Durch eine außergewöhnliche Behandlungserfahrung war meine Neugierde geweckt und vor allem meine bedingungslose Bereitschaft mehr über intuitives Arbeiten zu erfahren. Ich wollte gezielt der Intuition begegnen und die eingegebenen Informationen empfangen und verarbeiten können.

Eckhart Tolle hat in seinem Buch „Jetzt, der Augenblick der Gegenwart“ den Raum zwischen den Gedanken beschrieben, die Stille. Dieses Buch wurde für mich zu einem Wegbereiter hin zum intuitiven Empfangen. Das was passierte, als ich ratlos und ruhig auf einem Stuhl neben meiner Patientin saß, habe ich in „Tolles“ Buch wiedergefunden. Es passierte nichts. Vor lauter Ratlosigkeit konnte ich nicht mehr denken und gab ich mich der Situation hin. Nun stand mir nichts mehr im Wege. Der Weg war frei , ohne Gedanken und ungetrübt , d.h. emotional neutral, dies ist generell die Grundvoraussetzung zum intuitiven Empfangen.

Um mit dem Körper zu kommunizieren, ist es nötig, offen zu sein und möglichst lange in dem Raum zwischen den Gedanken verweilen zu können. Es ist letztendlich ein Training der Aufmerksamkeit und der Konzentration. Der Körper teilt sich von Natur aus gerne mit, er ist urteilsfrei und offen. Wenn ich ihm ebenso begegne und mich auf Strukturen wie Nerven, Knochen, Organe fokussiere, ohne die Krankheit oder die Diagnose in den Vordergrund zu stellen, erzählt mir der Körper intuitiv seine Geschichte und was er braucht. Wenn ich mich allerdings an der Diagnose orientiere, so habe ich schon eine vorgefasste Meinung von dem, was möglich ist, und was nicht. Dann schränke ich den Körper in seinen potentiellen Möglichkeiten ein. Das Fachwissen über Diagnosen und Therapiemöglichkeiten ist während meiner intuitiven Behandlung jederzeit abrufbar, es darf die Behandlung jedoch nicht stören. Um eine klare intuitive Information zu empfangen, muss mein Kanal des Wissens frei sein.

Erfahrungsbericht

Während eines ganz normalen Arbeitstages, kam eine Patientin mit Rückenschmerzen in meine Praxis, die nicht angefasst werden konnte. Jedes Mal wenn ich sie zur Untersuchung berührte schlug sie reflexartig aus, so dass eine klassische Untersuchung nicht möglich war. Sie war sich ihres Ausschlagens bewusst, hielt es aber für normal, weil sie schon so lange damit lebte. Ich bat sie, sich auf die Behandlungsbank zu legen und setzte mich direkt neben ihr auf einen Stuhl. Ratlos und ruhig saß ich da, die Patientin schloss die Augen und wartete ab. Plötzlich öffnete sich fast wie von selbst meine Hand und es legte sich spürbar ein Organ der anwesenden Patientin hinein. Ich blieb mit meiner Aufmerksamkeit bei dem Organ und spürte, dass irgendetwas Außergewöhnliches im Gange war. Intuitiv folgte ich dem scheinbaren Verlangen des Organs, gehalten zu werden. Die Kommunikation zwischen dem Organ und mir verlief innerlich, über die spirituellen Sinne. Der Dialog war deutlich und fühlte sich echt an. So tat ich, was sich für mich stimmig anfühlte und hielt das Organ, ohne etwas damit zu machen. Während dessen verspürte ich ein Kribbeln in meiner Handfläche. Als das Kribbeln nachließ, verschwand auch das vorherige Verlagen des Organs gehalten zu werden. Daraufhin setzte ich das Organ mit einer entsprechenden Geste, mental zurück in den Körper. Diesen Vorgang wiederholte ich mit drei weiteren Organen, die sich wie das Erste, einfach in meine Hand legten. Dann bat ich die Patientin wieder aufzustehen und sich zu bewegen. Sie fühlte sich frei beweglich und gut. Zum Abschluss strich ich ihr vorsichtig über den Rücken und war gespannt was geschehen würde. Das reflexartige Ausschlagen und die Rückenschmerzen waren weg.

