Im November wird es erstmals im Bundestag vorgestellt: das bedingungslose Grundeinkommen. Folgt man der Argumentation Bruce Liptons, dann wird klar, dass in diesem Termin eine große Chance liegt: Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein konkreter Ausdruck unserer natürlichen Zellintelligenz in der äußeren Welt und weist einen gangbaren Weg in eine Zukunft des Miteinanders.

 

Manchmal hat man das Gefühl, als ob es einen „Weltgeist“ gibt, der auf verschiedene Menschen und Menschengruppen wie von außen einwirkt und eine neue Weltepoche bringt. Es gab Zeiten, da wurden die düsteren, lebensfeindlichen Theorien vom „Kampf ums Dasein“ und vom „Überleben des Stärkeren“, die zuerst in der Biologie zu Tage traten, bis in den finstersten Rassenkampf getragen. Jetzt scheint es, als wirke ein neuer Geist, der die Menschen tiefgründig umdenken lässt in Bezug auf die Gestaltung ihrer sozialen Verhältnisse – bis hinein in die naturwissenschaftliche Disziplin der Biologie.

Auf jeden Fall ist es erfreulich, wenn heute ein Biologe den Energie-Haushalt des Körpers als eine Art natürliches Wirtschaftssystem im Organismus erklärt und sagt:

„Es gibt keinen Reichtum im Körper, bis nicht alle Zellen eine Grundversorgung erhalten haben. Anders ausgedrückt bekommen alle Zellen eine Grundversorgung, für ihre Grundbedürfnisse wird gesorgt – und erst, wenn diese Zellen im System ihre Grundbedürfnisse gedeckt haben, dann ist die überschüssige Energie ab diesem Punkt (…) Gewinn“.

Bedingungsloses Grundeinkommen für die Zellen – welch schönes Bild, und welch freundliche Unterstützung aus der Biologie für das, was sich heute als neuer sozialer und kultureller Impuls in der Welt ereignen will.

Aber: Während in der Biologie der neue Gedanke als „Entdeckung“ daherkommt für Tatsachen, die schon immer in unserem Körper wirken, muss er in der sozialen Welt erst zur Tatsache werden. Viel zu sehr gehen die Kräfte heute dahin, dass einige sich auf Kosten von anderen bereichern wollen und eine Vielzahl von „Zellen“ zum Wohle einiger weniger „ausgebeutet“ wird.

 

Raus aus dem Egotrip

Im Bild der Biologie ist der Organismus „Menschheit“ heute von einem schweren Krebsgeschwür befallen und – solange das so ist – vom Tod durch sinnlose Überwucherung auf der einen und durch vielfältigste Auszehrung auf der anderen Seite bedroht.

„Wenn jeder für sich sorgt, ist für alle gesorgt“ (Zitat Guido Westerwelle) – treffender kann das Krebsgeschwür nicht brüllen. Das Motto vieler der sogenannten „Leistungsträger“ unsrer Gesellschaft ist nichts anderes als der Schlachtruf radikaler A-sozialität und Lebensfeindlichkeit. „Das Volkswohl ist nicht unsere Aufgabe“ sagt zum Beispiel der „Leistungsträger“ Ackermann, während er für seine schädlichen bis schändlichen Tätigkeiten Millionenbeträge einkassiert.

Wir leben jetzt an einem Zeitpunkt der Geschichte, an dem die Gesellschaft radikal umdenken muss. Vor allem den oberen Schichten sei das gesagt – denn anders als die Meldungen in der Presse nahelegen, sind nicht die Unter-, sondern die Oberschichten das Problem. Man beklagt in Deutschland beispielsweise vielfach eine anscheinend massenhaft neu entstehende Art von Mensch, den sogenannten Hartz-IV-ler, der sich dadurch auszeichnet, dass er faul und unzuverlässig ist, morgens nicht aufsteht, all sein Geld in Alkohol und Tabak umsetzt, seine Kinder nicht versorgt usw. usf. – und beginnt eine große Anzahl bestgemeinter „Fürsorgemaßnahmen“ für ihn zu entwerfen und an ihm durchzusetzen.

Doch es ist ein Trupp Blindgeborener, der diese Politik betreibt: Hartz IV ist ein Erzeugnis ihrer Politik! Man darf nicht fragen: Wie erziehen wir den Hartz-IV-ler? Vielmehr muss man sich fragen: Was in unserer Politik ist fehl gelaufen, dass es solche Entwicklungen gibt?

