Wir können noch so viele spirituelle Bücher lesen oder entsprechende Veranstaltungen besuchen – ohne die direkte Erfahrung einer spirituellen Wirklichkeit bleiben wir auf der Ebene des Glaubens. Sinn ist dann eher der Versuch einer verstandes­mäßigen Orientierung als eine fühlbare Wirklichkeitsmatrix, ­innerhalb derer wir leben. Manchmal wählt der Schöpfer für den Zugang zu echtem Wissen allerdings recht ausgefallene Wege: Einen tiefen Einblick in eine übergeordnete Realität und in ­etwas, das er Gott nennt, erhielt ein amerikanischer Neuro­wissenschaftler über eine Koma-Erfahrung – ein Blick in die Ewigkeit

 

Der Neurowissenschaftler Dr. med. Eben Alexander lag sieben Tage im Koma und war hirntot. Sein Buch »Blick in die Ewigkeit. Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen« ist ein inspiriertes Zeugnis einer außerkörperlichen Erfahrung von himmlischen Welten und einer Begegnung mit Gott. Der Grund für Alexanders Koma war ­eine schwere Meningitis. Meningitis, auch als Hirnhautentzündung bekannt, ist ein bakterieller Befall der Gehirnoberfläche. Die Bakterien dringen als erstes in die Hirnrinde ein. Dies hat zur Folge, dass der Neocortex des Betroffenen seine Funktion einstellt. Obwohl der Neocortex, in dem das Denken und die bewusste Wahrnehmung verarbeitet werden, vollständig ausgeschaltet war, hatte Dr. Eben Alexander komplexe und bewusste Erinnerungen an Erfahrungen, die er in einer Art außerkörperlichem Zustand erlebte. Das Buch ist vor einigen Monaten auf Deutsch ­erschienen und seit Monaten auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Außerkörperliche Erfahrung

Eben berichtet, dass er sich zunächst in einer Art schlammigen Umgebung befand. Er nennt es die »Regenwurmperspektive« (S. 48). »Mein Bewusstsein war keineswegs getrübt oder verzerrt, als ich dort war. Es war nur eingeschränkt.« (48) Während die späteren Erfahrungen der spirituellen Welten von Licht, Freude und Klarheit gekennzeichnet waren, ist die Schlammperspektive von Dunkelheit, Furcht und Trübheit bestimmt. Sein Austritt aus dem körperlichen Zustand seiner irdischen Existenz beginnt mit diesem kalten und nassen Schlamm, in dem amorphe Gestalten auftraten. Er spricht von einem pochenden, monotonen Geräusch und von dem Geruch von Kot, Blut und Erbrochenem. Er empfindet sich selbst als nicht zugehörig und will dort weg. In dem Moment taucht ein Wesen aus einer anderen Sphäre auf, das so schön und strahlend ist, dass er es nicht beschreiben kann.

Er hört einen lebendigen Klang, so schön, wie er noch nie einen gehört hat, und sieht Lichtfäden wie Gold. Dann wird er durch eine Öffnung nach oben gesaugt und findet sich in einer anderen Welt wieder, einer grünen, üppigen Landschaft. Er versucht immer wieder auszudrücken, wie schön diese Welt ist, aber die schönsten Worte sind nur ein hilfloser Versuch, diese wunderbare himmlische Sphäre zu beschreiben.

Dann trifft er ein Wesen, eine junge Frau. Er erfährt eine Liebe, die alles übersteigt, was es auf der Erde gibt: »Es war ein Blick, der irgendwie über alles hinausging … über all die verschiedenen Arten von Liebe, die wir hier auf der Erde kennen. Es war etwas Höheres, das all die anderen Arten von Liebe in sich trug und gleichzeitig echter und reiner war als sie alle zusammen.« (62) Schließlich bewegt er sich noch höher, über den Wolken. Dort sah er kugelartige Kreaturen, die einen gewaltigen Freudengesang hervorbrachten.

Immer wieder spricht er davon, wie real und greifbar alles wirkt. »Sehen und Hören waren nicht voneinander getrennt an diesem Ort, an dem ich mich nun aufhielt. Ich konnte die sichtbare Schönheit der silbrigen Körper jener funkelnden Wesen über mir hören und die wogende, freudvolle Vollkommenheit dessen, was sie sangen, sehen.« 