Dieses Ereignis veränderte meine Arbeitsweise grundlegend. Ich bin dieser Patientin sehr dankbar, dass sie mich mit dieser Herausforderung konfrontierte und ich die besondere Erfahrung machen durfte. Drei Jahre später suchte mich diese Patientin wegen anderen Beschwerden nochmals auf und berichtete mir, dass die Rückenschmerzen und die „Reflexe“ nicht wieder aufgetreten sind.
Dieses unerwartete Erlebnis öffnete mir die Türen zur Intuition, die mir seither eine Kommunikation mit dem Körper, jenseits von Krankheitsbildern und Funktionsstörungen ermöglicht. Dr. Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie, sagte sinngemäß: „ Krankheit kann jeder finden, die Kunst ist es, Gesundheit zu finden“.

Osteopathie und Fulkrum

Auch die Osteopathie beschreibt einen Raum der Stille, das „Fulkrum“. Das Fulkrum ist in der Biomechanik der Fixpunkt oder Dreh-und Angelpunkt um den sich eine Dynamik entwickeln kann. Anatomische Strukturen und deren Funktionen organisieren und orientieren sich an einem Fulkrum. Ist das Fulkrum außer Balance, hat das Einfluss auf die Qualität der Funktion und die der Struktur. Ein zu allen Seiten ausgeglichenes Fulkrum ist eine optimale Bedingung für körperliches Wohlbefinden.

In der osteopathischen Behandlung wird das Fulkrum im Patienten unterstützt, indem es unvoreingenommen wahrgenommen und fokussiert wird. Das ermöglicht dem umliegenden Gewebe, sich zu entwirren und in eine neutrale Spannung zurückzufinden. Dies geschieht aus dem Gewebe selbst, über die Aktivierung der Selbstheilungskräfte.
Desweiteren gibt es in der Osteopahtie auch ein spirituelles Fulkrum. Das spirituelle Fulkrum ist die urteilsfreie Offenheit und Aufnahmebereitschaft, die für die Begegnung mit Patienten unerlässlich ist. Wenn OsteopathInnen während der Behandlung im Fulkrum sind, sind sie frei von persönlichen Belangen und in der Stille präsent.

Mentale Palpation Die mentale Palpation hat sich durch mein konsequentes Trainieren der Präsenz in der Stille entwickelt.
Die Grundlage einer mentalen Behandlung ist die Aufmerksamkeit und die Konzentration. Gedankenfrei stelle ich mir vor meinem inneren Auge die zu behandelnde Region des Patienten vor. Die Vorstellung und die Behandlung finden innerhalb eines projizierten Abbildes des Patienten statt. Ich arbeite mental immer in einem projizierten Feld außerhalb des Körpers. In diesem Feld taste ich die anatomischen Strukturen mit meinen Händen ab und fühle mich hinein. So erlange ich einen ausführlichen Tastbefund und habe einen Eindruck über die Emotionalität des Gewebes. Die Behandlung erfolgt, indem ich mein Fachwissen und die intuitiven Aufforderungen imaginär als reale Handlung durchführe. Die Durchführung geschieht mit meinen Händen, die sich in der Luft (im Abbild) bewegen und Techniken ausführen. Alle physiotherapeutischen und osteopathischen Techniken wende ich im Alltag mental in meiner Vorstellung an. Die Herausforderung bei der Umsetzung besteht darin, den intuitiven Informationen zu vertrauen und sie bedingungslos anzuwenden. Gleichzeitig ist es wichtig, das mentale Arbeiten als real anzusehen. Dann ist es möglich, dass Realität neu entsteht.

Nicole Appel 

*Mentale Palpation, heißt wörtlich übersetzt: „geistig/vorgestelltes Berühren“.

Fotos: Eva Kaliwoda, sparkie / pixelio.de

 

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