Im heiligen Schutzraum der Schwitzhütte 23. Januar 2015 Die Erfahrung einer Schwitzhütten-Zeremonie führt an physische wie psychische Grenzen. Heißsporne, die sich auf ihre Willensstärke verlassen, haben wenig Chancen, wenn sie die Hitze im Schwitzkasten hat. Aufgeben, Hingabe heißt der Weg, um in direkten Kontakt mit sich und Mutter Erde zu kommen. Ingo Franke berichtet von einer eigenen Erfahrung. Vor einigen Jahren habe ich mich entschieden, bei einer Schwitzhütte mitzumachen. Ich sitze am Schreibtisch und ein wenig Unruhe erfasst mich. Was geht da vor? Klar, ich bin aufgeregt, weil ich in vier Tagen in die Schwitzhütte gehen werde. Mechanisch nehme ich den Tabak und farbigen Baumwollstoff aus dem Regal und beginne, die sogenannten Gebetsbeutel mit Tabak zu füllen. Ich spüre, wie mich die geistige Welt in die Arme nimmt, während ich meine Gebete für die Heilung von Mutter Erde, Gebete für meine Familie oder für jemand, der Hilfe benötigt, hineinspreche. Dabei werden die Kräfte aller vier Himmelsrichtungen einbezogen. Am Tag der Schwitzhüttenzeremonie hat mich die Energie voll erfasst. Ein normaler Gedanke ist kaum möglich. Ich stehe vor dem Feuer, in dem die Steine für die Schwitzhütte erhitzt werden. Das ist Transformation pur. Die Kraft der Flammen umhüllt mich. Meine Gedanken kreisen. Habe ich mich richtig vorbereitet? Wie wird es heute sein, wenn ich in der Schwitzhütte bin und sich die Welt um mich herum verändert? Eine Welt, die nichts mit dem zu tun hat, was ich im Außen erlebe. Keine Gedanken mehr an die Arbeit im Büro, an irgendwelche Auseinandersetzungen, an Stress, an negative oder positive Dinge – nichts ist jetzt mehr wichtig. Uralte Kraft Ich bitte im Stillen, dass ich die Hitze heute ertragen kann. Der Schwitzhüttenleiter erinnert uns daran, bei sich zu bleiben. Die Steine sind rotglühend. Nur mit Badeshorts bekleidet krieche ich durch den niedrigen Eingang und hänge meine Gebetsbeutel über das Weidengeflecht. Sofort erfasst mich die Dunkelheit und ich fühle mich anfangs ein wenig unsicher. Ich weiß, dass mir im heiligen Raum der Schwitzhütte nichts passieren kann, und spüre die uralte Kraft von Mutter Erde unter mir. Ich versuche loszulassen und mich dem Universum hinzugeben. Nichts zählt mehr, weder sind Materielles noch ich selbst in diesem Moment wichtig, in dem glühende Steine in die Mitte der Schwitzhütte gelegt werden. Wie gebannt schaue ich auf die rote Glut vor mir und habe das Gefühl, als würden die Steine eine Botschaft für mich bereithalten. Ich beobachte die anderen Teilnehmer, solange die Tür noch offen ist. Kein Laut, kein Sprechen mehr. Wir alle sind auf der Suche. Die Tür wird geschlossen – absolute Dunkelheit – die heißen Steine scheinen mit mir zu kommunizieren. Was kann ich mit meinen Gebeten, die in der Schwitzhütte über den heißen Dampf zur Schöpfung getragen werden, erreichen? Unzählige Gedanken gehen mir durch den Kopf. Weshalb bin ich geboren, was ist meine Aufgabe? Was lässt mich hier leiden? Als das reinigende Wasser auf die machtvollen Steine gegossen wird, ist jeder Gedanke wie weggeblasen. Das Zischen des Wasserdampfes erinnert mich an Donner und Blitz. Die Hitze wird teilweise unerträglich. Ich schütze mich und beuge mich mit dem Kopf hinunter zur Erde und bete. Ich spüre Demut, Demut für Mutter Erde und alle Geschöpfe, die unseren wunderbaren Planeten bewohnen. Es sind Gebete des Herzens. Es sind Gebete, die direkt aus meinem Sein kommen. Eintauchen ins Selbst Ich sehe wie in Trance, dass sich die Welt um mich herum verändert. Ich tauche ein in mein Selbst. Mit den Trommeln und den alten Gesängen, die ertönen, spüre ich, wie mich etwas Unbekanntes erfasst, mich trägt. Sind das die Spirits, die sich in der Dunkelheit der Schwitzhütte mit mir verbinden? Die Angst ist verflogen. Nur das Überleben zählt. So sieht also der Tod aus. Ich habe das Gefühl, dass der reinigende Schweiß literweise an meinem Körper herunterläuft und von Mutter Erde aufgenommen wird. Ich fühle mich geborgen. Nichts scheint mehr in mir zu sein, was mich blockiert. Ich spüre Leere in meinem Kopf, ich wachse über mich hinaus. Mein Ego, das mich oft blockiert, ist verschwunden. Nach vier Runden des Betens, des Hoffens, der unbeschreiblichen Hitze krieche ich im Sonnenlauf durch den Eingang nach draußen. Mit letzter Kraft robbe ich zum Feuer und lasse mich ermattet auf die Wiese fallen. Meine Seele und mein Geist scheinen zu fliegen, als ich in die Sterne schaue. Darauf habe ich schon lange gewartet. Einen winzigen Hauch von dem zu erfassen, woher ich gekommen bin, die Sternenwelt im Universum zu spüren. Eins mit Himmel und Erde. Ich schaue auf und bemerke, dass sich alle am Feuer verteilt haben. In uns ist eine unbeschreibliche Freude. So fühlt sich also Frieden an. Ein wunderbares und schönes Erlebnis mit den Elementen im Einklang zu sein und mit einem weiten Herzen wieder nach Hause zu kommen. Noch einige Zeit nach der Schwitzhüttenzeremonie habe ich den Schutz von Mutter Erde und die Ganzheit des Universums, dass wir mit Allem verwandt sind, gespürt. Foto: © Ingo Franke