschlicher und „sprechender“ Medizin erfüllen. Denn diese ist bei der zunehmenden Zahl an stressbedingten und psychosomatischen Beschwerden nötiger denn je.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*