In den letzten Jahren hat die Wissenschaft immer mehr über die non-verbale Kommunikation gelernt. Wir wissen nun, dass Menschen überall auf der Welt ein gemeinsames, universelles Vokabular von Stimmlagen und Gesichtsausdrücken teilen und verstehen. Nun ist ein weiterer Aspekt in den Blickpunkt gerückt, der bisher kaum Beachtung gefunden hat: die Berührung.

Zur Überraschung der Forscher wird immer klarer, dass flüchtige Berührungen eine ähnlich große Bandbreite an Emotionen und Signalen transportieren können, wie unsere Gesichtsausdrücke. Und je mehr wir über die Berührung lernen, desto klarer wird, dass sie ein offenbar entscheidender Teil unserer Kommunikation ist. Keine andere Art der Verständigung verläuft so schnell und direkt, keine ist uns so unmittelbar nah. Berührung ist die erste Sprache, die wir lernen und sie bleibt zeitlebens eine unserer reichsten Ausdrucksmöglichkeiten.

Klare Botschaft mit direkter Wirkung

Ob ein Handschlag, eine sanfte Berührung, eine ermunternde Hand auf der Schulter oder eine Umarmung – Studien haben herausgefunden, dass per Berührung überbrachte Botschaften eine direkte Wirkung auf Hormonhaushalt, Denken und Handeln von Menschen haben. Und das diese leise Sprache höchst differenziert ist.

In einer Studie an der DePauw University in Indiana, sollten die Probanden versuchen, eine Liste von Emotionen per Berührung an gänzlich unbekannte Personen zu übertragen, denen die Augen verbunden wurden. Es gelang ihnen, acht verschiedene Emotionen mit 70-prozentiger Genauigkeit zu übertragen. Wurde bisher also angenommen, Berührung hätte lediglich die Funktion das anderweitig Kommunizierte verstärkend zu unterstreichen, so wird jetzt erkannt, dass sie vielmehr selbst ein ausdifferenziertes Kommunikationsmittel ist.

Krankenhaus-Patienten empfinden eine Arztvisite mit Berührung als doppelt so lang wie ohne, nach einer aufmunternden Berührung erzielten Probanden bessere Testergebnisse, die besten Basketballteams sind im ständigen körperlichen Kontakt – es gibt zahlreiche Untersuchungen, welche die erstaunliche Auswirkungen von Berührung belegen. Aber Berührung ist nicht nur eine eigene Sprache, sie ist auch eine erstaunlich wirksame Medizin.

Heilsame Berührung: Heilung für Geist und Körper

Liebevolle Berührungen führen zu einer direkten Entspannung beim Berührten und zur Ausschüttung des Hormons Oxytocin, welches Stresshormone abbaut und mit Gefühlen wie Liebe, Vertrauen und Ruhe in Verbindung gebracht wird. Das Gehirn interpretiert solche Berührungen als Zeichen der Verbundenheit und Erleichterung von Sorgen und Problemen. Die Zentren im Gehirn, die für Problemlösungen zuständig sind, entspannen sich unmittelbar nach der Berührung, denn der Körper interpretiert das Berührtwerden als Versprechen: „Ich werde dir helfen“ – und entspannt sich. Sanfte Berührung erzeugt unmittelbar Vertrauen und Wohlbefinden – und das weit stärker als jede Form der verbalen Zuwendung.

Die körperlich und psychisch heilende Wirkung von Berührungen, sei es nun Massage oder Kuscheln, ist wissenschaftlich längst erwiesen. Unabhängig vom jeweiligen Krankheitsbild hilft die Körper und Seele entspannende, stress- und angstreduzierenden Wirkung der Berührung beim Selbstheilungsprozess. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, welche dies bei einem breiten Spektrum an Krankheitsbildern bestätigen. So erholen sich Babys schneller und entwickeln sich besser, wenn sie viel Berührung erfahren, Berührtwerden hilft gegen Schmerzen aller Art, entspannt Asthmapatienten und verbessert bei Alzheimer-Patienten Gedächtnisleistung und Stimmung. Auch viele Hautkrankheiten können durch regelmäßige Massagen geheilt werden, tatsächlich wird von einigen Forschen sogar ein kausaler Zusammenhang bei der Entstehung von Hautkrankheiten vermutet: Einige Studien legen nahe, dass sie gehäuft bei Menschen auftreten, die in ihrer Kindheit wenig körperliche Zuwendung erfahren haben.

Eigentlich sind diese Erkenntnisse kaum verwunderlich: Denn die Haut ist unser bei weitem größtes Organ, Millionen von sensiblen Nervenzellen registrieren selbst kleinste Reize. Über diese Zellen hat Berührung einen direkten Einfluss auf den Hormonhaushalt und das vegetative Nervensystem, wodurch Stress, Ängste und Verspannungen abgebaut werden und Schmerzen und psychosomatische Beschwerden Linderung erfahren.

Auch in der Psychotherapie bekommt Berührung daher einen immer größeren Stellenwert, denn die Verbindung von Körperarbeit mit emotionalen Prozessen führt zu weit besseren Ergebnissen. Die Berührung ist ein wichtiges Kommunikationsmittel und schafft ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen, in dem sich emotionale Blockaden leichter lösen.

