Den Körper berühren, die Seele erreichen

Muskelspannung und Atmung
Im Laufe unseres Lebens, besonders in der Kindheit, begegnen wir Situationen, die wir nicht ganz erleben können oder wollen. Immer wieder sind Ereignisse zu schmerzlich, überwältigend oder beängstigend und wir ziehen uns zusammen und versuchen, das Fühlen anzuhalten.
Zunächst haben wir einen scheinbaren Gewinn. Wir sind weniger verletzlich und es tut manches nicht mehr so weh. Und so lernen wir, immer schneller und immer öfter, mit Abwehr zu reagieren. Die Spannung im Körper wird am Ende eines unvollständig verarbeiteten Ereignisses nicht mehr vollständig entlassen, und wir vergessen, dass sie da ist. Sie wird Teil unseres normalen Lebensgefühls.
Es entsteht allmählich ein Muskelpanzer, der uns daran hindert, unsere Möglichkeiten voll zu entfalten, der uns begrenzt und beengt im Fühlen und Handeln.
Muskelspannung ist ein aktiver Prozess, auch wenn er unbewusst verläuft. Die Muskeln arbeiten und verbrauchen Energie, die uns dann an anderer Stelle fehlt.
Wir fühlen jetzt weniger Schmerz, aber wir fühlen auch weniger Lebensfreude und Energie. Wir sind weniger berührbar und brauchen immer mehr von außen, um unsere Akkus zu laden und uns lebendig und freudig zu fühlen.

Parallel zur Muskelkontraktion verändert sich auch das Atemmuster.
Sobald etwas geschieht, innerlich oder äußerlich, angenehm oder unangenehm, reagiert der Atem. Er wird schneller, tiefer, flacher, langsamer, stockend oder gleichmäßiger, schwer oder leicht.
Die Atmung wird von zwei grundlegenden Systemen im Körper gesteuert: wir können sie bewusst steuern, aber meist verläuft sie automatisch. Hier begegnen sich Bewusstes und Unbewusstes und so ist der Atem mit seinen zugehörigen Atemmuskeln ein guter Wegweiser und Spiegel in der Körperarbeit.

Marion Rosen
In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts experimentierte eine Gruppe von Therapeuten um C.G. Jung sehr erfolgreich mit Körper- und Atemarbeit, um therapeutische Prozesse anzustoßen und zu beschleunigen. Hier, bei Lucy Heyer, lernte Marion Rosen zwei Jahre lang, bevor sie als Jüdin Deutschland verlassen musste. In ihrem endgültigen Ziel, in Berkeley, Kalifornien, arbeitete sie als Physiotherapeutin, ließ aber ihre Erfahrung der Körper- und Atemarbeit mit einfließen. Dadurch bewegte und löste sich so viel bei ihren Patienten, dass sie gedrängt wurde, das, was sie praktizierte, auch zu lehren.
Irgendwann gab sie dem nach und heute gibt es etliche Schulen in Europa und in Amerika.
Heute widmet sich auch die Forschung wieder der Wirksamkeit von Berührung und Empathie und der Bedeutung von Körperempfindungen als Bindeglied zum Unbewussten.

Die Rosenmethode und ich
Vor einigen Jahren gab mir eine gute Freundin das Buch von Marion Rosen und meinte, „das ist etwas für dich.“
Wie recht sie hatte.

In der Rosenmethode Körperarbeit fließen achtsame Präsenz, Berührung und einfühlendes Gespräch zu einer Einheit zusammen.
Ich schaue auf Körperspannungen und auf den Atem, wo er fließt und wo er blockiert ist und nehme mit weichen Händen auf klare Weise Kontakt auf mit verspannter Muskulatur.

Durch die Berührung, meine Aufmerksamkeit und die respektvolle Beschreibung dessen, was ich wahrnehme, kann das, was die Verspannung und die Enge ausgelöst hat, ins Bewusstsein kommen, gefühlt, gesprochen und damit entlassen werden.
Und so können wir uns Schicht um Schicht weiterbewegen von der Person, die wir glauben, zu sein, zu dem Wesen, das wir sind.

Dabei folge ich als Behandelnde keinem festen Programm. Ich habe kein verstecktes Behandlungsziel, auf das ich hin arbeite, sondern ich gehe mit Offenheit in jede Sitzung, in der Überzeugung, dass das, was geschehen möchte, sich in meinem Gegenüber zeigt, wenn ich den Raum dafür gebe.
Ich berühre Verspannungen so, dass sie fühlbar werden, und damit das ins Bewusstsein kommen kann, was mit dieser Spannung in Verbindung steht im Unbewussten. Ich versuche nicht, sie aktiv aufzulösen. Das geschieht nachhaltiger von alleine, wenn ich den Prozessen ihre eigene Zeit lasse.
Auch in der Atmung geht es darum, Raum zu geben für den natürlichen Atem, der von alleine kommt und geht, ohne bewusste Beeinflussung.
Ich kann Angebote machen mit den Händen und mit Worten, kann Last abnehmen und Weite anbieten, aber immer entscheidet der Behandelte darüber, was er annimmt, und was nicht.
Und der Körper lügt nicht. Er sorgt dafür, dass ich mich nicht in Geschichten verirre, denn entweder, er zeigt Resonanz oder nicht.
Die Ergebnisse sind oft so wunderbar, dass es gut ist, mich an Marion Rosen zu erinnern, die sagt, wir sind nur die Hebammen und es ist wichtig, bescheiden zu bleiben.
Ein entspannter Körper atmet von Scheitel bis zur Sohle. Und wenn Bauch und Zwerchfell ganz entspannt sind, dann fließt natürlicherweise Liebe. Wir sind in der Lage, Liebe zu geben und zu empfangen. Und wir kommen in Verbindung mit etwas, das größer ist als wir selber, wie immer man das nennen mag.

Seit 2006 befinde ich mich in einem intensiven Lernprozess mit dieser Therapie, arbeite heute in eigener Praxis und werde kontinuierlich mit Supervision begleitet. Das ist das sog. Internship, die letzte Phase der Ausbildung.
Inzwischen habe ich viel erlebt, in Hunderten von Sitzungen, für mich und mit anderen:
Von tiefen Blicken in die eigenen Schatten bis zu Zuständen von spiritueller Tiefe und Kraft, von Baden in goldenem Licht bis zur Entspannung eines Rundrückens war alles dabei.
Oft ist es ein schlichtes Sehen und einverstanden Sein mit dem, was ist.
Rosenmethode Körperarbeit wirkt auf physischer, psychischer und geistiger Ebene, in etwa dieser Reihenfolge. Wir entspannen uns, kommen uns selbst näher und bekommen Unterstützung in Krisenzeiten und bei Problemen mit uns und anderen. Damit wirkt sie bei psychosomatischen Beschwerden entlastend, z.B. Migräne, Rückenschmerzen oder Asthma.
Und dann kommen wir in Verbindung mit der uns allen innewohnenden Kraft.

 

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