von Tatjana Haas und Elgen Merklin

Wünsche zu haben und zu hoffen, dass sich diese auch erfüllen, scheint in unserem Leben normal zu sein. Bereits in der Kindheit fangen wir an, Wünsche zu entwickeln. Mit der Bildung der Ich-Identität übernehmen wir als Kinder, von den Erwachsenen vorgelebt, ihre Gewohnheiten und Wünsche. Die Begierde nach einem Objekt oder einem Ereignis, das jetzt noch nicht da ist, wird so geweckt und die Rituale in unserer Gesellschaft unterstützen dies. Der Weihnachtsmann soll mir den Wunsch erfüllen, der Osterhase oder die Zahnfee. Es sind Wünsche, die mich glücklich machen, mein Leben verbessern und wertvoller machen sollen. Wünsche zu haben gehört zu einem Ego-Ich offenbar dazu.

Natürlich wollen wir glücklich sein und denken, dass uns die Erfüllung der Wünsche in diesen Zustand des Glücks bringen kann. So verwenden wir viel Lebensenergie darauf, dass sich die Wünsche in der Zukunft erfüllen. Wir wünschen uns den Traummann, die Traumfamilie, das Traumhaus, das Traumauto, die Traumkarriere oder den Traumberuf, den Traumkörper, die Traumreise. Und so leben wir gedanklich in einem Traum, der uns, oder zumindest einen Teil von unserer Aufmerksamkeit, aus dem Jetzt in die Zukunft wünscht. Wir sind verwunschene Menschen, auf der Suche nach dem Glück und dadurch selten vollkommen präsent.

Der verwunschene Prinz und die böse Hexe

Die verwunschenen Figuren aus den Märchen, wie zum Beispiel der verwunschene Prinz aus „Der Froschkönig“, der Bär aus „Schneeweißchen und Rosenrot“ oder die sieben Schwäne spiegeln uns den Schrecken, der sich bei der Fokussierung auf die Wünsche verbirgt.

Es ist immer die böse Hexe, die den Prinzen in ein Tierwesen oder eine Schreckensgestalt verwandelt. Der Prinz steht für das vollkommene, wahrhaftige Mensch-Wesen. Doch wer ist die böse Hexe?  Es ist der Verstand, der sich stets etwas Schöneres als das Jetzt ausdenkt, Luftschlösser malt, gedanklich eine bessere Zukunft kreiert und dabei das vollkommene Sein im Jetzt missachtet.

So bin auch ich dieses verwunschene Wesen, das nicht sein wahres Sein leben kann, immer dann, wenn ich an Wünschen oder Vorstellungen, wie mein Leben noch besser werden kann, anhafte. Die böse Hexe ist mein Verstand und ich bin die verhexte Schreckensgestalt, die in einem Schrecken lebt. Dieser ist mir oft gar nicht bewusst. Ich bin die verhexte Schreckensgestalt, die in einem Schrecken lebt, der mir oft gar nicht bewusst ist. Ich habe mein vollkommenes Sein vergessen, wenn ich ignoriere, dass hier und jetzt alles bereits erfüllt, alles bereits gegeben ist. Ich bin nicht im Kontakt mit der Wirklichkeit, die immer nur jetzt ist. Die Anhaftung an den Wünschen holt mich aus der Präsenz. Ich lebe in einem Alptraum, wenn ich denke, dass mich Wünsche in der Zukunft glücklich machen.

Wenn Wünsche wahr werden

Ist mein größter Wunsch erfüllt, bin ich vollkommen glücklich. Oder doch nicht? Hält denn die Euphorie, die Empfindung dieses vollkommenen Glücks wirklich an? Oder zieht es sofort wieder neue Wünsche nach sich? Was passiert, wenn ich den Traummann, den ich mir so sehr gewünscht habe, nun an meiner Seite habe? Für einen kurzen Moment scheint es so, dass ich jetzt zufrieden sein kann. Doch im nächsten Moment fährt das Wunschkarussell weiter. Mein Traummann soll bei mir bleiben. Auf keinen Fall darf ich ihn wieder verlieren. Als nächstes wünsche ich mir ein schönes neues Zuhause für uns beide. Wenn das dann da ist, muss eine schöne Einrichtung her oder ein gemeinsamer Urlaub. Und auf gar keinen Fall sollen jetzt bei meinem Traummann Seiten zum Vorschein kommen, die ich nicht mag, oder gar ablehne, denn das würde ja meinen Traum sofort zum Platzen bringen. Womöglich wünsche ich mir als nächstes ein gemeinsames Kind. Das Wunschkarussell hört nicht auf. Vielleicht bin ich ja die Ilsebill aus dem Märchen „Der Fischer und seine Frau“, die immer weitere und größere Wünsche hat, sobald einer erfüllt ist. Ich bin das verwunschene Wesen, durch die Vorstellung, dass ein Objekt oder ein Ereignis in der Zukunft mich glücklich oder glücklicher macht. Dadurch bin ich nicht mehr in der Lage, das vollkommene Leben, das vollkommene Wesen, dass ich bereits bin, wertzuschätzen. Ich bin unruhig, angespannt, eng, und auf ein Objekt oder Ereignis in der Zukunft fokussiert. Ich bin abgelenkt, nicht wertschätzend dem Leben gegenüber, wie es jetzt in diesem Augenblick ist, ich blende die Vollkommenheit aus. Es ist der Alptraum.

Die Rückkehr zum wahren Wesen ist die Erlösung aus der Verwünschung

In den Märchen ist es oft der Kuss oder die Berührung mit der Prinzessin, die den Prinzen von seinem Zauber befreit und ihn wieder in sein wahres Wesen zurück verwandelt. Sie stehen symbolisch für die Berührung mit dem Weiblichen in mir, mit der Liebe, die ich in mir erkenne.

Wenn ich erkenne, dass die Anhaftung an der Wunscherfüllung schmerzlich und sinnlos ist, kann  Loslassen passieren und das ist wie ein innerer Kuss.

Die Erinnerung an das wahre Wesen, das ich bin, ist jetzt wach. Der Kopf ist im Einklang mit dem Herzen. Es ist die Berührung der Liebe in mir.  In diesem Zustand bin ich weich, hingebungsvoll und wertschätzend. Ich bin wahrnehmend, offen für die Wirklichkeit und erkenne, dass sie immer jetzt vollkommen ist. Das Leben ist ein strahlendes Wunder. Jetzt bin ich befreit aus dem Fluch der „Verwünschung“. Durch diese innere Berührung erübrigt sich jeder Wunsch

Jetzt bin ich wunschlos glücklich, ich bin angekommen. Das Glück, nach dem ich suche, ist in mir entdeckt. Das vollkommene, wahrhaftige Wesen, das ich bin, ist geboren.

 

 

 

 

2 Responses

  1. Asle Biegemeier
    Die Erfüllung der Wünsche ist das Speck in der Mäusefalle

    Wahre spirituelle Suche beginnt mit dem Erkenntnis dass die Wunscherfüllung eine Abhängigkeit ist. Vielen Dank für diese Klarheit

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  2. Uwe Rapp
    Entzaubert

    Da sitze ich auf einer Schatztruhe, wo schon alles drin ist, habe es aber vergessen. Danke für die Erinnerung, dass alles schon da ist und das Glück in und durch mich erfüllt ist.

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