Den Problemen im Alltag mit Gefühl begegnen, dem Mitmenschen Empathie entgegenbringen – der Clown zeigt uns, wie wir das Leben leichter nehmen können

Tastenden Schrittes betritt der Clown die Bühne. Neugierig schaut er sich um in seiner neuen Welt. Oh, eine weiße Feder – da, am Boden! Er nimmt sie behutsam auf und blickt fragend zu den Zuschauern – und wieder zur Feder. Wer hat sie wohl verloren?

Im Blickkontakt mit seinem Publikum wird der Clown lebendig. Intuitiv aus dem Moment heraus tritt er zu anderen Menschen in Beziehung. Es geht ihm nicht so sehr darum, was er tut, sondern vielmehr darum, wie er es tut. Er steigt aus dem Zug der linearen Zeit aus und tanzt mit dem gegenwärtigen Moment… Dafür braucht er eine starke Präsenz, muss wach in seinen Sinnen sein. Er plant nicht, aber er lehrt uns, die Welt mit neuen Augen zu sehen – mit seinen Augen. Er genießt Narrenfreiheit!

Der Clown bleibt nicht statisch. Er macht große Dinge klein, und kleine Dinge groß. Das geht, weil er einerseits ganz in sich zentriert ist, andererseits in Beziehung steht mit seiner Mitwelt. Aus seiner Naivität spiegelt er, was um ihn herum geschieht. Er wird selbst zur Feder, zur Freude oder zum Helden: Ihm gelingt die Anverwandlung von Objekten ebenso wie die alles Lebendigen.

Probleme als Geschenk

Da er in der magischen Welt des Augenblicks lebt, ist der Clown völlig von Kleinigkeiten eingenommen. Er spielt in Bildern und Vorstellungen, geht beweglich in der Welt des Dazwischen auf und ist offen für stete Veränderungen. Der Clown nimmt Konflikte gern an und erfreut sich an Problemen: Sie sind geradezu ein Geschenk für ihn, weil er seine Spielfreude darin ausleben kann. Er spiegelt das, was er wahrnimmt, ohne Wertung oder Urteil, sucht nicht nach Lösungen. Im Spiel können Lösungen intuitiv sichtbar werden – der Clown ist dann selbst überrascht!

Die Naivität des Clowns lädt uns ein, die Welt neu zu entdecken, indem wir ihr ohne Vorurteile oder Pläne begegnen. Wir lernen, erkundend vorzugehen, statt voreilig zu urteilen. Wie gerne behalten wir die Kontrolle! Jetzt aber dürfen wir loslassen, indem wir unsere Wahrnehmung verfeinern. Wir können uns dann wieder neu mit den Dingen verbinden, sie auf andere Art genauer verstehen.

Clowns sind sehr gut darin, völlig absurde und komplexe Ansichten über die Welt zu erzählen. Die Schwierigkeiten, die wir uns durch unentwegtes Interpretieren der Welt einhandeln, offenbaren sie uns im Spiel. Letztlich gewinnt aber der unerschütterliche Optimismus des Clowns und ermöglicht ihm, über eine Lösung zu stolpern. Wir können mit dem Clown lachen und darin unsere eigene Torheit erleben. Seine einzigen Regeln sind: niemandem wehtun und nichts beschädigen. Und: “Drop down from your head to your heart” – lass den Kopf los, wecke dein Herz!

 

Mut zum Sein

Clowns wenden sich stark den persönlichen und sozialen Aspekten in unserem Leben zu. Sie scheuen nicht davor zurück, dem Publikum in jedem Moment zu zeigen, was sie fühlen. Welche Vielfalt! Und sie erleben jedes Gefühl mit ganzem Herzen. Der Clown ist ein empathisches Wesen, denn er empfindet des Mitmenschen Freude, Leid und Staunen mit. Sensibel fängt er die Gefühle des anderen ein und macht sie sichtbar.