Blick in die Ewigkeit: Die Eigenschaften Gottes

Am Ende begegnet Eben Alexander auch Gott. »Ich bewegte mich noch weiter und ging alsbald in eine gewaltige Leere ein – vollkommen dunkel, unermesslich, aber auch unendlich tröstlich. Sie war rabenschwarz, floss aber gleichzeitig über vor Licht – einem Licht, das aus einer strahlenden Kugel zu kommen schien, die ich jetzt direkt neben mir spürte. Diese Kugel lebte und war fast materiell, wie die Lieder der Engelwesen es gewesen waren. (…) Dieses Wesen war so nah, dass es überhaupt keine Distanz mehr zwischen Gott und mir selbst gab. Aber gleichzeitig konnte ich die unendliche Weite des Schöpfers spüren, konnte sehen, wie winzig klein ich im Vergleich zu ihm war. (…) »Om« war der Klang, den ich im Zusammenhang mit dem allwissenden, allmächtigen und bedingungslos liebenden Gott gehört hatte, aber jede Beschreibung von ihm greift zu kurz.« (71f.)

Alexander konnte das gesamte Universum wie einen gigantischen Mutterleib wahrnehmen. Er kommunizierte weiterhin mit Gott und nimmt ihn als »persönlich« wahr. »Es verstand die Menschen und verfügte über Eigenschaften, die wir auch haben, nur in einem unendlich größeren Ausmaß. Es kannte mich in- und auswendig und sprudelte über vor Eigenschaften, die ich mein ganzes Leben lang mit menschlichen Wesen – und nur mit menschlichen Wesen – in Verbindung gebracht hatte: Wärme, Mitgefühl, Pathos … ja, sogar Humor und Ironie.« (73)

Der höhere Sinn

Eben Alexanders Buch ist ein überzeugender Bericht. Es zeigt uns, dass es jenseits unserer irdischen Existenz einen höheren Sinn gibt. Seine Begegnung mit Gott, die so real und keinesfalls ein Produkt seines Gehirns war, gibt uns Mut, uns diesen Dimensionen zu öffnen – ohne dass wir sterben müssen, denn wir können diese Zustände auch in der Spiritualität finden, im Gebet und der Meditation. Wir sind nicht zufällig auf diesem Planeten. Alexander schreibt: »Die physische Seite des Universums ist ein Staubkörnchen im Vergleich zu seinem unsichtbaren, spirituellen Teil.« (119)

Oft versuchen wir, uns und die Welt aus einem Rahmen heraus zu verstehen, der zu begrenzt ist. Der Rahmen, den wir als Referenz nehmen, ist oft die materielle, irdische Existenz. Alexander hingegen hat in seiner Nahtoderfahrung höhere Welten kennen gelernt, die er kurz als den »Himmel« bezeichnet. Dies macht es ihm möglich, seinen Referenzrahmen zu vergrößern und das Leiden der Menschen vor einem anderen Hintergrund zu verstehen. Wie oft stehen wir in unserem Leben vor Enttäuschungen oder einem Scherbenhaufen und können nicht erklären, wie es dazu kam.

»Mein Bewusstsein, mein wahres Selbst bahnte sich einen Weg zurück in den viel zu engen und einschränkenden Anzug der physischen Existenz mit seinen raum-zeitlichen Grenzen, seinem linearen Denken und seiner Beschränkung auf die verbale Kommunikation – Dinge, die ich bis vor einer Woche für den einzigen Existenzmodus gehalten hatte, die sich jetzt aber als außerordentlich sperrige Einschränkungen erwiesen.« (161)

Da wir mehr sind als unser materieller Körper und unsere materiellen Bedürfnisse, können diese uns nicht wirklich zufrieden stellen. Wir suchen den Sinn in diesen materiellen Vollkommenheiten, zum Beispiel in schönen Bauern­höfen mit kontrolliert biologischer ­Ernährung oder einer geschlechtlichen Partnerschaft. Diese Dinge liegen im Außen, und obwohl sie förderlich für unser Wohlbefinden sein können, sind sie dennoch von sehr zeitweiliger und begrenzter Wirksamkeit. Wenn wir obendrein die inneren Bedürfnisse unserer Seele ignorieren, sind Enttäuschungen und Verluste vorprogrammiert.

»Während ich im Koma lag, hatte mein Gehirn aber nicht nur unzureichend gearbeitet. Es hatte überhaupt nicht gearbeitet. Der Teil meines Gehirns, der, wie ich in den Jahren an der medizinischen Hochschule gelernt hatte, für den inneren Aufbau der Welt verantwortlich war, in der ich lebte und mich bewegte, und dafür, dass ich die Rohdaten, die über meine Sinnesorgane hereinkamen, zu einem sinnvollen Universum zusammensetzen konnte, dieser Teil meines Gehirns war am Ende. Dennoch war ich am Leben und bei Bewusstsein, wirklich bei Bewusstsein in einem Universum, das vor allem von Liebe, Bewusstheit und Realität geprägt war. Diese Tatsache war für mich einfach unbestreitbar. Ich wusste es so unzweifelhaft, dass es weh tat.« (177)

Wenn wir uns also nur mit der materiellen Ebene, mit unserem materiellen Körper identifizieren, können wir diesen höheren Sinn nicht erkennen. Wir müssen uns auf die Suche nach unserem spirituellen Anteil machen.

