von Daniela Schuchardt

Das religiöse Gebot „Du sollst nicht töten“ gibt Ausrichtung für eine friedliche Welt, für friedliches Leben. Jedoch hören damit die Kriege, das sich Bekriegen und Töten der Menschen, nicht auf. Dass Kriege immer wieder stattfinden, macht mich wütend, hilflos, und es macht mir Angst.

Warum lässt das Göttliche, das eigentlich das Leben erschaffen hat, diese zerstörerischen Kriege mit all dem daran geknüpften Leid zu?  – Wenn ich Kriegsbilder sehe, frage ich mich, wo das Göttliche darin sein soll. Es ist mir nicht ersichtlich.

Warum töten sich die Menschen gegenseitig? Genauer betrachtet, würden doch wahrscheinlich die Menschen niemals außerhalb eines Krieges absichtlich einen anderen oder sich selbst töten. Das Gebot erscheint in Zeiten von Kriegen wie eine leere Phrase. Diese Fragen und Zweifel beschäftigen mich schon so lange ich denken kann. Hat dieses von mir zutiefst abgelehnte Kriegs-Geschehen etwas mit mir zu tun? Die Anerkennung der Spiegelung weist mir den Weg und lässt mich Antwort finden.

Die Umkehr von der Christin zu Christus – Selbstbetrachtung im Spiegel der äußeren Welt

Was bedeuten Zerstörung und Töten in den Kriegen in Bezug zu mir selbst? In der Anerkennung der Spiegelung ist die Außenwelt der Spiegel meiner Selbst-Verletzung. Verhaftet in der Gedanken-Überzeugung, „Ich bin ein Körper“ bin ich damit beschäftigt, für das körperliche Überleben, die Sicherheit des Körpers und für seine Bedürfnisse zu sorgen. Mit dem Körper identifiziert, nehme ich mich als getrennt von allem Leben um mich herum wahr und ich bin in erster Linie um meine persönliche Sicherheit besorgt und bemüht. In Kriegszeiten wird mir das besonders bewusst, denn ich sehe mein Überleben bedroht, die Welt erscheint mir gefährlich und es entsteht gedanklich sofort die Angst um das persönliche Überleben. In dem erlebten Getrennt-Sein möchte ich mich schützen oder sogar mein persönliches Leben verteidigen. 

In diesem Denken bin ich mitten im Krieg: Schutz, Verteidigung, Kampf. Somit bin ich eine Kriegerin. Ich trenne mich von der Welt ab, schütze mein Persönliches oder greife sogar an, wenn ich mich in meinem persönlichen Bereich gefährdet sehe.

Die Überzeugungen, körperliche Unversehrtheit, Sicherheit und Wertschätzung haben zu wollen, machen mich zur Kriegerin. Wenn ich das nicht kriege, macht mich das panisch und hilflos und in der Folge verhalte ich mich sehr egoistisch, indem ich nur noch mein persönliches Leben sehe und dieses gedanklich und praktisch absichern möchte. In der aktuell drohenden Gefahr eines Krieges überlege ich sofort, ob ich mir einen sichereren Lebensort suchen sollte. In dem Moment bin ich nur auf mich fixiert und anderen gegenüber völlig ignorant, ich sehe die anderen Menschen gar nicht mehr. Mein Schutz- oder Schützengraben ist gedanklich schon gegraben.

Es war mir bisher nie bewusst, zu welch egoistischem, kriegerischem Denken ich fähig bin. Das, was ich in der Welt im Kriegsgeschehen ablehne und verurteile, tue ich selbst. Nun erkenne ich, was Jesus mit diesen Worten meint: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“

Davon, dass ich dasselbe tue, bin ich tief in mir berührt, Tränen des Schmerzes fließen, die gleichzeitig Tränen der Liebe sind. Mitgefühl für die Menschen in den Kriegen breitet sich in mir aus für deren Schmerz, der in meinen Überzeugungen derselbe ist. Es gibt keinen Unterschied zwischen dir und mir.