Das französische und englische Wort „courage“, vom Lateinischen „cor“ für Herz herzuleiten, meint Mut. Diese Herzensverbindung vom Gefühl zum Mut braucht der Clown, ja brauchen wir alle – den Mut zu sein, wer wir wirklich sind. Somit können wir uns selbst und dem Leben vertrauen. “Sich ein Herz fassen” ist eine innere Entwicklung. Es ist ebenso eine Einladung, die Ängste abzulegen, die uns davon abhalten, im “Hier und Jetzt” präsent zu sein.

Zwei Partner hat der Clown also: das Publikum – und seinen Körper, der ihm das Improvisieren in seinen Abenteuern mit emotionalem Ausdruck und Einfühlung sichtbar zu machen erlaubt. Er bleibt ganz bei dem, was ihm geschieht, ohne Sorge darüber, ob es Sinn ergibt oder das Richtige ist, was er gerade tut.

Selbstakzeptanz im Loslassen – Hingabe an die Spontanität

Die rote Nase des Clowns verändert den Spielenden und entbindet Kreativität. Der Narr in uns verleiht unserer Vorstellungskraft Flügel, und doch bleibt er mit beiden Füßen auf dem Boden. Der Clown knüpft die Fantasie an die Realität. Mit der kleinsten Maske der Welt kann er sich zeigen und verbergen zugleich, er wird  mehr er selbst, als er je ahnte… und kann sich an die Spontaneität hingeben.

Sein Ziel ist nicht, lustige Dinge zu tun, sondern er führt uns von oberflächlichen Erscheinungen sacht auf den menschlichen Grund. Hinter seiner Suche, seinem chaotisches Bemühen, der Hemmungslosigkeit… steht Selbstakzeptanz. Er kann loslassen und lädt uns ein, ihm darin zu folgen: Dies kann im Lachen eine heilsame Wirkung entfalten.

Indem er pathetische, poetische oder katastrophale Abenteuer auf der Bühne erlebt, kitzelt er unsere Lachmuskeln. Er entlarvt die Tücken des Alltags, wir erkennen uns wieder und das verschafft uns Erleichterung. Durch die Hingabe an eine Situation und das Ergreifen der darin liegenden Freiheit führt er uns nie in die Irre, sondern kostet das kreative Potenzial in seiner ansteckenden Spielfreude aus und verwandelt unsere Sorgen.

So gewährt er Einblicke in sein grenzenlos paradoxes Wesen zwischen Verletzlichkeit, Naivität, Staunen und Leben mit dem Scheitern.

Leben im Glück des Augen-Blicks

Wenn plötzlich ein Sonnenstrahl den Raum durchquert, empfindet und zeigt der Clown Glück, als ob dies die größte und schönste Sache wäre, die er jemals in seinem Leben gesehen hat. Clowns reagieren mit intensiven Emotionen auf Ereignisse, die den normalen Menschen oft trivial erscheinen. An ihrer echten Freude finden auch wir ZuschauerInnen Vergnügen und nehmen neue Erkenntnisse über das Menschsein mit.

 

Über den Autor

Avatar of Angela Hopkins

Angela Hopkins (45) ist Clownin und wurde in Bristol, UK, geboren. Sie wuchs teils in Großbritannien, teils in Deutschland auf. Mit nosetonose absolvierte sie in London ihre Ausbildung. 
Stets arbeitete sie auch pädagogisch, derzeit als Fremdsprachenlehrerin und Leiterin bilingualer Projekte mit Kindern in Potsdam. Angela bietet interne und offene Workshops in ganz Deutschland an.

Der nächste  “Courage to Be“ Workshop findet in Potsdam diesen Herbst in drei Modulen statt.
Anmeldung über die Website.

 



Eine Antwort

  1. Mathias Berner
    Wertschätzende Präsenz im Loslassen

    Welch wunderbar federleichter Text einer phantastischen Lehrerin. Wer an einem von Angela Hopkins geleiteten Workshop teilnimmt, bekommt ihre stützende wertschätzende Präsenz zu spüren, die so wohltut, wenn Kontrolle zurücktritt hinter das zu Entdeckende…
    Seminare mit ihr kann ich nur wärmstens empfehlen. Just do it: „Drop down from your head to your heart.“

    Antworten

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