Bild: © Pete auf PixabayDas Labyrinth als Symbol und Praxis im weiblichen Aktivismus 5. August 2024 von Mariados Passos Im Moment hören wir von allen Seiten, dass wir uns in einem tiefgreifenden Wandel befinden, aber wir haben keine Ahnung, was wir damit anfangen sollen oder was das eigentlich bedeuten mag. Wir hören, dass wir eine neue Geschichte brauchen, aber wir wissen nicht, wie wir dahin kommen. Wir haben einige Ideen, wie diese Geschichte aussehen sollte, aber auch hier finden wir als Kollektiv keine Wege, um dorthin zu gelangen. All das kann sich sehr herausfordernd anfühlen, denn neben den Veränderungen in der Welt da draußen, haben wir auch ständig Veränderungen in uns Selbst. Und wir, die Menschen als Spezie, finden es schwierig, uns zu verändern. Denn Veränderung bedeutet, aus der Komfortzone herauszukommen und sich mit diesem Raum des Nichtwissens auseinanderzusetzen. So landen wir in einem Raum, in dem wir viel mehr Fragen als Antworten haben. Erdzentrierte Spiritualität Ich trommelte, während die Frauen den Labyrinthpfad hinuntergingen. Ihre Augen waren mit einem Tuch bedeckt, was einen langsamen und dunklen Schritt-für- Schritt-Abstieg ermöglicht, bei dem das Ziel darin bestand, mit jedem Schritt die inneren Bereiche zu spüren, ergründen und sich mit ihnen rückzuverbinden. Wir befinden uns in einem Wald in der Nähe von Berlin. Das Labyrinth ist aus Steinen gebaut. Ein kleiner Bachlauf verläuft nahebei. Nachdem die siebte Frau ihren Abstieg gemacht hat, war ich nun an der Reihe. Ich delegierte die Aufgabe des Trommelns an eine andere Frau und begann mit dem Abstieg. Nachdem ich für diese 7 Frauen getrommelt hatte, war ich schon viel weiter, schon geerdet. Ja, für mich ist das Ziel des Labyrinthweges eher die Erdung in unserem Körper als eine Art Erleuchtung außerhalb des Körpers. Als ich im Zentrum angekommen war, verneigte ich mich in Ehrfurcht und Respekt vor diesem seit Jahrtausenden verwendeten Werkzeug erdzentrierter Spiritualität. Tief in mir selbst geerdet, fühlte ich mich als Teil des Waldes um mich herum und mit allem Leben verbunden. Das Gefühl der Freude und der Ermächtigung durchdrang mich ganz und gar. Vor allem war ich sehr dankbar dafür, diese Arbeit zu tun, für mich, für das weibliche Kollektiv, für die Welt… was für ein Privileg, dachte ich damals. Das Labyrinth als Werkzeug für psychologische und spirituelle Transformation kann eine Hilfe sein. Nicht um die schnellen Lösungen zu bekommen, die wir vielleicht wollen und bevorzugen, sondern um die Transformation von Innen her zu fördern, die wir in uns brauchen, damit wir mit den Transformationen der Welt um uns herum Schritt halten können. In Ruhe und Kraft. Die Begehung des Labyrinths kann uns sehr wohl dabei unterstützen, die richtigen Fragen zu stellen, denn sie kann, zusammen mit anderen Erdpraktiken, scharfe Klarheit, Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit bringen. Weibliche Geschichte, Große Mutter und Göttin Als Studierende der Weiblichen Geschichte – unserer Ahninnen der sogenannten “HerStory” statt History, der Geschichte der Großen Mutter/ Großen Göttin, die in alten Gesellschaften verehrt wird und von der ich in der Schule nie etwas erfahren habe, stieß ich auf Hoffnung und damit auf die Eröffnung eines Raums für Visionen und Ermächtigung. Als ich der Archäologin, Mythologin und Sprachwissenschaftlerin, Professorin und Gelehrten Marija Gimbutas zuhörte, öffnete sich für mich eine neue Welt. Plötzlich spürte ich in meinen Zellen, dass das fehlende Stück meines Frauseins direkt vor mir lag und ich es nie gewusst hatte. Da ich aus einem wissenschaftlichen, rationalen und dogmatischen akademischen Umfeld stamme und katholisch erzogen wurde, neigte ich dazu, in dieser wettbewerbsorientierten, produktiven und schnelllebigen Welt nicht immer einen Platz