Einer alten Redensart zufolge ist „gegen jedes Leiden ein Kraut gewachsen“. Tatsächlich bietet die einheimische Flora einen reichen Schatz an erstaunlich wirkungsvollen Kräutern, die zu Hause sicher und nutzbringend angewendet werden können. Die Beschäftigung mit Pflanzen der Heimat und deren Verarbeitung ist zudem ein schöner Weg zu mehr Kompetenz und Verantwortung im Umgang mit der eigenen Gesundheit.

Die Konzepte der Chinesischen Medizin können in diesem Zusammenhang unser Verständnis über Kräuter und ihre Eigenschaften um zusätzliche Aspekte bereichern und erweitern, was eine differenzierte Anwendung ermöglicht. So wird beispielsweise zwischen „heißer“ bzw. „kalter“ Erkältung mit jeweils anderer „Behandlung“ unterschieden.

Entsprechend des chinesischen Ansatzes die Kräuter hierbei nicht über Inhaltsstoffe, sondern ihre funktionale Wirkung auf das menschliche Prozessgefüge beschrieben. Jedes Kraut hat demnach eine bestimmte Natur und Wesen, an Hand welcher es ausgewählt wird. Die thermische Wirkung, wie heiß, warm, neutral, kühl, und kalt, beschreibt die funktionale Yin/Yang-Auswirkung auf körperliche Prozesse und Funktionen. Warme Heilmittel wie Zimt, Ingwer und Rosmarin wirken sich anregend auf das Prozessgefüge aus, eliminieren Kälte und stärken die Vitalität, kühle Kräuter wie Pfefferminze, Lavendel oder Aloe sind eher beruhigend, bremsen zu aktive Prozesse aus und kühlen Hitze.
Ein weiteres Konzept zur detaillierten Beschreibung der jeweiligen Heilwirkung ist das Wesen der Kräuter. Hiermit wird die Art und Weise, wie Heilmittel bestimmte Funktionen fördern bzw. kontrollieren, beschrieben. Wir unterscheiden salzig, sauer, bitter, süß, scharf und neutral. Diese Beschreibung muss nicht mit dem tatsächlichen Geschmack des Krautes übereinstimmen, sondern steht sinnbildlich für bestimmte Eigenschaften.

Salzige Kräuter wie z.B. das Duftveilchen erweichen Knoten und Massen und lösen Schleim auf, was sie für Fälle von Verstopfung, Verhärtungen oder, wie im Fall des Duftveilchens, festsitzenden Schleim in der Lunge eignet. Weitere schleimlösende Kräuter, die sich bei Schnupfen bewährt haben, sind Spitzwegerich, Gundermann und Eukalyptus. Letzterer ist vor allem in Form eines Dampfbads zur Befreiung der Atmung zu empfehlen.

Doch was hat es nun mit der „heißen“ bzw. „kalten“ Erkältung auf sich? Je nach Veranlagung und Vitalität geht der Körper mit der aus der Erkältung resultierenden Stagnation anders um. Im Fall einer Hitze äußert sich dies in Symptomen wie Halsschmerzen, entzündeten Mandeln, vermehrtem Durst, Schwitzen und Fieber sowie gelb bis grünlichem Schleim. Hier ist eine Kombination aus Holunderblüten, Schafgarbe und Pfefferminz empfehlenswert. Warme Kräuter wie Ingwer, Thymian oder der beliebte Zwiebelsirup sind hier nicht angebracht, da diese die Hitze verstärken würden. Bei starken Halsschmerzen hat sich zudem eine Verkochung aus Samen der Großen Klette zusammen mit ein wenig Süßholz bewährt. Diese kann zusätzlich getrunken oder als Tee zum Gurgeln genutzt werden.
„Kalte“ Erkältungen drücken sich typischerweise in Form von klarem bis weißem Schleim, starkem Frösteln, u.U. Schmerzen und Verspannungen sowie wenig Durst und Fieber aus. Hier wird gewärmt mit frischem Ingwer und Frühlingszwiebeln in Kombination mit Schafgarbe. Wird der oder die Kranke auch noch von Husten geplagt, kann in beiden Fällen die Kräuterformel durch Huflattichblüten ergänzt werden.