Wir brauchen Berührung, wie wir Nahrung brauchen

Dass unsere Gesellschaft immer berührungsärmer wird, führt bei vielen Menschen nicht nur zum Gefühl von Einsamkeit, Entfremdung und Hilflosigkeit, sondern dürfte auch für einen nicht unwesentlichen Teil körperlicher und psychischer Probleme mitverantwortlich sein. Für die psychische und körperliche Gesundheit braucht der Mensch Berührung scheinbar fast ebenso, wie er Nahrung benötigt. Erwachsene haben dasselbe Bedürfnis nach Berührung wie Kinder, die diesem noch auf eine natürliche Weise folgen dürfen. Mit fortschreitendem Alter jedoch wird Berührung immer mehr auf den Kontext von Liebesbeziehungen beschränkt – und damit meist auch immer seltener. Viele Menschen erfahren über Jahre hinweg keine einzige liebevolle Berührung.

Mit einem breiten Angebot an Körpertherapien, Massagen und Berührungen, durch neue Ideen wie Free Hugs, Kuschelpartys und Massagetausch wird das „Kuscheldefizit“ unserer Gesellschaft nun mehr und mehr geheilt. Wie wichtig und tiefgreifend die Erfahrung von Nähe für unsere innere Heilung ist, beginnen wir vielleicht gerade erst wirklich zu verstehen.

14 Responses

  1. Gisela Bohn
    Quellenangaben

    Ich finde den Artikel ebenfalls sehr interessant. Können Sie mir Ihre Quellen schicken?

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  2. Karola

    Ich kann dem Artikel nicht zustimmen. Erwachsene brauchen Berührung nicht zum Leben. Wenn dem tatsächlich so wäre müsste ich längst tot sein, denn ich werde seit zwanzig Jahren, das heißt seit meiner Jugend, von niemandem mehr berührt – ohne je negative Berührungserfahrungen gemacht zu haben; da ich keinerlei private Kontakte pflege ergibt sich hierfür einfach keine Gelegenheit. Krank gemacht hat es mich bisher nicht. Der Vergleich mit Nahrung scheint mir deshalb nicht angebracht.

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    • jana
      so ist es

      Der text spricht mir aus der seele. Ganz ehrlich:selbst eine katze erfährt mehr berührung als ich als erwachsener mensch. Ich finde es unerträglich und leide unter dieser kälte der menschen in der gesellschaft. Es stimmt das alles auf die liebesbeziehubg beschränkt wird, kuschelt man z.b.freundschaftlich dann heißt es sofort man sei lesbisch oder dergleichen. Was mir egal wäre, aber ich kann mit meinen freunden auch nicht kuscheln und fühle mich dadurch immer abgetrennt und einsam. Ich weiß nicht ob das jetzt den rest meines lebens so weitergehen soll. Ich hoffe das jedenfalls nicht.

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  3. Lothar Klee

    Danke für den tollen Artikel. Ich studiere gerade selbst sehr intensiv wie wichtig Berührung für mich oder allgemein ist. Ich habe einen berührungsintensiven Beruf als Trainer für Salsa-Tanz, Sport, Akrobatik, Sinne und (nonverbale sinnliche) Kommunikation. Aufgrund einer Erkrankung musste ich alles sehr reduzieren. Gleichzeitig hatte ich keine Freundin. Jetzt leite ich gerade noch 2 regelmäßige Tanz-Angebote am Dienstagabend und hin und wieder einen Abend oder ein Wochenende. Dort spüre ich nach vielen Berührungen jedes Mal ein enormes Wohlgefühl und eine große Entspanntheit. Nach einem Unfall bei der Hinfahrt zum Tanzkurs, nach dem ich innerlich stark zitterte, hatte ich Berührungselemente als Selbststudie sehr intensiviert. Und es war enorm, wie schnell ich mich von den Unfallbildern lösen konnte, mich einlassen und wohlfühlen konnte. Danach erprobte ich weitere Berüh-rungserfahrungen ohne Sex wie z.B. Löffelchenliegen bei einem Seminar mit Fremden oder längeres Umarmen. Die Medizin spricht von mindestens 10 Minuten, die man benötigt. Mich beglücken und entspannen Berührungsmomente immer sehr.
    Inzwischen konzentrierte ich mich beim Tanzen auf Sinnliche Paartänze.
    Nun suche ich Frauen, die ebenso das Interesse haben Berührungsmomente zu schenken und zu bekommen. Mit Männer habe ich weiterhin meine Probleme beim intensiven Berühren.
    Ich würde mich freuen über ein Mail an mich (lothar.klee@yahoo.de), wenn jemand Lust hatte mit mir achtsame Berührungsmomente zu erproben oder sich zum Thema Berührung auszutauschen – sehr gerne auch Frauen oder Paare mit Berührungsproblemen. Gerne bin ich auch bereit ein Workshop im Themafeld Tanz & Sinne oder Sinnliches Miteinander privat oder für eine Gruppe zu leiten. Und ebenso gerne würde ich mich mit Menschen austauschen, die selbst Berührungs-Angebote anbieten oder erforschen (Massage, Tantra, Kuschelparty …, Mediziner, Psychologen …)
    Gemeinsames Interesse macht Mut etwas Neues zu erproben – für sich und viele.
    Ich glaube, dass viele Menschen ein Berührungsdefizit haben und Berührung durch ihre Jugendprägung meistens als Erwachsener (nur) mit Sex verbinden.
    Berührung belebt tatsächlich sehr, durch das Ausschütten von sogenannten Glückshormonen, freudvoll Gesundheit und Kommunikation, fördert intensiv das Wohlbefinden und das Miteinander.
    Ich bin privat selbst Lernender Berührung und Sex zu trennen oder auch mehr zu verbinden. Mehr über mich findest du in unserer Gemeinschafts-Homepage „www.ein-neues-wir.de/wp/wir/die-menschen/“ oder zunehmend bei „visiana“.de (Veranstaltungen zur Kraft des Miteinanders – und Fühlens). Hier suchen wir noch Mitwirkende, auch im Netzwerk. Lothar Klee
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  4. Hannes
    Kuscheln

