von Sylvia Dahlheimer

Vertrauen beruht ausschließlich auf Erfahrung und die Tatsache, dass es auch missbraucht werden kann, gehört zum Leben. Wir wachsen daran und treffen Entscheidungen. Wer in seinem Leben schon einmal seelische und emotionale Grenzüberschreitungen in einer Weise erfahren hat, die verstummen lassen haben, weil es keine Worte dafür gegeben hat, weiß, wovon unsere Autorin spricht.

Vertrauen ist keine Diagnose, doch hat oftmals schwere Folgen

Wenn du den Konflikt vermeidest, um den Frieden zu bewahren,
beginnst du einen Krieg in dir. 
(Cheryl Richardson)

Ver“trauen“ zu können hat immer mit Kommunikation zu tun und mit der Kunst, im entscheidenden Moment die richtigen Worte zu finden. Wir wissen heute, und das prägt auch die Angst um unsere Kinder, dass man Worten nicht trauen kann. Worte werden eingesetzt, um zu verführen, um zu manipulieren, um zu kontrollieren, um zu heilen, aber auch um zu zerstören und in die Irre zu führen.

Worte können Waffen sein, vor allem für die Seele. Auch Kommunikationsentzug und Ignoranz sind an der Tagesordnung und zum Bestandteil des ganz normalen Lebens geworden; somit auch Angst, Stagnation und Unsicherheit.

Das vor allem auch in Familien. Die Macht und Konsequenz gesagter und ungesagter Worte ist uns heute bewusster denn je. Was dies mit der Psyche des Menschen macht, erleben wir täglich, auf unzähligen Kanälen. Eine bestehende Welt aus informativer und kommunikativer Verwirrung, verbaler Auseinandersetzung, unzähliger Diagnosen und grenzenlos geteilter Emotionen.

Es gibt wertvolle Behandlungsmöglichkeiten, um bittere Erfahrungen in Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen, um uns wieder als das wahrzunehmen, was wir einmal waren: Menschen, die wussten, was sie wollten, die sich trauten, zu fragen und durchaus selbstwertig waren. Keine Sorge, ihr Selbstwert ist noch da.

 

Unvorstellbare Stärke

Sehen wir die unglaubliche Stärke, die Menschen besitzen, sich eine unsichtbare Maske zulegen zu müssen? Menschen, die unsagbaren seelischen Schmerz ertragen und sich als selbstwerte Menschen dafür schämen, Manipulationen unterlegen zu sein? Machtlos zu sein? Sprachlos zu sein?

Menschen, die damit kämpfen, nicht mehr sie selbst zu sein, verrückt zu sein, nicht glauben zu können, was mit ihnen geschieht? Sind sie wirklich „verrückt“? Nein, sind sie nicht.

Mit der Frage „Warum gerade ich?“, verfängt es sie nicht selten in eine endlos erscheinende Spirale der Psychologie, in unverstandene Gefühle und Fragen, in Analysen, Selbstanalysen und letztendlich in Selbstzweifel, die krank machen können. Starke Menschen, die nicht blind vertrauen und gezwungen sind, nur noch dort zu trauen, wo man sie versteht.

Menschen, die nicht mehr erkennen, dass sie ihren Selbstwert behalten haben, weil er es war, der ihnen half, das zu überstehen. Doch wohin sollen sie gehen, ohne gefragt zu werden: „Warum hast du nicht eher gesehen?“

Nicht selten mündet das in Flucht oder gar Sucht nach verschiedensten Kanälen, auf denen man sich verstanden fühlt.

Die Lüge hieße nicht Lüge, wenn man sie sofort beweisen könnte. Betrug hieße nicht Betrug, wenn man ihn sofort offenbaren könnte. Narzissmus hieße nicht Narzissmus, wenn man ihn sofort erkennen könnte.

Die Existenz dessen liegt solange im Vertrauen, bis es sich realisiert. So ist Vertrauen nur ein Wort. Genau dort liegt auch die Macht des Kommunikationsentzuges, der heute gang und gäbe ist. Eine Standleitung des Irrealen, weil das Reale sich nie erweist und der Mensch in einem Gefängnis von Glauben, Warten, Hoffen statt Wissen  verweilt. Seelische Grausamkeit.

