Experten setzen auf Nähe und Bewegung

Unsere Autorin Eva Lindner hat die Methode in einem Workshop Ausprobiert

Mein Freund und ich streiten uns gerne und viel. Seit fünf Jahren pflegen wir mit viel Muße eine nicht immer sachliche Diskussionskultur. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte diese, als wir vor drei Jahren einen Tanzkurs
belegten. Wir lachten viel, aber mindestens ebenso oft überhäuften wir uns mit Vorwürfen: „Schieb nicht so!“ – „Dann stütz dich nicht so fest auf!“, „Immer steigst du mir auf den Fuß!“ – „Dann schieb deinen Fuß halt nicht unter meinen!“. Schon damals fühlte ich mich reif für eine Paartherapie. Der einzige Tanz, in dem wir harmonierten, war der Tango.

Als ich im Internet entdeckte, dass ein Johannes Feuerbach mit Tangotanzen Beziehungen verbessern will, war ich sofort Feuer und Flamme. Mein Freund erklärte sich zu meinem Erstaunen bereit, mich zu einem Workshop zu begleiten. Wahrscheinlich hoffte er darauf, mich dadurch doch noch zu domestizieren.

Als wir am Samstagmorgen das Haus verlassen, merke ich schon, dass mein Freund müde und genervt ist. Er fragt mich, ob er nach der Mittagspause nach Hause fahren kann. Ich verdrehe die Augen. Vor der Eingangstür treffen wir auf das zweite Paar, das mit uns tanzen soll. Arne und Conny wirken nett. Paartherapeut Feuerbach öffnet uns mit einem Lächeln die Tür. Ich fasse spontan Vertrauen zu ihm und will sofort lostanzen.

Doch weit gefehlt.
Erst mal steckt Feuerbach uns zu zweit in einen Raum zur sogenannten Paarkontemplation. Ich habe 15 Minuten Redezeit, in der mein Freund schweigen und mir zuhören soll. Die Idee gefällt mir. Nach 15 Minuten sollen wir tauschen. Kaum schließt Feuerbach die Türe hinter sich, brechen wir die einzige Regel und diskutieren fünf Minuten lang, wer anfangen soll. Mein Freund nutzt seine 15 Minuten, um zu schweigen, ich meine, um mir ordentlich Luft zu machen. Wieder vereint mit Arne und Conny, hat Feuerbach schon Übungen zur Selbst- und Körperwahrnehmung für uns vorbereitet. Ich stehe vor meinem Freund.
Feuerbach leitet ihn an, mir einen Impuls zugeben, indem er sich zu einer Seite neigt. Wenn er beginnt, soll ich ihm folgen. Berühren dürfen wir uns nicht. Ich will lieber tanzen, mache aber mit. Wir wippen hin und her. Ich muss mich stark konzentrieren, um seine minimalen Bewegungen überhaupt wahrzunehmen.
Vor der Pause fragt Feuerbach, wie es uns geht. Arne und Conny fühlen sich wach und gut. Ich sage, ich fühle mich vorbereitet für den Tango. Mein Freund sagt, „ich bin müde und will nach Hause.“ Peinlich, denke ich und lächle verkrampft. Feuerbach nimmt es gelassen. Er hat bestimmt schon Schlimmeres gehört.

Die Mittagspause nutzen mein Freund und ich, um ausführlich zu diskutieren, ob er unklare Impulse gibt, oder ich zu langsam reagiere. Im zweiten Teil nehmen wir die Tanzhaltung ein. Mein Freund neigt sich nach vorne, ich reagiere mit einem Rückwärtsschritt. Wenn er sich zur Seite neigt, folge ich ihm. Impuls – Reaktion, Impuls – Reaktion. Es funktioniert. Wir sind aufmerksam und achten aufeinander. Wir sagen nichts, unsere Körper sprechen. Mein Freund lächelt mich an. Feuerbach legt Musik ein. Die Bewegung und die Nähe machen Spaß. Ich fühle mich wohl. Feuerbach fordert uns auf, einen Wunsch an unseren Partner zu äußern. Arne sagt, er wünsche sich mehr Stabilität von Conny. Conny schaut bedrückt. Mir fällt nichts ein, also sage ich: „Mir macht’s Spaß, ich finde, wir harmonieren.“

Weiter geht’s. Wir tanzen jenseits des Zweivierteltakes in unserem eigenen Rhythmus. Joachim Llambi, Juror bei der Fernseh-Tanzshow „Let’s dance“, wäre erschüttert. Feuerbach sagt, „ob ihr im Takt seid oder nicht, spielt keine Rolle“. Partnertausch. Arne gibt deutliche Signale, er sieht konzentriert aus. Ich bin trotzdem unsicher. In der letzten Runde merke ich, wie entspannt wir tanzen. Mein Freund und ich wippen vor und zurück, spielen übertrieben Tangoprofis und werfen den Kopf zurück. Er steigt mir auf die Zehen, ich lache. Am Ende fragt Feuerbach, wie es uns geht. Arne und Conny sagen, sie haben sich mittags besser gefühlt. Mein Freund sagt, „ich habe gemerkt, dass sie auch leise Impulse ernst- und wahrnimmt und es gar keinen Grund gibt, laut zu werden.“ Ich strahle vor mich hin. Beschwingt gehen wir nach Hause. Irgendetwas an dem Tag hat gut getan. Kommunizieren, ohne zu sprechen.
Etwas gemeinsam unternehmen zur Musik, bei Nähe und Bewegung. Was es wirklich war, kann ich nicht genau einordnen. Aber das spielt ja auch keine Rolle.

Der Beitrag wurde am 1. 7. 2011 in der WELT KOMPAKT veröffentlicht und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung.

Bild: Bild: © Johannes Feuerbach, Titelfoto von Buntenbach, Jörg & Jörg Hesse

 

 

 

Über den Autor

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Johannes Feuerbach
Dipl.-­-Päd.
Seit 1986 entwickelt er aus der Lomi-­-Körperarbeit, der Gestalttherapie, der
Kontemplation und dem Tango „Beziehung, die man tanzen kann“ als Selbsterfahrungsmethode für Paare.
In seiner Berliner Praxis arbeitet er als Supervisor, Paartherapeut, Medita-­-
tionslehrer und Gruppenleiter zum Themenkomplex „Lieben und Arbeiten“.

Mehr Infos

So, 17.6. in Potsdam (Frühbucherrabatt: bis zum 10. Mai. Anmeldung: https://www.sein.de/regionalredaktion/brandenburg/anzeigen/programm/176-beziehung-die-man-tanzen-kann.html)