Im Bewusstseinsprozess wird mir klar, dass die Überzeugung ein Körper zu sein, und alles, was sich daran gedanklich koppelt, schmerzliche Glaubenssätze sind, die zerstörerisch sind. Die Ursache des Leidens und der Selbst-Zerstörung ist in mir selbst erkannt.

Die Lösung des Zweifels ist Innen

Ist die Ursache des Schmerzes erkannt, beginnt die Loslösung des schmerzlichen Denkens. Im Bewusstseinsprozess in der Hinterfragung des Glaubenssatzes „Ich bin ein Körper / Ich brauche Sicherheit“ offenbart sich mir in einer inneren friedlichen Stille das, was ich wirklich bin. In dem Erkennen, dass ich nicht der Körper bin, ist plötzlich das da, was ich wirklich bin – Bewusst-Sein.

Ich bin – ewiges Leben, ewiges Sein, liebendes Sein, Wahrheit, Freude, Frieden.
Ich bin das. – Ich bin.

Die Erkenntnis dessen, was ich wirklich Selbst bin, erlöst mich aus der Gier des Kriegenwollens in ein friedvolles Sein. JETZT bin ich vollkommen. Dieser unmittelbare Kontakt zu dem vollkommenen Bewusst-Sein ist ein Zustand des inneren Friedens in zarter, freudiger Lebendigkeit. Hier hört jede Zerstörung auf, da das Wunder des Lebens, das ich bin, in sich selbst erkannt ist. Was ich selbst bin, erkenne ich nun in dir. Du bist das, was ich selbst bin.

In diesem Zustand des Eins-Seins ist es unmöglich, lieblos oder zerstörerisch zu sein. Die Selbst-Erkenntnis ist somit Erlösung und Befreiung aus der Selbst-Zerstörung, der Selbst-Tötung.

Ein religiöses Gebot kann diese Erkenntnis und das Ende des Tötens nicht erbringen. Ohne das Wissen, woher der Schmerz wirklich kommt, bleibt das Gebot lediglich ein theoretisches Konstrukt. Wenn ich jedoch in dem Gebot „Du sollst nicht töten“ den Hinweis zu mir selbst erkenne, hat es seine Aufgabe erfüllt. Auf diese Weise führt es mich nach Innen, wo die Suche nach dem Göttlichen endet, wenn das berührbare, liebende Wesen, das ich bin, erwacht.

 

 

 

 

3 Responses

  1. Karin Karina Gerlach
    Dankbarkeit

    Ein offenbarender Text. Voller Einsicht und Mitgefühl. Er nährt die Dankbarkeit, die ich bin.
    Mayakarina

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  2. Nanea Tschäni
    Töten weil ich meinen Schmerz nicht aushalten will

    Viele Tötungsdelikte beruhen darauf, dass der Mörder seinen Schmerz nicht aushalten will oder glaubt ihn nicht aushalten zu können. Es erscheint leichter für ihn den Feind zu töten, Rache zu üben oder statt sich ohnmächtig zu fühlen durch die Tat machtvoll zu sein. Die Auseinandersetzung findet im Außen statt – die Auseinandersetzung mit sich selbst fehlt.
    Die Identifikation mit Glaubenssätzen wie:
    „Ich brauche es recht zu haben“
    „Jemand hat mich verletzt“
    „Ich muss einem Befehl gehorchen“ (Soldat)
    „Meine Frau/Mann ist mein Besitz“ (Eifersucht)
    bewirken Gewalt.
    Jeder hat unüberprüfte Glaubenssätze und der damit verbundene Schmerz wird betäubt z.B. durch schöne Gefühle, man will damit möglichst nicht konfrontiert werden und ist damit gewalttätig gegen sich und andere.
    „Du sollst nicht töten“ verstehe ich als Aufruf – Es ist keine Lösung Leben zu vernichten um Erleichterung zu haben.
    Es wird nicht funktionieren. Frieden, Erlösung ist nur durch hinschauen bei sich selbst zu verwirklichen durch die Frage – Ist das wahr was ich da glaube?

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  3. Juliane Kammerl
    Danke

    Berührt! Schön zu wissen, dass der Friede schon da ist und ich ihn aufsuchen kann!
    Danke 🙏🏻

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