Das Wort Vertrauen realisiert sich nur im Erleben: Je größer das Herz, um so enttäuschender der Schmerz. Je ideell wertvoller ein gestohlener Schmuck, desto größer der Schmerz über dessen Verlust. Doch auch Worte können Waffen sein, und nicht wenige Menschen treffen sie mitten ins Herz.

Welches Schloss ist sicher genug, um vor Missbrauch zu schützen? Welcher Geist ist klug genug, um dies zu verhindern? Eine Mauer um sich selbst zu bauen, um künftige „Einbrüche“ zu vermeiden, kann nicht die Entscheidung sein.

Wir sind alle nur Menschen, denen trotz unendlichen Wissens- und Erfahrungsschatzes dennoch Gleiches widerfahren kann. Ja, der Schmerz dieser Grenzüberschreitungen muss behandelt werden, denn er hinterlässt gewaltige Spuren im Körper. Doch welchen Selbstwertes es bedarf, um das durchzustehen, das gilt es zu erkennen und stolz darauf zu sein. In der Hilflosigkeit zeigt sich heute die größte Stärke! Und dieses bedarf endlich der Sichtbarkeit.

 

Unglaublicher Respekt

Werden die Menschen überhaupt noch gesehen, die sich entschieden haben, in Verantwortung und Liebe zu ihren Kindern und ihrer Familie Grenzüberschreitungen bewusst zugelassen zu haben? Menschen, die unendlich viele eigene Grenzen in Liebe überschritten haben und am Ende einen Preis bezahlten, mit dem sie nicht gerechnet haben.

Fragt man diesen Menschen: „Warum hast du das getan?“ Welche Antwort soll er geben? Er hat gehofft, man würde sehen und man würde verstehen.

Ja. Auch der dadurch entstandene Schmerz braucht Behandlung. Doch die Entscheidung für die Familie braucht Anerkennung und Respekt! Und dort hin muss der Weg wieder gehen. Wir müssen uns wieder trauen, die Antwort „Ich hab es aus Liebe getan“, geben zu können, ohne das Gefühl zu haben, selbst schuld zu sein.

So wie unsere Großmütter und Großväter, die viele Opfer auch innerhalb ihrer Beziehung gebracht haben, ohne über eine „Opferrolle“ debattiert zu haben. Worte können Waffen sein. Und nicht wenige Menschen treffen sie mitten ins Herz.

Es braucht wahrhaft geführte Zweisamkeit, um mit allen Ängsten, Gegebenheiten und Emotionen der heutigen Zeit umzugehen. Das ist die größte Herausforderung der Gegenwart. Jede Medaille hat zwei Seiten. Doch es bleibt eine Medaille. Die neue Freiheit“, zu gehen oder zu bleiben, fordert zum Nachdenken auf, was wirkliche Freiheit ist! Die Einsicht in die Notwendigkeit, gepaart mit Liebe, gibt der Freiheit ein wahres Zuhause.

Ich habe kürzlich ein Zitat gelesen: „Das Schlimmste ist, wenn du jemandem blind vertraust und diese Person dir zeigt, dass du blind bist.“ Ich lese den Satz aus der Sicht eines Menschen, der sehr enttäuscht wurde und der wirklich kämpft. Es gibt keinen Menschen, der nicht kämpft. In jeder Phase unseres Lebens kann es geschehen und heute leider umso mehr, dass uns ein einziges Wort oder ein einziger Satz so tief trifft, dass es unsere Seele förmlich in Stücke reißt, mit Schäden, die sehr lange bleiben können. Denn Worte können wie Pfeile sein, selbst wenn sie unbedacht geäußert wurden. Wie oft werden Menschen heute damit einfach stehen gelassen. Werden kränkende Worte sogar bewusst eingesetzt, können sie zerstörend sein. Das kann uns jederzeit widerfahren. Dagegen ist niemand gefeit. Und wir erleben es täglich.

