Mein Erwachen und die damit verbundene einjährige Erfahrung eines andauernden Satori-Zustands aus dem ich unsanft wieder zurück in die Dualität gefallen bin, weckten in mir die Sehnsucht einen Weg zurück in das All-eins-Sein zu finden. Die Satori-Erfahrung über einen Zeitraum von einem Jahr aufrecht zu halten war mir möglich, da die Zeit meines Zivildienstes geprägt war von Stille, Einsamkeit, Einfachheit sowie Freiheit von allen menschlichen Pflichten und Aufgaben. Ein Alltag fast wie in einem Schweigekloster.

Die intensive Konfrontation mit Menschen nach einem Jahr riss mich aus meinem meditativen Zustand und ließ mich erst rückblickend erkennen, dass ich das vergangene Jahr in einem Ausnahmezustand verbracht hatte. Die Erinnerung daran ließ mich nicht mehr los. Ich erkannte im Nachgang die Illusion meiner Ängste, Gedanken, Sorgen und all meiner Emotionen, die Illusion meines Ichs, die Qualität von Bewusstsein, die Realität der Realisation von Gedanken in Materie, die allumfassende Liebe und die Erfahrung des All-eins-seins – und ich konnte klar empfinden, dass ich davon wieder getrennt war. Was blieb war eine Sehnsucht, die nun viel konkreter war als die wohl den meisten Menschen bekannte Sehnsucht „nach Hause zu kommen“, nach dem göttlichen Zustand, dem inneren Frieden oder nach Erlösung. Von nun an suchte ich einen Weg zurück zu meinem inneren Frieden und nach Erleuchtung. Nach und nach bemerkte ich in Momenten des absichtslosen Begegnens mit anderen Menschen, dass ich für kurze Augenblicke Zeit und Raum zu transzendieren schien und wieder einen Zustand des All-eins-Seins realisierte. Diese Form der Begegnung bezeichne ich als Begegnung in der „Haltung der Liebe“ und sie wurde zur Grundlage meines Lebens und Arbeitens.

Immer wieder traf ich auf Menschen, die sich auf eine ähnliche Suche gemacht hatten wie ich selbst und immer wieder wurden mir die Fragen gestellt, wie sie einen Weg zu sich finden und zu einem inneren Frieden finden könnten und wie sie sich diesen Frieden in der Interaktion mit der Umwelt und im Alltag bewahren könnten. Das brachte mich dazu einen Weg aufzuzeigen, der in jeder Begegnung, in jedem Moment und in jeder Alltagssituation geübt, gelebt und erlebt werden kann.

Im Folgenden werden drei Kernschritte auf diesem Weg zum inneren und äußeren Frieden kurz umrissen und dargestellt, wie sich innerer Frieden in unserem Verhalten niederschlägt.

 

Schritt 1:

Wenn wir unsere (kindlichen) Traumatisierungen heilen, lösen sich unsere Emotionswellen auf und wir bekommen wieder Zugang zu unseren Gefühlen.

Als erstes geht es darum Emotion und Gefühl zu unterscheiden. Emotionen sind angestaute Gefühle aus unserer Kindheit, die keinen angemessenen Ausdruck gefunden haben und bei denen wir nicht in der Lage waren die durch das Gefühl angezeigten Bedürfnisse wirksam zu stillen oder andere zu bewegen unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Eine Emotion ist also immer eine Reaktion auf ein Erlebnis in der Vergangenheit und steht nur bedingt in Bezug zur aktuellen Situation. Sie ist ein Ausdruck unserer schmerzlichen Sehnsüchte, die aus innerem Mangel und Not in der Kindheit entstanden und in unserem Körper gespeichert sind. Sie zeigen, wie stark unsere ständige Suche ist und sie sind Ursprung unserer inneren Unruhe, die uns veranlasst Verhaltensweisen zu leben, um damit andere Menschen zu einem bestimmten Handeln uns gegenüber zu bewegen. Emotionen sind verbunden mit Schuldzuweisungen, Unverbundenheit, Erschöpfung, Ohnmacht, Opferhaltung und Einsamkeit.

Über den Zugang zu unseren Sehnsüchten können wir uns die dahinterliegende Verletzung oder Traumatisierung erschließen und durch körperlichen Ausdruck und Blockadenarbeit die gestauten Emotionen abbauen. Die Emotions-Wellen klingen langsam ab und unsere Sehnsüchte werden stiller und stiller. Wir bekommen wieder Zugang zu unseren Gefühlen – die eine Reaktion auf gegenwärtige Situationen sind. Gefühle sind unemotional. Gefühle machen uns lebendig und bringen uns in unseren Körper. Sie sind gekennzeichnet von Verbundenheit und Selbstverantwortung und schaffen Nähe. Unwohle Gefühle sind Hinweise, dass wir nicht gut für uns gesorgt haben und angenehme Gefühle sind Hinweise, dass wir gut für unsere Bedürfnisse gesorgt haben.

