Begrenzt unser Wissen und Glauben uns so sehr, dass wir Heilung ohne es zu wissen verhindern? Wir stellen uns selbst, mit allem was wir wollen, der Heilung in den Weg. Durch Hingabe werden wir auf Passivität reduziert, die den Weg für Neues frei macht. So kann ich aktiv nichts für Heilung tun, außer aufzuhören ihr im Wege zu stehen.

In meiner Osteopathie-Praxis war es von Anfang an mein Wunsch, mehr stattfinden zu lassen, als die reine Anwendung von Techniken. Ich wollte immer allen Symptomen und Erscheinungsbildern auf den Grund gehen, ihre Ursache aufspüren. Ich pflegte die Hoffnung über das angeeignete Fachwissen Lösungen zu finden. Tatsächlich hat sich mein Radius in Methoden und Behandlungsmöglichkeiten erweitert. Besonders sinnvoll schien mir, die unterschiedlichsten Methoden miteinander zu kombinieren und den Körper als Ganzes zu betrachten und zu behandeln.

Doch immer wieder stieß ich an die Grenzen meines Wissens und Glaubens. Erst als ich die Hoffnung aufgab, jemals genug zu wissen und zu bewirken, stellte ich fest, dass ich keine heilenden Hände habe und nie haben werde.
So sehr ich es mir während der Behandlung auch gewünscht habe, das Heilen, lag weder in meiner Hand noch in meinem persönlichen Wollen. Ganz im Gegenteil, jeder Wunsch zu heilen und alles für Heilung zu tun, entfernte mich vom tatsächlichen Heilungsprozess.

Begrenzung durch Wissen, Glauben, Wollen
Die menschliche Ganzheitlichkeit ist immer begrenzt von individuellem Wissen und Glauben. Deshalb werde ich während der Behandlung früher oder später immer in eine Situation kommen, in der es nicht mehr weiter geht. Das ist der Punkt an dem das Geforderte meine Möglichkeiten übersteigt. An diesem Punkt ist mein Fachwissen ausgeschöpft und mein Glaube an mehr begrenzt. Es scheint aussichtslos, eine Hoffnung entsteht. Mit dem Wollen, dass Heilung geschieht, versuche ich meine fachlichen Begrenzungen zu übergehen. Doch dies missglückt, da das Wollen sehr stark ist und Widerstände erzeugt, die gegen meine eigenen Begrenzungen rebellieren. Hier befinde ich mich in einem Kreislauf, in dem die Begebenheiten nicht so angenommen werden wie sie sind. Der Kreislauf wird aufrecht erhalten, indem das Wollen weiterhin versucht in seinem eingeschränkten Rahmen Lösungen zu finden, und den Ist- Zustand der Situation ignoriert.

Aussichtslosigkeit
Um überhaupt einen Schritt weiterzukommen, muss ich mich dem Punkt der Aussichtslosigkeit stellen und ihn mit all meinen Begrenzungen wahrnehmen. Leugnung und Fluchtversuche sind sinnlos. An dieser Stelle bin ich bereits wehrlos den sich aufbäumenden Widerständen ausgeliefert. Sie verlangen Beachtung und das kann emotional sehr schmerzhaft sein. An diesem Punkt gibt es kein vor und zurück mehr. Es bleibt nur der Blick nach innen. Hier kommen alle meine menschlichen Möglichkeiten zusammen und hier hören sie auf.

Hingabe
Nur eine einzige Möglichkeit bleibt, die Hingabe. Sie scheint gegen die menschliche Natur zu verstoßen, denn sie ergreife ich erst, indem ich mich mit meinem begrenzten Wissen und Glauben vollkommen loslasse und aufgebe. Die Hingabe an das Geschehen ist so schwer, da sie die letzte aktive Handlung darstellt die ich ausführen kann. Alles was dann folgt liegt nicht in meiner Macht. Jetzt beginnt das Eigentliche zu wirken. Ich kann nur zusehen wie es mich lenkt und führt. Plötzlich wandelt sich die aussichtslose Situation in einen Aussichtsturm und beschert mir eine neue ungeahnte Perspektive.

Passivität
Mein Zustand als Therapeutin ist durch die Hingabe meiner Kontrolle passiv geworden. Mit Passivität ist nicht Zurückhaltung und Kraftlosigkeit gemeint, sondern das höchste Maß an Empfänglichkeit und Aufnahmebereitschaft. Durch eine passive Haltung lässt sich das Nichtstun aktiv in einer Behandlung oder in einem Gespräch anwenden. Die passive Kraft ermöglicht in der Aktivität des Nichtstuns eine Kommunikation mit der Intuition. Diese Kommunikation scheint sich wie von selbst zu ereignen.

Informationen über die Befindlichkeit und Bedürfnisse der Patienten können auftauchen und einen Hinweis geben, was in der Behandlung geschehen soll. Alle intuitiven Informationen werden spontan in der Behandlung umgesetzt. Aus dem aktiven Nichtstun fühlt sich die Behandlung angenehm und stimmig an. Gefühle und Schmerzen begegnet man aus einer passiven Haltung respektvoll und anerkennend.

Kommunikation durch Intuition
Die intuitive Kommunikation ergänzt spontan mein Fachwissen in dem Augenblick, indem ich mich öffne und bereit bin zuzuhören. Meist gilt die auftauchende Information nur für diese eine Behandlung. Ich empfinde sie nicht als Wissen, das gelernt werden kann, sondern als eine aufsteigende kurze und kompakte Information. Meine Aufgabe ist es, eine passive Empfangsstation zu sein und das intuitiv Gesendete an den Empfänger weiterzuleiten. Die Weiterleitung geschieht ohne eine Einmischung meinerseits, urteilsfrei und offen. Die immerwährende Voraussetzung ist es also, aufmerksam und im Hintergrund zu bleiben.

Die Sprache der Intuition
Die Intuition bedient sich der Sprache und der Symbolik die man persönlich versteht. Da die Intuition sehr einfallsreich und fantasievoll ist, scheint die Botschaft manchmal verschlüsselt oder absurd. Intuition bedient sich des Wissens, der Worte und Gefühle, der Musik und Erinnerungen um sich mitzuteilen. All dies, kann als Information verpackt in uns als Wahrnehmung auftauchen. Deshalb ist es wichtig, wachsam und offen zu sein, damit die vollständige Information aufgenommen werden kann. Für mich als Therapeutin ist es nicht notwendig alle intuitiven Botschaften zu verstehen, sondern sie exakt an die zu empfangende Person zu übertragen.

Mentale Palpation
Mit meiner entwickelten Behandlungsmethode, der mentalen Palpation (geistiges Berühren), empfange und übertrage ich die intuitiven Informationen auf die Patienten. Dies kann als Vorstellung im Geiste und als physische Anwendung erfolgen.

Nicole Appel

Foto: Viola Wörnle

 

 

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