für meinen sensiblen Frauenkörper zu finden. Ich habe dann gelernt, dass in diesen frühen, pflanzlichen neolithischen Gesellschaften Frieden herrschte und die Menschen in Gemeinschaft lebten, die Frauen sehr nahe beieinander, nicht getrennt, sich gegenseitig unterstützend. Sie ehrten ihre Zyklen, waren mit ihrem Körper verbunden und im Land verwurzelt. Die Beziehung zum Land, zur Mutter, war heilig. Die Frauen gingen und sprachen mit der Autorität des Landes, weil sie wussten, dass sie genau wie Mutter Erde fruchtbar waren, dass die Mutter Erde ihre Zyklen hatte und auch sie ihre Zyklen hatten. Die Weisheit des weiblichen Körpers Und ich lerne immer wieder viele Dinge über diese friedlichen Gesellschaften, von denen ich denke, dass wir heute wunderbare Inspirationen bekommen können, aber am Wichtigsten sind für mich die Fragen, die auftauchen und die uns einen Faden geben können, mit dem wir etwas Neues weben können. Ich hörte den Diné-Aktivisten Pat McCabe in einem Interview auf Youtube fragen: Was ist die besondere Funktion dieses weiblichen Ichs? Könnte es sein, dass meine Biologie als Mensch mir Anhaltspunkte geben kann, um das Gedeihen des Lebens zu unterstützen? Wie bewege und spreche ich mit der Autorität von Mutter Erde? Wie richte ich mich nach ihren Gesetzen? Und sie fuhr fort zu antworten: In meiner Mondzeit (Menstruation) kann ich das tun. Dies war eine Praxis, die dem Volk der Frau genommen wurde, sagt sie, und dass wir sie unseren Töchtern und Enkelinnen zurückgeben sollten. Es geht schlicht um die Weisheit des Körpers. Vielleicht kann uns das Nachdenken über diese Fragen dabei helfen, mit dem Weben dieser neuen Geschichte zu beginnen? Und mit der Verantwortung, die Welt zu retten? Der Dalai Lama sagte 2009, dass „die westliche Frau die Welt retten wird“, und ich habe ein starkes inneres Wissen, dass er Recht hat, aber bevor ich die Welt retten kann, habe ich das Gefühl, dass ich zuerst mich selbst retten muss, oder zumindest auf dem Weg dahin. Den Aktivismus im Heiligen erden, eine Gemeinschaft aufbauen Und hier kommt das Labyrinth als eine starke Praxis ins Spiel. Denn in diesen erdzentrierten Praktiken, erden wir uns in Mutter Erde, wir steigen hinab zu ihrem Kern und in die Zellen und den Kern unseres Körpers, und dort kommen die Antworten her, dort sitzt die uralte Weisheit tief, in unserem Körper. Raus aus dem Tageslicht und den lauten Klängen und digitalen Welten, sondern in die dunkle Stille, die uns angeboten wird, wenn wir es wagen, innezuhalten und zuzuhören. Wenn wir es wagen, in die Stille und in Trance zu gehen, in die Verbindung. Und vielleicht ist dies das Radikalste, was wir heute tun können. Unseren Aktivismus im Heiligen zu erden, uns in unserer Beziehung zur Erde erden und das dann durch uns zu bringen, um Raum für positive Veränderungen zu schaffen. In der Zwischenzeit habe ich durch die erdzentrierten Praktiken, die ich anbiete, herausgefunden, was die Wissenschaft zu entdecken beginnt: dass es nicht um das Überleben des Stärkeren geht, sondern vielmehr um das Überleben des Kooperativen. Und dass es mir nicht gut gehen kann, wenn es dir nicht gut geht, dass unser Wohlergehen aneinander und an alles Leben gebunden ist. Auch wenn ich den vollständigen Weg zu dieser so dringend benötigten neuen Geschichte nicht kenne, weiß ich doch, was ich mir für mich selbst und für das weibliche Aktivismus-Kollektiv wünsche: dass wir uns weiterhin mit erdzentrierten Praktiken miteinander verbinden, eine Gemeinschaft aufbauen, uns gegenseitig anfeuern und unterstützen, uns das Neue vorstellen und in Aktion treten, um die Welt von dieser sicheren Basis aus zu retten. Auf diese Weise können wir die Konkurrenz leichter überwinden und uns für Zusammenarbeit und Gemeinschaft entscheiden. Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.