Wir leben in einer Generation, wo es umso wichtiger ist, etwas zu schaffen, was noch keine Generation vor uns geschafft hat: Die Kommunikation soll im Außen gewaltfrei sein! Doch: „Wenn du den Konflikt vermeidest, um den Frieden zu bewahren, beginnst du einen Krieg in dir.“ (Cheryl Richardson)

Und dieser Krieg macht krank. Noch nie brauchte es so viele Therapeuten wie heute. Dieses Zitat ist somit treffender denn je. Dieser innere Krieg muss ein Ende haben, dann wird auch das Außen gewaltfreier sein. Es ist ein Teufelskreis, der nun langsam aber sicher die Grenze erreicht. Die Grenze, wo sich Gewalt in zunehmend aggressiver Kommunikation und Kommunikationsentzug zeigt und die Behandlungsbedürftigkeit im psychischen und körperlichen Bereich steigt. Wir sind grenzenlos frei. Grenzenlos frei im Ausdruck und grenzenlos frei im Verletzen, und wir kämpfen gewaltfrei darum, Grenzen zu setzen. Gerade im Kindesalter, genügt ein zutiefst kränkendes Wort, das so tief sitzt, dass das Kind sofort wehrlos ist und sich mit Worten nicht verteidigen kann. Wenn das Kind sich dieser Kränkungen nicht entziehen kann und nur noch schweigen oder „lieb“ sein kann, um der verbalen Gewalt in Form von Angriff oder Ignoranz zu entgehen, ist die Basis für Mobbing gelegt. Kränkungen verletzen die Seele. Es ist emotionale Gewalt. Was bleibt, ist der innere Kampf, den das Kind nur noch in sich selbst austragen kann. Und so beginnt das Alleinsein.

Wer weiß das besser als jeder betroffene Erwachsene. Kränkung ver“schlägt“ die äußere und innere Sprache, weil es die Grenzen des emotional Erträglichen sprengt. Doch wohin mit dem Schmerz, wenn die Sprache verschlagen ist. Nach „Zuhause“, wo man das Ungesagte in den Augen lesen kann. Seit Jahren bringen wir die Folgen unserer Vergangenheit und die schmerzhaften Verletzungen aus unserer Kindheit zu Therapeuten. Seit Jahren versuchen wir, Konflikte anders zu lösen, als viele unserer Eltern. Aber schaffen wir es?

 

Unfassbar starke Kinder

Es gilt hinzusehen. Es gilt stehen zu bleiben. Denn unsere Kinder öffnen uns die Augen für das, was wir immer suchten, und was auch sie unbedingt brauchen, auf dem Weg in ein glückliches Zuhause.

„Papa, was würdest du tun, wenn man dich unentwegt beleidigt und du nichts Böses sagen darfst, nicht schlagen darfst und nicht weglaufen darfst?“

Ist Ihre Antwort Ohnmacht? Schauen Sie hinein, in die Kommunikation zwischenmenschlicher Beziehungen, Familien und Partnerschaften, wo man sich kaum noch traut, etwas zu sagen, um nicht in Auseinandersetzung zu geraten. Und schauen Sie sich die aktuellen Lösungswege an. Sind es andere, als sich zurückzuziehen und zu schweigen, um Auseinandersetzungen zu vermeiden? Weil wir nicht weiter wissen und genau diese Ohnmacht Gegenstand ist. Wo kein Platz mehr bleibt für Leichtigkeit und sich die psychologischen Praxen mit verzweifelten Menschen füllen. Auch mit unseren Kindern. Sind es andere Lösungswege, als mit sich allein den Kampf auszutragen, um den Frieden zu bewahren? Nein. Und diese Tendenz ist steigend. Wir bewegen uns im Nichtverstehen, im Missverstehen, im Auseinandergehen, im Überspielen, im Schweigen, im Vermeiden von Fragen. Haben keine Nerven mehr im Umgang mit den gleichen Problemen, wie sie auch unsere Eltern hatten: Ängste, Sorgen, Alltag, Stress. Vor dieser Herausforderung stehen wir: Alles kann im Leben geschehen. Doch es endlich zu schaffen, ein Zuhause zu haben, wonach wir uns immer gesehnt haben, kann durch keine Psychologie der Welt ersetzt werden. Denn wahre Freiheit ist, dass alles passieren darf, doch nichts passieren kann – wo gelebte Freiheit in Sicherheit ist. Wir wollen Bestrafung und äußere Gewalt vermeiden. Solange wir nicht imstande sind, uns zu entschuldigen: für den Gebrauch von Worten in emotionaler Verzweiflung, zu entschuldigen für das Ignorieren der Bitte des anderen, für Missachtung der Gefühle des anderen und für die Wahl des Schweigens, statt zu antworten, bleiben wir gefangen im zerstörerischen Kreislauf zwischen Macht und Ohnmacht. Es braucht keinen Ratgeber, was Liebe ist! Es braucht einen nie gekannten Umgang mit Emotionen und das Vorleben von wahrer Gemeinsamkeit in der Partnerschaft. Auch Freunde haben Konflikte.IGehen dabei Anstand, Respekt und gegenseitiger Wertschätzung verloren? Nein. Wo geht man hin, um Freude und Leid zu teilen? Zu seinem besten Freund. Man teilt seine Sorgen. Bespricht sie bis in die späte Nacht, bis man die Lösung gefunden hat. Und dann wird anstrengend, aber zusammen, der „Müll“ rausgebracht. Kinder leben, was sie sehen. Und werden es so und nicht anders mit in ihr Leben nehmen. So kommunizieren und reagieren sie und lösen ihre Konflikte nicht anders als ihre Vorbilder: Sie suchen ihr Glück zunehmend im Außen. Die Angst, zu verlieren, was nicht mehr greifbar ist, ist grenzenlos. Deshalb beantworten Sie die bereits gestellt Frage nun zusammen:

„Papa, Mama, was würdet ihr tun, wenn man euch unentwegt beleidigt und ihr nichts Böses sagen dürft, nicht schlagen dürft und nicht weglaufen dürft?“

Bleiben Sie stehen und finden Sie die Antwort in sich. Der Umschwung kann nicht von heute auf morgen geschehen. Aber vielleicht fangen wir heute damit an, damit Kinder sich in Anstand und Würde begegnen und eine neue Form der Kommunikation und des Miteinanders entsteht.

Verlassen Sie den Teufelskreis von Gewalt und Zerfall, um in Sicherheit frei und glücklich zu sein. Jahrelange Suche und Selbstanalyse, darüber, dass wir so sind wie wir sind, mit dem Fazit, wie tiefgreifend Worte und überholte Erziehungsmethoden sein können, sollte zu einer Erkenntnis geführt haben: es gemeinsam besser zu machen.

Niemand hat je gelernt, was heute nötig ist! Weder Frau noch Mann. Für viele ist es ein Quantensprung. Leben Sie, was Sie selbst vermisst haben! Konzentrieren Sie sich nicht auf das, was diese Ohnmacht mit sich gebracht hat: den verzweifelten Drang nach nie da gewesener OFFENER Kommunikation, wie wir sie uns von unseren Eltern gewünscht hätten, um sie nicht länger im Außen suchen zu müssen.

Bleiben Sie stehen und lernen Sie, wie man sich in Liebe auseinandersetzt. Und Sie werden sehen, wie einfach es ist, die richtigen Worte zu finden und sowohl Licht und Schatten des Alltags in Anstand und Würde zusammenzubringen, wie die beiden Seiten der Medaille, die zusammen gehören, ob wir wollen oder nicht. Auch Lehrer und Erzieher werden wieder Freude an ihrer Arbeit haben, denn sie werden in glückliche Kinderaugen schauen. Ja, wir haben Angst. Auch alle Generationen vor uns hatten Angst.

Die Moral der grenzenlosen Freiheit stellt uns das höchste Bewusstsein frei, das Erkenntnis heißt. Es ist die einfache Sprache: „Ja, ich liebe meine Kinder. Und Ja, ich brauche diesen Menschen, um glücklich zu sein, weil ich ihn von Herzen liebe.“ Allein diese Worte können nun aufgespalten werden, bis ins kleinste Detail, hinsichtlich Autonomie und Abhängigkeit und Behandlung eigener Angst und innerer Einsamkeit. Man kann den Worten aber auch ihre Einfachheit lassen und ihnen den Wert zurückgeben, den sie einmal hatten. Auch das ist Freiheit. Und das verbindet. Was kann es Schöneres geben, als dass zwei Menschen zueinander sagen: „Ich brauche dich. Ich dich auch.“ Ohne sie analytisch zu hinterfragen. Offene Kommunikation von Gefühlen und das Erlernen des Umgangs mit Emotionen sind die größte Herausforderung und das Samenkorn unserer Zeit. Das hat noch keine Generation geschafft. Also lassen Sie uns das Kommunikationsproblem unserer Vorfahren lösen. Sie werden es sich danken. Und Ihre Kinder Ihnen auch. Denn wir haben alle nur ein Herz, das nicht mehr verletzt werden will.