Gefühl und Wissen

Das Wichtigste, was Alexander in dieser Erfahrung lernt, ist die Liebe (104). Tatsächlich ist die spirituelle Erfahrung eine gefühlte Erfahrung. Alexander erkennt dies nicht bewusst und stellt es auch nicht dar, aber ich finde, in seinem Buch wird deutlich, wie elementar die Ebene des Gefühls auch in den spirituellen Sphären wirkt. Meine These hierzu ist mittlerweile, dass es beim Sein überhaupt nur um das Fühlen geht. Das Fühlen ist der höchste Sinn unserer Existenz. Alexanders Erfahrungen sind geprägt von Liebe und von Wissen, aber insbesondere die Gefühle, die er in den niederen und höheren Ebenen hat, prägen sein Erleben – Gefühle von Lieben und Geliebtsein, Zugehörigkeit, Ekstase, Freude, Erstaunen, Begeisterung. Wir sind fühlende Wesen.

Die materielle Wissenschaft klammert alle diese Bereiche aus. Aus Alexanders Perspektive liest sich das wie der Filter des physischen Gehirns, das die nicht-physischen Bereiche der Realität mangels geeigneter Rezeptoren nicht wahrnimmt. Unser Blick auf die Dinge ist durch unsere materielle Identifizierung verstellt. Gleichwohl ist seine Situation als Wissenschaftler genial. »Wir müssen mehr von jenem größeren Wissen wieder erlangen, während wir hier auf der Erde leben, also während unsere Gehirne voll funktionsfähig sind.« (106) Gerade die Erfassung der spirituellen Erfahrungen im physischen Körper erscheint ihm das Bedeutsame zu sein. Er plädiert für die Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität. Dafür, so Alexander, habe er dieses Buch geschrieben.

Ich kann dies nachvollziehen und unterschreiben. Es liegt eine eigene Qualität in der Verbindung der spirituellen Erfahrungen mit den physischen Seinszuständen, und erst dieses Amalgam vermag wohl die Ganzheit des Seins zu umfassen.

Spiritualität

»Wir – die spirituellen Wesen, die gegenwärtig unsere im Laufe der Evolution entwickelten sterblichen Körper und Gehirne bewohnen, das Produkt und das Erfordernis der Erde – treffen die wirklichen Entscheidungen. Wahres Denken ist keine Sache des Gehirns. (…) Wahres Denken ist vorkörperlich. Es ist das Denken hinter dem Denken (…)« (122) Alexander hat eine größere Perspektive gewonnen, eine Perspektive, von der er sich getragen fühlt. Es ist »die tiefe und beruhigende Wahrheit zu wissen, dass unser ewiges spirituelles Selbst realer ist als irgendetwas, was wir in diesem physischen Bereich wahrnehmen, und dass es eine gött­liche Verbindung zur grenzenlosen Liebe des Schöpfers hat.« (198) Letztlich hat Alexander die Spiritualität erfahren. Sie ist kein intellektuelles Konzept oder eine logische Schlussfolgerung von ihm, sondern eine Erfahrung. Erst mit dieser Erfahrung der spirituellen Dimension ordnet sich alles in der richtigen Relation! Wir sind ewige spiri­tuelle Wesen in einer vergänglichen ­materiellen Welt, die mit Gott in ­Verbindung stehen.


Abb: © AnnaPa – Fotolia.com

Literaturnachweise:
Dieser Text ist ein Auszug aus dem umfangreicheren Aufsatz gleichen Titels, der in Tattva Viveka 56, ­August 2013, S. 32-43, und Tattva Viveka 57, November 2013, S. 24-31, erschien.
Zu beziehen bei www.tattva.de 

 

Dr. med. Eben ­Alexander: »Blick in die Ewigkeit. Die ­faszinierende Nahtoderfahrung eines -Neurochirurgen«, ­Ansata Verlag, ­München 2013

8 Responses

  1. Friedrich Nietzsche

    er war nie hirntot, sonst wär er nie wieder aufgewacht. Nur weil man einen „Traum“ nicht erklären kann, muss es nicht der Beweis eures Wunsches nach dem Lebens nach dem Tod sein.
    Deja vu:
    Damals dachten die Leute, dass Gott die Blitze schickt und heute dieses Hirngespinst!!!