 

Ungerechtigkeit beenden

Man nimmt den Menschen die Freiheit, zwingt sie in Arbeiten, die sie nichts angehen, die oftmals eines freien Menschen unwürdig sind, gibt ihnen keine Chance, dem Armutsleben zu entkommen (wenn zum Beispiel die Tochter in einer „Bedarfsgemeinschaft“ etwas hinzuverdient, um studieren zu können, wird das Geld den Eltern abgezogen), drängt Hartz-IV-Kinder in niederwertige Ausbildungen – wenn man sie den Eltern nicht überhaupt wegnimmt (der Trend dazu nimmt immer mehr zu) –, gibt unendlich Geld für Kontroll- und Zwangsmaßnahmen aus, anstatt bedingungslos ein angemessenes Lebensauskommen zu gewähren, bedroht die Menschen mit Hunger und mit Obdachlosigkeit, wenn sie den staatlichen Anforderungen nicht entsprechen – Anforderungen übrigens, die sämtlich unzumutbare Scheinbeschäftigungen sind, sie dürfen ja den „echten“ Arbeitsmarkt nicht stören – und dann wundert man sich, dass diese Menschen einfach nicht mehr weiter wollen oder können.

Man übersieht, dass man von permanent Gedemütigten, Entrechteten und Hungernden nicht den Lebensmut, die Lebenskraft, die Tagesstrukturierung, erst recht nicht die Wertvorstellungen und die „Moral“ der Gut-Saturierten erwarten kann. 

Es ist jetzt Zeit, die „Zellen“ der Gesellschaft zu stärken. Und zwar, die gesamte Gesellschaft auf den Boden zu stellen, die im Beispiel der Biologie umrissen ist: jedem ein angemessenes Auskommen zu gewähren. Das wird die „Arbeitslosen“ entlasten, ihnen ein würdiges Dasein sichern und sie ermächtigen, sinnvolle Eigeninitiativen zu ergreifen. Und die Arbeitenden werden durch die Arbeitgeber nicht mehr zu erpressen oder auszubeuten sein. Eine Zeit wird kommen, in der man füreinander arbeitet – nicht mehr, weil man muss, sondern weil das Sinn macht und weil man füreinander arbeiten will.

 

„Der deutsche Bundestag möge beschließen … das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen.“ Diese Petition von Susanne Wiest wird am 8.11.2010 im Petitionsausschuss verhandelt. Dazu haben wir für Samstag, den 6.11.2010, in Berlin zur bisher größten Demo fürs Grundeinkommen aufgerufen. Mehr Infos bei www.unternimm-das-jetzt.de

 

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Abb: © Christopher Ursitti – Fotolia.com

3 Responses

  1. Brigitte Brausam-Hansen
    Wir hängen alle voneinander würdevoll ab...alles Andere ist Illusion

    Sie sprechen mir so aus der Seele! Vielen Dank für Ihren Artikel, den ich mit Freude gelesen habe, vollkommen zustimme und auch für Ihre klaren Aussagen in Bezug auf das unnötige Leiden der Menschen, die zurzeit Hartz-4 beziehen. Was für ein hässliches Wort im Übrigen. Ich gehöre auch hoffentlich nur vorübergehend dazu und hätte ich nicht gelernt, meine Würde als Mensch jenseits aller äußeren Umstände tief in mir zu spüren und auch zu vertreten, würde ich in dieser unmenschlichen Maschinerie aufgeben, krank werden und untergehen. Es ist in letzter Konsequenz entwürdigend und absolut kontraproduktiv. Das Grundeinkommen dagegen passt nicht nur im biologischen Vergleich für mich sondern ist einfach der Ausdruck eines liebenden, erwachsenen, fürsorglich menschlichen Seins, das tief in uns allen ganz natürlich angelegt ist und nun – Gott sei Dank – immer mehr zum Vorschein kommt. Ich würde mich sehr freuen, ein Grundeinkommen zu beziehen und meine unsichtbare und doch so gebrauchte Arbeit in der Welt unbeschadet und behütet und in aller Würde weiter machen zu können.

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  2. Volker Klotzbach

    Meine Zustimmung in den genannten Punkten in vollem Maße. Ich möchte an der genannten systematischen Notwendigkeit anknüpfen, die in jedem Fall gegeben ist.
    Wenn wir Menschen auf der Erde noch einige Jahrhunderte verbringen wollen, müssen wir uns insgesamt etwas bescheidener positionieren.

    Ein Maßgebliches Prinzip des menschlichen Daseins ist die Ausbeutung. Sicherlich ist es uns nicht gegeben, gleich den Pflanzen uns von Luft, Wasser und Sonne zu ernähren. Wir müssen Leben nehmen um zu sein. Ausbeutung beginnt aber an der Stelle, an der das Notwendige maßlos überschritten ist. Ausbeutungsprinzip der Natur gegenüber ist der Abbau von Rohstoffen, das Leerfischen der Meere, das Abholzen der Wälder und weiteres. Unsere Technikgeschichte hat mit dem Nutzbarmachen des Erdöls einen kurzen Höhepunkt erreicht, das sind wohl nicht mehr wie hundert Jahre, ein winzigstel gemessen an der Zeitdauer, diese Energiemengen zu akkumulieren, und auch an menschlich-geschichtlichen Zeitmaßstäben gesehen, ein relativ kurzer Zeitraum.

