von Hanna Salzer und  Christiane Baubkus

In alten Familienkontexten und Dorfgemeinschaften saßen alte und junge Frauen sowie Mädchen regelmäßig beisammen, gaben sich Wissen über Generationen weiter und berieten sich. Das war die Grundlage für den Fortbestand der Gemeinschaft, der Familie und der Welt. Auch heute wollen (junge) Frauen in ihrer Würde und Selbstachtung stehen und darin wirken. Den meisten Frauen fehlen jedoch Austausch und Vorbilder. Den Autorinnen ist es ein Anliegen die Kreise, in welchen Frauen sich austauschen und beraten, wieder zu beleben. Denn sie sind der Meinung, dass unsere Gesellschaft u.a. deshalb im Ungleichgewicht ist, weil Frauen ihre Visionen zu wenig ernst nehmen. Frauenstimmen sind noch zu leise und werden nicht wahrgenommen. Die Mondhütte kann Frauen dabei unterstützen, ihre Visionen zu erkennen und schrittweise damit nach außen zu gehen. Die Mondhütte stärkt Frauen, gibt ihnen Mut, ihre Stimmen wieder zu erheben und sie lauter werden zu lassen.

 

Mondhütte – Was ist das?

Mondzeit – Menstruation – Regel, viele Namen für den größten Reinigungsprozess, den der Körper von sich aus einleitet. Diese regelmäßige Transformation tragen wir Frauen als Geschenk, verbunden mit den zyklischen Bewegungen des Mondes, in uns. In den alten Kulturen ehrten und feierten die Frauen gemeinsam diese Zeit. Sie zogen sich in die Mondhütte oder das Mondzelt zurück, um gemeinsam Rituale und Zeremonien zu gestalten, ihr Wissen zu teilen, sich gegenseitig zu stärken, zu träumen und Visionen für ihren Stamm zu empfangen. Wenn wir diesen besonderen Raum der Blutung wieder ehren, müssen nicht Stress und Schmerzen diese Zeit bestimmen, sondern es können Ruhe und Frieden in uns Platz finden.

 

Im Inneren der Mondhütte

In der Mondhütte sitzen wir gemeinsam im Kreis, wir haben uns gutes Essen mitgebracht, eine Kerze brennt in der Mitte. Wir beginnen unser Zusammensein mit einem Lied, um dann mit einem Redekreis fortzufahren. Jede Frau erzählt wie es ihr gerade geht, welche Themen sie gerade beschäftigen. Alle hören der jeweiligen Frau genau zu, wie sie aus dem Herzen spricht, es wird nicht unterbrochen, oder etwas erwidert.

Nach dem Redekreis folgt ein offenes Gespräch über Themen, welche uns alle betreffen oder berühren. Hier öffnet sich auch der Raum für Fragen, Ideen, Anregungen und Beratungen. Mit einer kleinen Zeremonie und einigen Liedern beenden wir die Mondhütte. Wir kehren gestärkt und auch mit neuen Gedanken und Erkenntnissen in den Alltag zurück.

 

Zuerst Stärken und Verbinden

Im Redekreis: spreche ich von mir, erzähle, was in meinem Leben geschieht. Ich werde von den anderen Frauen wahrgenommen mit meiner Erzählung und mit meinem aktuellen Zustand. Ich darf so sein wie ich bin: traurig, wütend, ängstlich, ich darf lachen und weinen, ich darf gemein sein und glücklich. Es gibt niemanden, der mein Gesagtes kommentiert oder mich für etwas verurteilt, da sitzen Frauen, die mir aufmerksam zuhören. Dadurch, dass ich mein Eigenes ausspreche und mich so annehme wie ich bin, entsteht Selbst-Akzeptanz, Selbst-Achtung und Selbst-Annahme. Habe ich gesprochen, höre ich jeder einzelnen anderen Frau zu und gebe ihr meine ganze Aufmerksamkeit. So entsteht ein Feld von Verbindung, Wertschätzung und gemeinsamer Kraft, das uns nährt und aufatmen lässt.

Dadurch, dass ich den anderen Frauen genau zuhöre, mit ihnen fühle und sie ganz wahrnehme, erkenne ich oft eigene Probleme und Fragen in den Erzählungen der anderen Frauen wieder. Es entsteht Verbindung und Themen können relativiert werden: „Ach ihr geht es auch so!“. Unterschiedliche Lebensbereiche werden angesprochen: “ Ich erinnere mich, so habe ich mich unter der Geburt auch gefühlt.“ oder “ So werde ich bei einem nächsten Treffen auch mit meiner Mutter sprechen.“  Klarheit und Leichtigkeit im Umgang mit den Dingen, die mich beschäftigen, aber auch mit den Themen der anderen Frauen entstehen. Diese Kreise in der Mondhütte schaffen einen geschützten Raum. In diesem Raum kann jede Frau sich stärken, mit anderen Frauen in tiefe Verbindung gehen und so selbstbewusst und klar in ihren Alltags-Kontext zurückkehren.