    Bin über ein tolles und ganz neues Angebot in Wien und auch Deutschland gestolpert, wo kuscheln für jederman(n)/-frau angeboten wird! Möcht ich unbedingt mal ausprobieren, was meint ihr cuddlers.net

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  5. Hanna
    Quellenangaben!

    Super Artikel! Würde es gerne in meiner Facharbeit zitieren. Könnten sie mir bitte die Quellenangaben schicken?

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  6. C. Denzlinger

    Ja schön, nur leider ist es als alleinstehender Mann, gar nicht einfach von einer Frau berührt zu werden. Die Frauen sind alle recht geizig im Vergeben von Streicheleinheiten. Wenn man eine Anzeige aufgibt, bekommt man nur selten eine Zuschrift. Ich glaube Frauen brauchen weniger Berührung als Männer. Würden Frauen ticken wie Männer, dann wäre alles viel einfacher. Frauen haben immer das Gefühl sie werden sexuell ausgenutzt, wenn ein Mann sie anfassen will. Frauen wollen attraktiv daher kommen und einem Appetit machen, aber einem dann garen, abweisen und körperlich verhungern lassen. Nur gegen Geld bekommst man, was man braucht und das auch noch im M inutentakt.

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  7. mariell

    hallo david, der artikel ist sehr aufschlussreich. gibt es die möglichkeit mir hinweise bzw. links zu den angegebenen studien zu senden. vielen dank und beste grüsse. mariell

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  8. farrokh fattahi

    Ich habe eine Freundin gehabt die schwere Atmungsprobleme hatte,für sie Ihre beste Behandlung war als Ich sie sanft berührt und sanft massiert habe. und viel besser gewirkt als alle Ihre Medikamente. Ich wünsche für mich selbst auch so was aber ich bin Pensionist und kein Geld für solche Seminare. Ich wünsche auch eine Partnerin für gegen Leistung. ich wohne in Wien. mit freundlichen Grüßen farrokh.

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  9. Rita Stausberg

    Danke für diesen Artikel, dessen Inhalt mich nur insofern wirklich überrascht, als das alles schon erforscht ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir die Quellen schicken könnten!
    Rita Stausberg

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  10. Irena Gehlhaar

    Hallo! Ich hatte nach einer O.P. am Handgelenk seit Jahren immer noch Schmerzen. Vor kurzem hat mein Mann zufällig mein Handgelenk in seine Hand genommen und nach kurzer Zeit fing es im Inneren meiner Hand an zu wühlen und zu pochen. Es wurde sehr warm und es fühlte sich kurz sogar schmerzhaft an. Danach war der ursprüngliche Schmerz aber weg! Wir konnten es uns nicht erklären und nahmen uns auch andere „Baustellen“ vor. So zum Beispiel auch meinen Ellenbogen, der jetzt nach drei „Behandlungen“ kaum noch schmerzt. Gestern hatte ich ein dickes Sprunggelenk, da ich dort auch eine alte Verletzung hab. Nach 10min Handauflegen, war es im Gelenk sehr aufgewühlt und heute kann ich wieder richtig gehen.
    Mein Mann beschreibt, dass er innerliche Spannung aufbaut, aus dem Bauch heraus, die sich dann den Weg zum Schmerz bahnt.
    Wir sind beide sehr überrascht und würden gerne wissen, ob und wie hier eine Heilung statt finden kann. Eigentlich glauben wir gar nicht an so etwas!

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  11. Pascale Chartrain

    In vielen städten in Deutschland werden Kuschelparties angeboten: hier der link: www.alle-kuschelpartys.de und in Berlin: www.berliner.Kuschelkalender.de.
    Ich gehe selber regelmäßig seit über ein halbes Jahr und ich fühle weniger gestreßt und es ist ein Stück Selbsterfahrung gleichzeitig.
    Danke für dieser sehr interessanter Artikel!
    lg
    Pascale Chartrain

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