Auch die Wissenschaft bestätigt mittlerweile: Bereits im Mutterleib sind Babys wahrnehmende und fühlende Wesen. Hier öffnet sich ein weites Feld von Möglichkeiten einer intensiven vorgeburtlichen Bindung zwischen Eltern und ihrem ungeborenen Kind – mit tiefer Wirkung auf das gesamte weitere Leben.

Die meisten Menschen haben sich sehnlichst von ihren Eltern gewünscht, von ihnen wahrgenommen und als die gesehen und akzeptiert zu werden, die sie sind. Sie wollten mit Mitgefühl, Verständnis und Respekt behandelt werden. Sie hätten sich gewünscht, dass man ihnen Freiheit und eigenen Raum zugestanden und ihnen ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit vermittelt hätte.
Die Erfüllung dieses Grundbedürfnisses nach liebender Verbindung beeinflusst zutiefst unsere Entwicklung – und das nicht erst, nachdem wir geboren werden.
Die gesamte moderne Entwicklungspsychologie zeigt, dass die große Zeitspanne von der Zeugung bis zum dritten Lebensjahr die grundlegende Entwicklungszeit eines Menschen darstellt und damit von entscheidender Bedeutung für unsere Beziehungsfähigkeit ist. Unser Lebensglück gründet im Wesentlichen auf Beziehungsfähigkeit. Warum sollten Eltern nicht schon in der Zeit der Schwangerschaft das Glück der Verbindung mit ihrem Ungeborenen teilen und dabei gleichzeitig dessen zukünftige Beziehungsfähigkeit positiv beeinflussen?

Eigenständiges Seelenleben

Psychologische Forschungsergebnisse belegen, dass Babys schon in der Gebärmutter Wesen mit einem eigenständigen Seelenleben sind. Das Lern- und Erinnerungsvermögen von ungeborenen und neugeborenen Babys ist faszinierend. Babys erkennen Töne, Geräusche, Geschichten und Lieder ebenso wie den Herzschlag der Mutter, deren Stimme und sogar die Stimme des Vaters.
Unser Seelenleben existiert bereits ab der Empfängnis, und das Zellgedächtnis bewahrt die gesammelten Eindrücke. Dieses Organgedächtnis ist eine tiefere Schicht unseres Bewusstseins. Aus der embryonalen Zeit bleibt eine unbewusste Erinnerung erhalten, die ein Leben lang aktiv ist und unser Handeln mitbestimmt.
Leben bedeutet von Anfang an Kommunikation und Kooperation. Die Wahrnehmung unserer Umgebung und Beziehungen wird von Gefühlen begleitet, die physiologische und biochemische Reaktionen im Körper auslösen. Infolgedessen fühlt das Ungeborene nicht nur den seelischen Zustand der Mutter, sondern ihr gesamtes Umfeld. Umgekehrt sind werdende Eltern in der Lage, sich zunehmend auf die Signale ihres Babys einzustimmen und seinen Seelenraum wahrzunehmen. Eine solch tief gehende Verbindung können wir jedoch nicht mit dem Verstand allein herstellen. Es bedarf unserer Sensitivität, einer natürlichen, menschlichen Fähigkeit, die wir fast alle im Zuge unserer gesellschaftlichen Betonung von Logik und Rationalität wenig geachtet und entwickelt haben. Meist sind wir zu beschäftigt, um diese Gabe in uns wieder freizulegen. Eigens dafür geschaffene Erfahrungsräume können uns darin unterstützen. In unserer Feinfühligkeit liegt eine bedeutende innere Ressource: Empathie, die Kunst sich einzufühlen und mitzufühlen.

Begegnungen in der Gebärmutter – Den Dialog herstellen

Sich in das Ungeborene einzufühlen bedeutet Einklang mit ihm herzustellen und uns der Botschaft bewusst zu werden, die es uns nicht nur verbal, sondern durch jeden Aspekt seines Seins übermittelt. Ein tiefgehender Dialog zwischen Eltern und ihrem Ungeborenen bedeutet nicht nur eine emotionale Unterstützung, sondern bereitet auch eine optimale Geburtssituation vor und fördert die Entwicklung des Babys.
Wissenschaftler haben festgestellt, dass Kinder, auch die ungeborenen, die grundlegendsten emotionalen Lernerfahrungen durch kleine, häufig wiederholte Kontakte machen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beziehung immer ungetrübt ist. Vielmehr fördern der offene und ehrliche Umgang mit vorübergehenden Störungen, wie beispielsweise Krisen der Mutter mit negativen Gedanken dem Kind gegenüber, nicht nur die sichere Bindung, sondern auch die Kompetenz des Kindes und sein Gefühl, im Dialog mit den Bezugspersonen etwas bewirken zu können. Die meisten Babys können in der Regel ab der sechsten Woche nach der Geburt das Lächeln ihrer Eltern erwidern. Eine Ausnahme bilden Babys, die vor ihrer Geburt an einem bindungsfördernden Programm teilgenommen haben. Diese Babys lächeln spontan, sind untertags wacher und erkundungsfreudiger. Das Erleben einer tiefen seelischen Verbindung fördert nicht nur das Kind, sondern bedeutet auch Glück und Unterstützung für die Partnerschaft werdender Eltern. Das eigene Potenzial sowie das der Familie kann sich leichter entfalten, und dem Kind wird ein echtes Willkommen bereitet.


Abb.: © Mikael_Damkier-fotolia.com

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