 

Schritt 2:

Inneren Frieden erreichen wir, wenn wir in der Lage sind unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen und uns wirksam darin erleben sie zu befriedigen

Der Zugang zu Gefühlen macht es nun (im Gegensatz zu Emotionen) möglich unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen. Meine Erfahrung zeigt mir, dass wir nur relativ wenige grundlegende Bedürfnisse haben. Sie fallen in meinen Augen in die Kategorien:

  • Frieden/Harmonie/Stille/Dasein erleben/Ruhe/Autonomie
  • Nähe/Verbundenheit/Geborgenheit/Zugehörigkeit
  • Freiheit/Lebendigkeit/Ausdruck/Spiel/Kreativität
  • Schöpferisch sein/Gestalten/Erschaffen/Wirksamkeit/Lernen

Identifizieren wir über ein unwohles Gefühl ein Defizit in der Befriedigung eines unserer Bedürfnisse, sind wir nun in der Lage dieses Bedürfnis auf verschiedenen Wegen zu befrieden. Dabei macht es für uns keinen Unterschied, ob wir uns innerlich selbst unseren Bedürfnissen zuwenden und sie stillen oder ob wir dafür in Begegnung mit anderen Menschen gehen und unsere Bedürfnisse im Austausch mit anderen befriedigen.

Da wir nun nicht mehr aus der inneren Not unserer ungestillten Sehnsüchte handeln, verlieren unsere Handlungen den Druck und die damit verbundene Gewalt uns selbst und anderen Menschen gegenüber. Unsere Gefühle stellen ja im Gegensatz zu unseren Emotionen keine Bedrohung mehr dar. Sie sind nicht mehr mit unseren existentiellen Ängsten verbunden wie wir es einst erlebt hatten, als unsere Bedürfnisse als Kinder nicht gesehen oder angemessen beantwortet wurden. Unser Handeln ist dann getragen von einer inneren Ruhe und einer Gelassenheit im Außen. Die Frage unserer Wirksamkeit im Außen ist nicht mehr „kriegsentscheidend“ für unser inneres Gleichgewicht. Wir müssen nichts mehr durchsetzen, bestimmen, unbedingt erreichen, erkämpfen, bezwingen.

Wir haben auch nichts mehr zu verteidigen, weil Verletzungen durch andere nicht mehr unsere Hilflosigkeit oder innere Not auslösen. Eher sehen wir die Not und Ohnmacht der Menschen, die uns zu verletzen suchen. Es gibt nichts mehr zu verteidigen oder abzuwehren, da die Verletzungen der anderen auf keine Identität mehr treffen. 

Wir erkennen nun auch wieder unsere tiefen Impulse, die aus unserer Bestimmung kommen und können diesen schöpferischen Impulsen Ausdruck verleihen und sie auf unterschiedlichste Weise realisieren. Wir haben die Wahl sie in unserem schlichten Dasein wirken zu lassen oder ihnen einen Ausdruck durch Worte und Taten zu geben.

Wie handelt nun ein Mensch im inneren Frieden?

Für die meisten Bedürfnisse in den oben genannten vier Kategorien brauchen wir nicht viel Materielles. Aber Materielles kann die Befriedigung unserer Bedürfnisse auch ermöglichen. Ich bin schlicht weg nicht mehr darauf angewiesen ob ich etwas habe oder nicht. Es obliegt meiner freien Wahl, ob ich in einem bestimmten Moment mein Bedürfnis durch inneres Handeln oder äußeres Handeln befriedige. Einmal wähle ich dann die Stille und die innere Zuwendung zu mir, ein anderes Mal werde ich schöpferisch und erreiche durch meine Taten das innere Gleichgewicht. Ein Mensch in seiner Mitte wird beides zur gleichen Zeit realisieren können und kann frei wählen. Er kennt kein „Ich muss“ mehr sondern ein „ich kann“ oder „ich bin“. Durch seine innere Balance oder Harmonie und seinen inneren Frieden und die Liebe wird er nicht gegen Ungleichgewicht und Disharmonie oder gegen Krieg und Gleichgültigkeit angehen sondern er wird einen Raum schaffen, in dem seine inneren Qualitäten Gestalt annehmen. Dieser Raum kann auch andere einladen, kann aber auch nur für ihn allein da sein.

