Homöopathische Antworten am Puls der Zeit

von Werner Baumeister

Einmalig oder austauschbar?

Mein tiefster Schmerz ist das Gefühl der Austauschbarkeit. Meine tiefste Wunde ist das Gefühl, ausgetauscht worden zu sein. Es hat sich in meinem Leben ein erstes Mal inszeniert, als meine Mutter, absorbiert von der Erkrankung meines Bruders und dann dem Schmerz über seinen frühen Tod, sich – so mein Gefühl – von mir abwandte. Damit ging auch das Gefühl einher, meinen Platz verloren zu haben, verlassen und verraten worden zu sein. Daraus entwickelte sich später ein grundsätzliches Misstrauen Frauen gegenüber und damit ein tiefes Misstrauen gegenüber der Existenz selbst.

Mein ganzes Leben ist seitdem im Grunde die Suche danach, von diesem Schmerz erlöst zu werden. Und mein ganzes Leben ist seitdem auch eine Flucht. Die Flucht davor, diesen Schmerz noch einmal spüren zu müssen. So habe ich unzählige Frauen gegen andere ausgetauscht, um dem erneuten Ausgetauscht- und Ersetztwerden durch einen möglichen Rivalen zuvorzukommen. Bis ich mich irgendwann ganz bewusst von dieser Form von Beziehung verabschiedet habe und damit auch ein Stück von der Suche danach, die Frau zu finden, die mir meine Einzigartigkeit, Einmaligkeit und Unaustauschbarkeit durch ihre Liebe beweist.

Bei tiefer Trauer und tiefem Schmerz, die in Schichten anzutreffen sind, in die kein anderes homöopathisches Mittel hinabreicht, begegnen wir dem Schwan. Nach der Einnahme des weißen Schwans nehme ich überhaupt erst mal meine Einsamkeit schmerzhaft wahr, von der ich mich bisher erfolgreich ablenken konnte. Dieser Schmerz um Verlorenes ist so tief, dass er immer wieder neu auflebt und gespürt werden muss, egal wie viel Zeit auch vergangen sein mag. Homöopathisch ist der Schwan dann besonders angezeigt, wenn das ganze Leid endlich aufbrechen will, das Verdrängung und Kompensation in uns erzeugt haben.

Befreiungsschlag mit dem schwarzen Schwan

Schwäne können sehr aggressiv werden. Im homöopathischen Heilungsverlauf – gerade auch mit dem schwarzen Schwan – können durchaus enorme Aggressionen freigesetzt werden, die lange blockiert waren. Dazu gehört auch, die Ursachen dieser Wut erkennen zu dürfen und mit einer Lösung aus dem Prozess herauszukommen. Meine Erfahrung mit dem schwarzen Schwan hatte einen Vorlauf mit dem weißen. Nach dessen Einnahme war ich wie gelähmt und unfähig, in irgendeiner Art und Weise auf die stundenlangen Techno-Partys meines neuen Nachbarn zu reagieren. Die Ladung implodierte irgendwann in massiven Herzbeklemmungen.

Ein Freund, dem ich das erzählt hatte, meinte, ich müsste wohl ein Heiliger sein, das auszuhalten, aber ich konnte einfach nicht raus aus dem Gefängnis meiner eingeschlossenen Wut. Ganz anders Tage später. Unter dem schwarzen Schwan wachte ich um vier Uhr nachts auf durch meinen wummernden Herzschlag. Dachte ich zumindest, bis ich realisierte, dass es die Techno-Folter von nebenan war. Mit zwei Sätzen war ich raus aus dem Bett und meine Energie entlud sich in fünf brutalen Faustschlägen an der Wand zum Nachbarn. Meine Warnung „Nächstes Mal ist zwischen euch und meiner Faust keine Wand mehr“ zeigte sofortige Wirkung. Es war im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig Ruhe.

Homöopathische Heilung ist immer individuell, situationsbezogen und nicht vorhersehbar. In meinem Fall war die Heilung, der Befreiungsschlag, meine befreite Gewaltbereitschaft. Ich möchte mir nicht vorstellen, welche Zerstörung diese Energie anrichtet, wenn sie dauerhaft im System eingeschlossen bleibt. Der Schlag gegen die Wand entpuppte sich in der Folge als ein Rundum-Befreiungsschlag! Denn Tage zuvor stieß ich durch eine Behandlungsanfrage auf einen tiefsitzenden Glaubenssatz. Das Anliegen der Frau war, eine anstehende Krebsoperation zunächst zu verschieben und sich stattdessen auf eine homöopathische Behandlung ihres verlorenen Urvertrauens mit der Armleuchteralge (siehe SEIN 5/19) einzulassen.

Ich war nicht in der Lage zu kommunizieren, dass eine homöopathische Begleitung an diesem Punkt für mich nicht stimmig und die Rückerlangung des Urvertrauens ein längerer Prozess ist und nicht mit einer einzigen Arzneigabe zu bewirken. Ich erteilte dann eine Absage aufgrund fehlender freier Termine, was ein Ausweichmanöver war. Wiederum war es das Gespräch mit einem Freund, das mir meine Unfreiheit unangenehm bewusst machte, indem es einen tiefsitzenden, unbewussten Glaubenssatz zutage beförderte: Ich darf die Behandlung Hilfesuchender nicht ablehnen, ansonsten werde ich genau mit dem bestraft, was ich ablehne zu behandeln. Nicht nur die nachbarliche Technofolter, sondern auch dieser Glaubenssatz war – für mich deutlich spürbar – nach dem schwarzen Schwan wie „weggeschlagen“. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und dass das Leben über den Impuls Homöopathie für jeden von uns immer wieder Situationen inszeniert, die passgenau zugeschnitten sind auf die individuelle biographische Verwundung, die dadurch Stück für Stück heilen kann.

 

Schlagworte (mit Links zu weiteren Artikeln von Werner Baumeister):
HomöopathieGewaltAggressionWundeMisstrauenSchmerz – TrauerWutUrvertrauen

 

Werner Baumeister

ist Arzt und bietet individuelle homöopathische Begleitung an.

30 Jahre Erfahrung in eigener Praxis in Berlin.

Einzeltermine nach Vereinbarung, Behandlungstermine zum Thema des Artikels jederzeit möglich.

Information zu aktuellen Workshops immer auf der Seite „Homöopathie am Puls der Zeit

(mit Themenregister aller Artikel) sowie unter Tel.: 0172 – 391 25 85 .

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Die homöopathischen Arzneibilder von Werner Baumeister verstehen sich immer auch

als homöopathischer Spiegel aktuellen Zeitgeschehens.

 

 

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