Biofeedback – die Verbindung von Geist und Maschine

Ein „Feedback“ zu erhalten, bedeutet umgangssprachlich eine Rückmeldung zu bekommen auf unsere Leistungen, unser Handeln, unser Verhalten.
Biofeedback heißt ein Verfahren, das einem Menschen, der an eine Meßapparatur angeschlossen ist, Rückmeldungen gibt über körperliche Vorgänge, die er normalerweise nicht oder nur schwer wahrnehmen und verändern kann. Körpereigene Signale wie Muskelspannung, Pulswerte u.a. werden gemessen, elektronisch verstärkt und können dem Benutzer sowohl visuell über einen Bildschirm als auch akustisch zugänglich gemacht werden. Biofeedback ist heutzutage eine wissenschaftlich anerkannte Methode am Schnittpunkt von Medizin und Psychologie, die vor allem in den USA zum therapeutischen Instrumentatrium psychosomatischer Praxen und Klinken gehört.

Biofeedback-Forschungen gibt es seit Anfang der 60er Jahre. Elmer und Alyce Green waren die Pioniere, die Biofeedback bekannt gemacht haben. Ihr Hauptwerk „Biofeedback. Eine neue Möglichkeit zu heilen“ war einige Jahre vergriffen und ist vor kurzem vom Bauer-Verlag in der Reihe „Bauer Classics“ neu herausgegeben worden. Die Greens wurden vor allem dadurch bekannt, daß Sie in den 60er und 70er Jahren Yogis und andere Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten der Beherrschung autonomer Körperfunktionen gemessen und getestet haben.

Seit dieser Zeit wurde auch in vielen Versuchen mit „normalen“ Menschen nachgewiesen, daß durch Biofeedback physiologische Funktionen nicht nur wahrgenommen, sondern auch vom Wahrnehmenden selbst gezielt beeinflußt werden können. Die herausragende Bedeutung des Biofeedback liegt also in der Möglichkeit des Erlernens einer Kontrolle über körperlich-vegetative Abläufe, die aufs engste mit emotional- psychischen Empfindungen verbunden sind. Mit anderen Worten: Wenn sich meine physiologischen Werte verändern, verändern sich damit gleichzeitig meine inneren Gefühle, Empfindungen und mentalen Fähigkeiten.

Eine Erfahrung aus meiner Praxis: Wenn ich mit Patienten therapeutische Gespräche führe, schließe ich sie manchmal über Fingerelektroden an das Biofeedbackgerät an und wir können beide während des Gesprächs die Veränderung des Hautleitwerts, der Pulsfrequenz und der Durchblutung der Finger beobachten. Wenn es um emotional stark besetzte Themen geht, also die innere Erregung stärker wird, steigen physiologisch der Hautleitwert, die Pulsfrequenz und gleichzeitig wird die Durchblutung der Finger unregelmäßig. Meine Erfahrung ist durchgängig: befindet sich ein Patient in einem solchen emotionalen Erregungszustand, kann er sich endlos weiter in seine Probleme hineinsteigern, er kann sie aber niemals lösen. Emotionale Erregung führt zu einem mentalen Festklammern am Problem. An diesem Punkt thematisiere ich die Problematik mit meinem Patienten, lasse ihn dann die Augen schließen, lege sanfte Musik auf und führe ihn in eine Tiefenentspannung. Wie erfolgreich meine geführte Tiefenentspannung ist, kann ich wiederum am Rückgang der Erregungswerte auf dem Bildschirm ablesen. Gelingt es mir, den Patienten in eine entspannte Distanz zu seinem emotionalen Problem zu führen, ist anschließend genau das möglich, was in der Erregung nicht möglich war: ein lösungsorientiertes Denken. Mit einem Biofeedback-Gerät läßt sich zweifelsfrei nachweisen: Es gibt keine emotionale Erregung ohne Erhöhung des Hautleitwertes, sowenig wie es innere Ruhe bei einem unregelmäßigen Puls geben kann oder ein entspanntes Denken bei angespanntem Stirnmuskel.  Und wie mittlerweile allgemein bekannt ist, führt chronische Anspannung zu Störungen in der Immunabwehr und damit zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit.

Eine relativ neue Wissenschaft, deren Erkenntnisse den Ansatz des Biofeedback nachhaltig untermauern heißt Psychoneuroimmunologie. Dabei handelt es sich um einen interdisziplinären Forschungsansatz, der die enge Verzahnung von Psyche, Nervensystem und Immunabwehr untersucht. Obwohl die Vorstellung der Einheit von Körper und Geist bereits in der Antike vorhanden war und in allen esoterischen und energetischen Heilmethoden als ganzheitliches Denkmodell existiert, war sie als Grundlage einer wissenschaftlichen Erforschung bis in die 60er Jahre hinein undenkbar. Ergebnisse der Psychoneuroimmunologie zeigen zum Beispiel, daß Lachen das Gehirn zur Ausschüttung bestimmter Botenstoffe anregt, die wiederum die Anzahl der Immunzellen im Blut augenblicklich erhöhen oder daß negative Gedanken- und Gefühlsmuster das Immunsystem hemmen. Psychoneuroimmunologie und Biofeedback ergänzen sich in ihren Erkenntnissen über die komplexe Verknüpfung von Körper, Emotionen, Geist und Immunsystem.