 

Schritt 3:

Wenn wir lernen bedingungslos zu lieben, können wir urteilsfrei auf uns und unsere Umwelt blicken.

Wir lernen bedingungslos zu lieben, wenn wir die erlösten Schattenanteile wieder in unsere Persönlichkeit integriert haben. Dafür ist es notwendig, dass wir im ersten Schritt unsere Identifizierungen mit unseren Persönlichkeitsmustern bewusst wahrnehmen, deren Schutz- und Abwehrfunktion begreifen. So erkennen wir unsere Projektionen und Übertragungen auf unsere Mitmenschen und bekommen Zugang zu unserer Hilflosigkeit und Wut, und zu unserer Angst und Trauer. Wir erkennen in unseren Urteilen über andere Menschen unsere eigenen abgelehnten Anteile. Gelingt uns deren Annahme in uns, löst sich die Identifikation mit unseren Mustern auf.

Im zweiten Schritt erkennen wir dann auch noch unsere Schattenanteile, also die Muster unserer Persönlichkeit, mit denen wir uns des-identifizieren. Die wir leugnen und von uns weisen und die uns zu großem Teil vollkommen unbewusst sind. Gerade diese Persönlichkeitsanteile sind der Schlüssel für unsere Heilung im Sinne von Ganz-Werdung bzw. All-eins-Werdung. Wir werden in der Tiefe unserer Ängste unserem Schatten begegnen. Bringen wir ihn ans Licht, lösen sich unsere Urteile von selbst auf. Wir erfahren Verbundenheit und Versöhnung. Gelingt es uns die Qualitäten unseres Schattens in erlöster Form zu integrieren, entfaltet gerade unser Schatten unser wahres Potential und wir sind nur noch Licht – wir sind erleuchtet.

Die Aufgabe besteht nun darin die abgespaltenen Anteile in ihrer erlösten Form zu integrieren. Aus der unbewussten Verachtung und Verdammnis wachsen die Fähigkeiten zu Abgrenzung und Autonomie. Aus unbewusster Übergriffigkeit und Selbstbetrug werden Verbundenheit und Vertrauen. Aus unbewusster Macht und Egoismus entstehen Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung. Aus unbewusstem Ausgeliefertsein und Abhängigkeit entwickeln sich die Fähigkeiten zu Hingabe und Geborgenheit.

Auswirkungen auf unser Verhalten

Wenn wir alle abgespaltenen Persönlichkeitsanteile integrieren können, wird unser Handeln frei von Manipulation und Zweck. Wir handeln bedingungslos und haben keinen Erwartungsdruck in unserem Handeln. Unser Handeln erlaubt uns nun ein Sowohl-als-auch in unserem Sein: z.B. Hingabe und Verbundenheit bei gleichzeitiger Abgrenzung und Selbstverantwortung. Ein Mensch, der so handeln kann, hat die inneren Widersprüche überwunden und erkennt, dass gerade erst durch die Integration der scheinbaren Gegensätze ein authentisches und freies Handeln möglich ist. 

Wenn wir es schaffen mit uns selbst in vollkommener Liebe zu sein, dann sind unser Denken und Handeln Gleichnis der Liebe und des Friedens.

In allem, was wir tun, werden wir dann unseren inneren Frieden bestärken und in unsere Umwelt Frieden bringen. Egal ob wir feiern, arbeiten, in Stille sind, ruhen oder gar für etwas kämpfen – unser Dasein und Handeln wird friedvoll sein.

 

Termine:
Abend der offenen Tür im Heilzentrum Leppin am 24.09. um 17.00 Uhr
Engeltreffen mit Katrin Martens, Wochenendseminar: 23. – 25.10. 2015
„Der westliche Weg der Erleuchtung“ Vortrag mit Heiko Kroy am 04.12.2015 um 20.00 Uhr

Über den Autor

Avatar of Heiko Kroy

Dipl. Psychologe und Vorstand
mannaz – Dasein erleben e.V. 
Dipl. Psychologe und Vorstand mannaz – Dasein erleben e.V.
17349 Leppin, Schloßweg 3
Telefon: 039 66 – 24 999 44

– Seit 2004 Vorstand und Mitbegründer des Vereins mannaz – Dasein erleben, zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung
– Offene Seminare, Vorträge, Workshops und offene Abende sowie die Organisation des jährlichen „Pilgerwegs der Begegnung“ in Deutschland
– Seit 2007 eigenes Seminarzentrum in Mecklenburg-Vorpommern
– 2010 erste Buchveröffentlichung: „Geh-Danken von Heiko Kroy“ im Eigenverlag von mannaz
– Seit 2012 Mitherausgeber der Zeitschrift „Mit Leib&Seele“



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