    Ausbeutung am Menschen ist die Gewalt des Bessergestellten, sich an der unterlegenen Person zu bereichern. Dies gilt leider als anerkanntes Prinzip, ist sehr wohl funktionierend und ist tagtäglich praktiziert. Es ist ein steinzeitliches Prinzip, das uns nicht in eine menschenwürdige Zukunft führen wird, im Gegenteil, es führt zu Auseinandersetzungen, Gewalt und Kriegen.

    Der Gedankenansatz, diesem Prinzip entgegenzuwirken, entspricht dem bedingungslosen Grundeinkommen. Was uns in unserer hocheffizienten Industriegesellschaft fehlt, ist das Schöne. Es sind nicht die käuflichen schönen Dinge gemeint, die wir zum Trost über unser gnadenloses Erwerbsdasein brauchen, es sind die so unwahrscheinlich rar gewordenen schönen Lebensmomente, die kein Produkt aus industrieller Produktion sind, sondern sich aus dem Wohlgefühl der Menschen ergeben. Dieses Wohlgefühl ist dem Zeitgeist in nicht zu ersetzender Art und Weise entwichen, das Maß des Wohlseins wird nur noch in Sach und Geldwert gemassen.
    Traurig, trist, ausgehöhlt, so blickt unsere innere Befindlichkeit in die heutigen Tage.

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  3. WellenbeobachterHH

    Auch wenn die hier skizzierte Perspektive für die Zukunft noch sehr wage formuliert ist, so ist sie immerhin eine! Deshalb herzlichen Dank an den Autor und haben Sie ruhig mehr Mut über das heutige System komplett hinaus zu denken!!!

    Oft fehlt die emanzipatorische Perspektive im Zusammenhang mit dem BGE leider noch. Das ist sehr schade. Fast niemand traut sich zu denken, geschweige denn auszusprechen, dass ein Konstrukt wie Marktwirtschaft / Kapitalismus historisch seinem Ende entgegenstrebt, obwohl das nahe liegt.

    Die oberen Eliten mit Dogmatikern und Ignoranten wie dem zitierten Herrn Westerwelle haben nicht nur keine Ideen und Lösungen mehr, sondern sie haben nicht mal eine Vorstellung von dem, was um sie herum passiert…woher z.B. ständig diese seltsamen Krisen kommen…? Sowas unangenehmes aber auch…das ruiniert doch geradezu das heile Bild der „sozialen Marktwirtschaft“…obwohl das längst Nostalgie ist.

    Die Gier der Banker sei schuld!?! Soso…tatsächlich? Die Menschen waren aber z.B. in den 60ern auch schon so. Dennoch ging es damals aufwärts. Warum ist das jetzt nicht mehr so? Was hat sich verändert? Wenn es nicht die menschlichen Charaktere sind, was ist es dann? Könnte das vielleicht am Kapitalismus selbst liegen? An der Eigenlogik der Märkte? Was für eine rüpelhafte Frage, nicht wahr…!?! Das dürfte in vieler Leute Ohren wie reinste Blasphemie klingen. Könnte es wahr sein, dass Körperzellen schlauer sind als die viel beschworenen „Wirtschaftsweisen“ und „Experten“? Ist dieser Vergleich überhaupt richtig? Wie funktioniert das alles genau?

    Die Antworten finden sich für den, der es schafft heraus zu finden, welche Fragen die richtigen für die Zukunft sind. Unsere politischen Eliten tauschen diese lieber gegen Politparolen ein, um an alten Glaubenssätzen und Handlungsmustern festhalten zu können. Sie haben sichtbar wenig Interesse an wahrhaft neuen Ideen und revolutionären Lösungsansetzen.

    Ich weiß nicht, ob es tatsächlich an einem neuen „Weltgeist“ liegt. Ich denke vielmehr es ist oftmals blanke systemische Notwendigkeit, sich neue Gedanken machen zu müssen und sich kritisch mit den jetzigen Verhältnissen auseinanderzusetzen.

    Das BGE hätte das Potential ein erster, richtiger Schritt zu sein, wenn man nicht dabei stehen bleibt und versucht, das alte System damit zu stabilisieren, sondern mehr zu fordern hinsichtlich ganz grundlegender, systemischer Veränderungen. Was historisch tatsächlich auf der Tagesordnung steht ist die Verwertungslogik des Kapitals an sich!!! Es dürfte also nicht nur um ein kleines Stück Verteilungsgerechtigkeit gehen, sondern um viel mehr…um die grundsätzliche Frage, wie gesellschaftliche Reproduktion organisiert und gemanaged werden könnte. Denen, die sich trauen, die richtigen Fragen zu stellen, wird die Zukunft gehören!!!

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