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    • Textone
      Armseliges Leben

      @ F.Nitzsche

      Hallo,

      das muss ja wirklich ein sehr armseliges Leben sein, wenn man die Welt als Materialist sieht. Schade, dass du auf diesem Niveau leben musst und keine Perspektive auf ein „Sein danach“ hast. Ehrlich gesagt würde ich mir an deiner Stelle ganz schnell einen guten Strick kaufen und diese trübselige Welt schleunigst verlassen. Deiner Meinung nach ist deine Existenz ja ohnehin auf die paar Jährchen begrenzt, die dir auf diesem Planeten bleiben – so kannst du ja auch gleich die Fliege machen. Macht bestimmt keinen Unterschied ein solch sinnentleertes Dasein weiterhin zu führen.

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  2. Ingrid

    ich werde mir das Buch kaufen. Auch ich hatte ein Nahtoderlebnis, allerdings konnte ich die Dinge nicht in Worte fassen. Ich bin nah an den Erzählungen, denn ich habe sie auch erlebt. Ich freue mich auf das Buch.

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  3. c

    hallo oliver Kascher!

    ich bezeichne gerne Gefühle als Emotionen – vom unbeständigen Teil unseres Seins getrieben

    und das Gefühl als unser Gefüge – das Grundgefühl unseres momentanen Seins – vom dahinterstehenden pure self

    lg christian

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  4. Stefan Wehmeier

    „Sollte es irgendwelche Götter geben, deren Hauptanliegen der Mensch ist, so können es keine sehr bedeutenden Götter sein.“

    Arthur C. Clarke

    Das Leben im Paradies ist nicht ein hypothetisches „Jenseits“ nach dem biologischen Tod des Einzelmenschen (davon steht nichts in der Genesis; es ist nur eine Lüge der Priester), sondern das wahre Leben für alle lebendigen Menschen nach dem geistigen Tod. Der geistige Tod entstand aus allen Lügen, die bis heute von Priestern verbreitet wurden, um die wirkliche Bedeutung der Erbsünde aus dem Begriffsvermögen des Volkes auszublenden. Der geistige Tod betrifft die ganze halbwegs zivilisierte Menschheit bis zum Jüngsten Tag, an dem sich die Wahrheit für alle Menschen enthüllt. Die Überwindung des geistigen Todes ist die Auferstehung. Danach beginnt das ewige Leben; nicht aber ein hypothetisches „ewiges Leben“ des Einzelmenschen, sondern das reale Leben der ganzen Menschheit in absoluter sozialer Gerechtigkeit, allgemeinem Wohlstand und ewigem Weltfrieden:

    Einführung in die Wahrheit

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  5. Funny

    Dr. Eben Alexanders Buch ist seit über einem halben Jahr mein ständiger Begleiter. Er liefert den Beweis der Unsterblichkeit der Seele.
    „Der Mensch muss lernen, eine unbegrenzte, nicht auf die Erde beschränkte Existenz zu führen.“
    Eben Alexander hilft uns nun dabei:
    Heranbildung eines neuen Menschen, der nächsthöheren Evolutionsstufe. Bewusstsein der eigenen Unsterblichkeit, durch ein Selbstverständnis als geistiges, nicht physisches Wesen. Unvergänglichkeit führt zu Unverletzlichkeit und vollkommener Handlungsfreiheit, zu Überwindung des Leides und schließlich Freude in allen Verhältnissen.
    Menschen, die sich als Seelen, als unvergängliche, geistige Wesen verstehen, können vollkommen selbstlos handeln. Sie arbeiten nicht für den persönlichen Vorteil, sondern für die Durchsetzung von Idealen wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Schönheit und Liebe. Das kann die Welt verändern.

    sa ta na ma

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  6. Oliver Kascha

    Unbedingt empfehlenswert ist hier natürlich auch das Buch von Robert A. Monroe „Der Zweite Körper“. Hier gibt es eine ähnliche These über das „Gefühl“, „Gefühle“ und „Empfinden“, wie von Ronald Engert hier aufgestellt wird.
    Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob man hier noch ein bißchen feiner differenzieren sollte. „Gefühl“ (Singular) und „Gefühle“ (Plural) sind nach meinem Sprach- und SinnGEFÜHL nicht einfach so in einen Topf zu werfen, sie sind aber sehr wohl in benachbarten Töpfen zu Hause. Für Leute, die im Denken feststecken, ist es vielleicht nicht so erheblich, hier zu differenzieren, denn es geht für sie hauptsächlich darum, mehr direkte Erfahrungen zu machen. Andere aber (z.B. Gurdjieff) betonen gerne, dass da ein Unterschied ist.

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