Kaum ein buddhistisches Konzept wird so häufig im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet und gleichzeitig so missverstanden wie das Konzept des Karma. “Karma ist ein Miststück” – “Karma regelt das schon!” – “Ich werde bestimmt als Käfer wiedergeboren”, sind nur einige von vielen Redewendungen, die das Karma beschreiben. Oft wird Karma dabei als eine Art Belohnungs- oder Bestrafungssystem verstanden, durch dass uns das Universum eine Rückmeldung über unsere Taten gibt.

Karma wird durch die christliche Perspektive missverstanden

In unserer vom Christentum geprägten Gesellschaft, haben wir einen Blick auf das Leben gewonnen, der von Belohnung und Bestrafung geprägt ist, von Sittenhaftigkeit und von Sünde, von gut und schlecht. Diese Sicht auf die Welt ist so tief in uns verankert, dass wir es oftmals gar nicht wahrnehmen. Denn über Jahrhunderte wurde unserer Gesellschaft eingebläut, dass Gott, unser Vater, uns zwar den freien Willen gegeben hat, aber am Tag des jüngsten Gerichts über unsere Taten richten wird und somit entscheidet, ob wir ins Fegefeuer oder ins Paradies kommen.

Wenn Menschen aus der christlichen Kultur dann von Karma sprechen, tun sie es häufig aus der christlichen Weltsicht heraus. Sie nehmen an, dass man umso mehr Glück erlebt, je mehr gute Taten man vollführt. Oder es sie glauben, dass eine schmerzliche Erfahrung das Karma für eine vorhergegangene Missetat ist. Das eigene Karma sei Schuld für die Erlebnisse und häufig gibt es das Gefühl, dass das Universum einen für die schlechten Taten verurteilt und für die guten Taten belohnt. Ersetzen wir dabei nicht nur das Wort “Gott” durch das Wort “Karma”?

Was Karma wirklich ist

In den vom Buddhismus oder Hinduismus geprägten Kulturen kommt ein solche Sicht auf die Welt nicht vor. Zum einen, weil es das Konzept der Sünde nicht gibt und zum anderen, weil Dinge nicht einfach nur gut oder schlecht sind. Natürlich wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch in asiatischen Ländern von guten und schlechten Dingen gesprochen, aber auf einer tieferen Verständnisebene wissen die Menschen, dass auch eine schlechte Sache ein gutes Ergebnis bringen kann und vice versa. Lesen Sie die Geschichte vom Bauern und seinem Pferd, um diese Idee noch ein bisschen besser zu verinnerlichen. Gut und schlecht sind nur Wertungen, die unser Verstand den Dingen gibt, aber sie haben nichts mit der Realität zu tun, sondern sind abhängig von unserer eigenen Perspektive. Wenn sie etwas für schlecht halten und ich halte es für gut, ist es im Wirklichkeit weder gut noch schlecht. Es ist einfach was es ist.

Das Leben ist ein lautes Echo.

Und so ist auch Karma weder gut noch schlecht. Karma bedeutet “Tat” oder “Wirken” und beschreibt lediglich, dass es auf jede Aktion eine Reaktion gibt. Karma lädt uns dazu ein anzuerkennen, dass alle unsere Handlungen Auswirkungen haben. Jede Entscheidung, die wir treffen, wird zu einem Ergebnis führen. Wenn wir uns mit einem Gedanken beschäftigen, eine Emotion ausleben, einem Wunsch nachgeben oder eine Handlung ausführen, hat das einen Welleneffekt – wir setzen eine Sache in Bewegung, die sich in unserem Leben auswirken wird und im Leben der Menschen um uns herum. Nach dem Verständnis von Karma hat jede unserer Handlungen einen Effekt auf das ganze System.

Bei Karma zählt die Absicht – nicht das Ergebnis

In den buddhistischen Lehren über Karma ist die Absicht hinter unseren Handlungen von unglaublicher Bedeutung.

Handlungen, die mit tugendhaften Absichten unternommen werden, lassen die Samen des Glücks und der Liebe in unserem Leben wachsen. Handlungen, die aus der Absicht zu schaden oder aus Gier, Hass oder Egoismus entstehen, werden Leiden erzeugen. Und auch hier werden alle unsere Handlungen alles um uns herum beeinflussen.

In einfachen Worten bedeutet dies: Wenn Sie über eine Wiese laufen und dabei unbeabsichtigt 10 Ameisen tot treten, erzeugen Sie kein schlechtes Karma. Aus Sicht der buddhistischen Psychologie leben wir im Samsara, einer Welt in der Leiden existiert und damit unvermeidbar ist. Es ist also normal, dass Ihre Handlungen Leid verursachen. Wenn Sie jedoch eine Stubenfliege mit Ihrer Fliegenklatsche erschlagen, dann kreieren Sie negatives Karma, denn Sie haben die Absicht das Tier zu töten. Obwohl wir also im Samsara leben, müssen wir nicht mehr Leid erzeugen als nötig.

Karma bietet uns die Möglichkeit zur Weiterentwicklung

Teil der buddhistischen Lehre über Karma ist, dass wir auf persönlicher Ebene ständig bestimmte Lebenssituationen anziehen, die wir durch unsere früheren Absichten und Handlungen gesät haben. Dabei ist es aber nicht so, dass Handlung A zwangsläufig zu Resultat B führt. Es gibt keine Art Bußgeldkatalog und Buddhisten gehen selbst davon aus, dass das Karma von Taten aus früheren Leben auch erst in diesem Leben heranreifen kann. Das heißt wir erleben jetzt das Resultat für eine Tat von vor fünf Leben. Aber dieses Karma kommt nicht als Bestrafung oder Belohnung zu uns zurück, sondern vielmehr, um uns dabei zu helfen, weiter aufzuwachen und unsere Herzen zu öffnen.

Wie jemand mit uns umgeht, ist sein Karma.
Wie wir darauf reagieren, ist unseres.

Karma hilft uns dabei unsere selbstzentrierten Muster zu erkennen und liefert uns die Lebensumstände, die uns dabei helfen, unser Herz zu öffnen. Die inspirierende Botschaft von Karma ist, das wir mit allem verbunden sind und dass unsere Handlungen einen entscheidenen Einfluss auf unser Leben und auf das aller anderen hat. Es hilft uns dabei Verantwortung für unser eigenes Glück zu übernehmen, aber auch für das der anderen. Alle unsere Taten sind wichtig und können die Qualität unseres Lebens entscheidend verändern, indem wir den Weg von Güte, Verbundenheit und Wohlwollen gehen.

Über den Autor

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Diplom-Psychologin in eigener Onlinepraxis seit 2014.

Studium mit Schwerpunkt »Klinische Psychologie« an der Universität Potsdam, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Buddhistische Therapeutin & Achtsamkeitstrainerin. Studium des Buddhismus u. a. in Indien und Begegnung mit dem Dalai Lama 2015. Vortragstätigkeit u. a. in der Schweiz und in Malaysia. Wenn Carolin Müller nicht durch die Welt reist, lebt sie in Potsdam. 2019 veröffentlichte sie mit ihrem Kollegen Nadim Mekki die Buchreihe »Buddha to go«.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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