Biofeedback funktioniert prinzipiell durch den Aufbau einer Rückkopplungsschleife zwischen dem Benutzer und dem Biofeed-backgerät: der Mensch geht eine Verbindung mit der Maschine ein, um in seinem Organismus und Energiesystem Veränderungen zu erzeugen. Ein Beispiel: Ich bekomme Informationen über meine hohe Pulsfrequenz und suche nach einem Weg, diese Information zu beeinflussen, d.h. die Pulsfrequenz zu verlangsamen. Ich stelle mir zum Beispiel vor, wie der Puls langsamer und ruhiger wird und wenn es mir gelingt, bekomme ich sofort ein Feedback vom Bildschirm und/oder von einem Tonsignal. Über die Vorstellungskraft realisiert mein Nervensystem eine Veränderung. Im Verlauf eines Trainings gelingt es immer besser, die durch Biofeedback erworbenen Fertigkeiten auch ohne Gerät anzuwenden. Es ist somit ein Lernen von Körperwahrnehmung, Selbstkontrolle und Selbstheilung. Ich lerne zum Beispiel meinen Pulsschlag unter Kontrolle zu bekommen. Und wenn mir dies gelingt, wenn mein Nervensystem durch ein Training von 10 bis 12 Sitzungen „gelernt“ hat meinen Puls zu beruhigen, brauche ich kein Biofeedback-Gerät mehr. Ich habe es gelernt, mein Nervensystem hat es durch Wiederholung gespeichert und kann die gelernte Erfahrung bei Bedarf willentlich reproduzieren.

Dieses Training hat interessanterweise noch einen viel weitreichenderen Effekt auf den Benutzer. Wenn nämlich jemand lernt, körperliche Abläufe zu beherrschen, die ihm zuvor als nicht beeinflußbar erschienen sind, bekommt er das Gefühl, per Willensanstrengung wirklich etwas erreichen zu können. Und dadurch wird es für die betreffende Person einfacher, Veränderungen an Denk- und Handlungsmustern vorzunehmen. Somit kann ein Biofeedback-Training den Selbstwert und die Handlungsfähigkeit eines Menschen entscheidend steigern.

Als Elmer und Alyce Green ihre Biofeedback-Forschungen begannen, benötigten sie dazu noch einen riesigen und teuren Gerätepark. Für die Messung der Hirnwellen brauchte man eine einzelne große Apparatur ebenso wie für die Messung der Muskelspannung, der Temperatur, Herz- und Atemwerte. Es war für die Greens damals ein höchst aufwendiges Unternehmen, mit diesen vielen relativ störungsanfälligen Geräten in Indien herumzureisen, um die Fähigkeiten von Yogis zu messen.
Die technologische Entwicklung der letzten 10 Jahre hat auch auf diesem Gebiet immense Fortschritte ermöglicht. Bei den neuesten computerunterstützten Geräten wie dem BioGraph/Pro Comp, mit dem ich zur Zeit arbeite, können gleichzeitig über mehrere Module folgende Parameter abgeleitet werden: Hautleitfähigkeit, Muskelspannung an einzelnen Muskeln, Gehirnwellen, Hauttemperatur, Pulsfrequenz, Pulsamplitude sowie Atemexkursionen über Thorax und Abdomen. Diese Parameter können beliebig kombiniert, gemessen und ausgewertet werden. Für das individuelle Training steht eine ganze Palette an Spezialprogrammen und Animationen zur Verfügung. Bei chronischem Stirnkopfschmerz trainiert man vor allem die Entspannung im Stirnmuskel. Man will einen bestimmten meßbaren Entspannungsgrad erhalten. Dazu kann man verschiedenste Animationen verwenden. Ich kann das Gerät so einstellen, daß mein Patient einen grimmigen Tiger sieht, wenn seine Spannung zu hoch ist. Dieser Tiger verwandelt sich in ein Tigerbaby, wenn sich die Spannung unter den definierten Grenzwert begibt. Ich kann das gleiche Trainingsprogramm auch mit einem Smiley machen. Sind die Werte zu hoch, hat der Smiley die Mundwinkel nach unten gezogen, gehen die Werte in den gewünschten Bereich, bewegen sich die Mundwinkel nach oben und es erscheint das typische Smiley-Lächeln.
Die Anwendungsmöglichkeiten des Biofeedback sind prinzipiell unbegrenzt. Der große Vorteil dieser Therapie liegt darin, daß der Benutzer/Patient nicht nur behandelt“ wird oder etwas verordnet bekommt, sondern sich seine Ergebnisse selbst erarbeitet.

Die heilkundlichen Hauptanwendungsgebiete sind psychische, psychosomatische und funktionelle Störungen aller Art, darüberhinaus wird mit Biofeedback auch im Bereich von Persönlichkeitsentwicklung, Selbsterfahrung, Kreativitätstraining und „Out of Body“-Experimenten gearbeitet.

Über den Autor

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arbeitet seit 1991 als selbständiger Heilpraktiker und leitet seit 1995 Ausbildungen in Craniosacraler Therapie – zuerst an der Paracelsus-Schule Berlin, seit 2001 in eigener Regie.

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Mehr Infos

Ein Interview mit Wolfgang Rühle zum Thema Cranioarbeit finden Sie auf www.sein.de/einladung-ins-leben

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