 

Vom Inneren der Mondhütte in die Außenwelt gehen

Es ist eine uralte Kraft von uns Frauen, Visionen zu empfangen: für uns selber, für die Familie, die Gemeinschaft in der wir leben, für die Gesellschaft und die Welt. In der Mondhütte üben wir Frauen unsere innerste Wahrheit zu finden, sie zu stärken und dann nach außen zu tragen. Wir müssen in einem ersten Schritt für uns selber sorgen, um überhaupt genug Kraft zu haben, uns um andere zu kümmern. Sind wir gestärkt genug und umsorgen uns selber, ist der nächste Schritt, unsere Familien und Gemeinschaften zu unterstützen. Wenn wir auch hier eine gute Position gefunden haben, welche uns erfüllt, können wir noch einen Schritt weiter gehen um größere gesellschaftliche Themen anzugehen.

Die Mondhütte ist ein guter Ort, um all diese Aspekte kennen zu lernen: gut mit sich zu sein, um Gemeinschaft zu stärken und dann in der Welt zu wirken. Wir lernen uns selber wahrzunehmen, uns zu wertschätzen, uns zu ehren, um diese Werte dann auch in die Gesellschaft tragen zu können. Es gilt also uns bewusst zu machen, dass wir die Stärke des eigenen Nährens brauchen, um Visionen aktiv in die Welt zu tragen. Das schützt uns davor, dass wir ausbrennen und unnötig Energie ins Außen geben, obwohl wir sie erstmal im Innen brauchen. Selbstfürsorge ist nachhaltig!

 

Vom Ich zum Wir – ein Beispiel

Ich erinnere mich: Für mich war der Beginn meiner Reise zu mir, in der Mondhütte zu entdecken, dass ich in der Phase meiner Menstruation eigentlich Raum und Zeit für mich brauchte. Also, erster Schritt: für mich sorgen, meinem Mann die Verantwortung für die Familie übergeben und mich aus dem Alltag nehmen. Vielleicht erstmal nur für eine Meditation am Tag, dann für einen Mittagsschlaf, später für eine Nacht allein.

Weil ich mich gestärkt genug fühlte, war ein nächster Schritt, in der Mondhütte zu teilen, dass es mir eigentlich nicht so gefiel, wie wir in der Familie kommunizierten. Das löste aus, dass andere Frauen auch über ihre Familien sprachen. Gemeinsam suchten wir dann nach individuellen Lösungen. Nach dieser Mondhütte führte ich in meiner Familie regelmäßige Redekreise ein. Sich in der Familie bewusst in einem klar gesteckten Rahmen zuzuhören, verbesserte die Gesamtstimmung bei uns im Alltag.

Das „gut für mich Sorgen“ beinhaltet Rückzug, Selbstfürsorge, aber auch, mich regelmäßig mit Frauen auszutauschen und im Kreis zu sein. Die Stabilität in meiner Familie wirkt durch neue Kommunikation mit meinen Kindern und meinem Partner, aber auch dadurch, gemeinsam mit anderen Familien in Kontakt zu sein. So entstehen Erfahrungsaustausch und Toleranz: Diese ersten beiden Schritte, für mich gut zu sorgen und die Stabilität in meiner Familie wieder herzustellen, ermöglichten mir in einem dritten Schritt: nach außen zu gehen. So sitze ich jetzt da und schreibe diesen Artikel, den ihr alle lesen könnt. Im Sommer werden wir unser erstes Frauenfestival organisieren. Der Fokus liegt darauf, Frauen mit ihren tiefsten Visionen in Kontakt zu bringen. Auf die weiteren Wege, Kreise und Entwicklungen bin ich gespannt.

 

Neue Mondhütten bilden

Für eine Mondhütte braucht es tatsächlich nicht viel an Material, an Vorbereitung und Wissen. Es braucht eine Frau, die den Raum zur Verfügung stellt, die Frauen einlädt, einen leckeren Tee kocht und den Abend etwas strukturiert. Aus unserer Erfahrung geschieht Verbindung unter Frauen, wenn wir aus unseren Herzen sprechen, an so einem Abend von alleine. Die wichtigen Themen, die jede Einzelne mitbringt, sind oder waren in ähnlicher Form für alle anderen Frauen auch schon einmal relevant. Ob es die Beziehungen sind, die Frage nach Selbstverwirklichung, nach Entspannung, den Umgang mit den Kindern oder Sexualität, wir alle haben zu diesen Themen schon Erfahrungen gesammelt und können diese nun austauschen. Und das hilft!

 

Nächster Termin: 26. – 30. Juni 2021 Familienzeit

Eine Antwort

  1. Gerhard
    Schön - aber nicht traditionell!

    Sehr schönes Zeremniell, sinnvoll und nährend für die Frauen, heilsam und stärkend.
    Nur eines sollte nicht immer wieder aufgewärmt werden: der Anspruch, an alte Traditionen anzuknüpfen. Älteste vieler Indianerstämme betonen immer wieder, dass es diese Tradition so nie gegeben hat – es gab keine Mondhütten, zumindest nicht in Nord-Amerika!
    Aber es braucht ja auch diese vermeintiliche Anbindung an Traditionen nicht, um etwas Neues, Sinnvolles zu erschaffen!
    Mit den besten Wünschen
    „ein Mann“ 😉
    Gerhard

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