Der Erkältungstee wird möglichst warm 3-5 mal täglich getrunken. Bei Blüten und Blättern reicht ein normaler Aufguss, bei Wurzeln, Samen und Rinden ist eine Verkochung nötig. Hierzu werden die festen Bestandteile in kaltem Wasser angesetzt und anschließend auf kleiner Flamme 20 Minuten lang gesimmert. Feinere Kräuter können danach hinzugefügt werden. Wichtig ist, dass die Kräuter immer bedeckt simmern bzw. ziehen.

Die Erkältungszeit ist ja nun eigentlich vorbei, jetzt ist aber die Zeit Vorräte für die Hausapotheke anzulegen. Kräuter werden immer morgens gesammelt, wenn der Tau auf den Pflanzen getrocknet ist. Blätter werden geerntet bevor die Pflanze in Blüte geht, Blüten wenn sie frisch geöffnet sind. Samen und Wurzeln können meist erst im Herbst geerntet werden. Sammeln Sie in gesunden Wäldern und Wiesen, und ernten Sie maximal 10% der Pflanzen, um den Bestand nicht zu gefährden.

Jetzt ist auch eine gute Zeit um Hirtentäschel zu pflücken. Dieses Kraut wirkt Wunder wenn es darum geht, Blutungen zu stoppen. Zu einer Tinktur verarbeitet ist es als Erste Hilfe-Kraut immer parat und desinfiziert gleichzeitig die Wunde. Ebenfalls ein überall anzutreffendes Wald-und Wiesenkraut, das nicht zu unterschätzen ist, ist der Breitwegerich und sein Verwandter der Spitzwegerich. In Salben und Cremes, oder aber auch als Packung fördert er die Heilung von Wunden, lindert Insektenstiche und hilft, Splitter herauszuziehen. Einfachste Variante für unterwegs: Blatt zerkauen und auf die betroffene Stelle auftragen. Weitere sinnvolle Zusätze für eine einfache Heilsalbe sind Ringelblume, Beinwell und Lavendel, welcher dazu beiträgt, dass sich keine Narben bilden. Das ätherische Lavendelöl ist zudem eine biologische Alternative zu chemischen Mückensprays. Sonnenbrand und Sonnenstich sind ebenfalls Dinge, die man gut mit Hausmitteln lindern und regulieren kann. Vorbeugung ist hier natürlich die beste Maßnahme, im Falle eines Falles ist hier für die Haut das frische Gel der Aloe und Joghurt bzw. Quark zu empfehlen. Beim Sonnenstich hilft es, den Saft von Wassermelone und/oder Gurke zu trinken.

Für alle Kräuteranwendungen im häuslichen Bereich gilt: nur bei grundsätzlich gesunden Personen, nicht jedoch bei chronischen Erkrankungen, sehr alten und sehr jungen Menschen, und Schwangeren. Verwenden Sie hierfür ausschließlich Ihnen bekannte Kräuter, die Sie sicher bestimmen können. Weiterführende fachkundige Anleitung zu Bestimmung, Sammeln und Verarbeitung erhalten Sie in Büchern zum Thema, auf Kräuterwanderungen und Seminaren. Doch bereits kleine Kräuterschätze im Haus lohnen sich, allein das Sammeln auf einem Sommerspaziergang schenkt viel Freude und Entspannung.

Foto: Franziska Jud / pixelio.de

Autoren Info


Konstanze Malik

Gesundheits- und Ernährungsberaterin der Klassischen Chinesischen Medizin, Qigong-Lehrerin und Kursleiterin für Kinder-Kung Fu, Chinesische Tuina-Massagen, Mitglied im Fachverband „German Qigong Association“ e.V.

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