Die Huichol Indianer leben in einem mexikanischen Dorf mit vielen Kindern. Die meisten Kinder lieben es, die Lieder mit zu singen, im Kreis zu tanzen und Teil einer spirituellen Gemeinschaft zu sein. Die Autorin Carola Sieglin ist 35 Jahre als und kennt ihren schamanischen Lehrer und Heiler Brant Secunda  seit ihren frühesten Kindheitsjahren, als ihre Eltern sie zu den Seminaren mitnahmen. Der Artikel beschreibt, warum sie nun ihre eigenen drei Kinder mitbringt und was der Schamanismus für Kinder bedeuten kann.

Ich erinnere mich gut daran, als mich mein erstes Kind im Alter von etwa fünf Jahren fragte, wer oder was Gott ist. Ich wollte ihm die Möglichkeit geben, ganz offen damit umzugehen und erklärte ihm, dass die Menschen an verschiedene Gottheiten glauben… er stoppte mich und fragte: “Aber Mama – was glaubst du?” Ich merkte, dass es ihm wichtig war, meine Meinung zu hören und dass er spüren wollte, dass meine Meinung aus dem Herzen kommt. Ich erklärte ihm, dass die göttliche Kraft in uns ist, in Allem, was lebt und dass alles lebt. Er war sehr zufrieden mit der Antwort und seither stellte er mir nie mehr diese Frage. Es tat ihm gut, Worte zu hören, die das Unbegreifliche beschreiben und die authentisch wiedergeben, was wir ihm als Eltern vorleben.

Nun ist er zehn Jahre alt. Als kleines Kind war er immer sehr kontaktbedürftig. Jeder Schritt, den er ohne direkte Begleitung machte, war eine Eroberung. Mittlerweile macht er die ersten Wege alleine durch die Stadt. Neulich hatten wir mal wieder eines der “Bettkantengespräche” und ich fragte ihn, wie es ihm damit geht, alleine zu sein. Er sagte “Mama, ich fühle mich gar nicht allein. Aber sag mir – was hast du gedacht?” – “Ich hatte erst Sorge um dich Sorge, dass es dir nicht gut damit geht. Und dann habe ich die Sorgen in ein Gebet gewandelt und die Windgöttin gebeten, einen Schutz zu dir zu tragen.” Er sah mich fest an und sagte “Das habe ich gespürt!” Mich berührte die Art, wie er das sagte. Ich nahm in ihm einen Halt wahr. Eine tiefe Sicherheit und ein Angebundensein.

In der Schule im Religionsunterricht sollten die Kinder ein Bild von dem Ort malen, wo sie ganz sicher sind, wo sie sich geborgen fühlen. Was hat mein Kind gemalt? Wie wir beim Schamanismus Seminar im heiligen Kreis sitzen, während einer Zeremonie. Es ist so schön wenn die Kinder lernen, dass es diesen Ort der Stille gibt, der sie ganz sicher hält und der nur mit Ihnen und der göttlichen Kraft zu tun hat – auch unabhängig von der Beziehung zu uns Eltern oder anderen Bezugspersonen.

So bin ich manchmal sehr froh, dass ich Antworten habe, die die tiefen Fragen der Kinder aufgreifen. Und ich bin froh, ihnen eine Sicherheit mitgeben zu können, die unabhängig vom Kontakt zu anderen Menschen in ihnen ist. Es fühlt sich gut an, sie dem Schoß des Lebens anzuvertrauen und sie dabei zu begleiten, ihre eigene Beziehung zum Leben voller Vertrauen zu entwickeln.

 

Was bedeutet Schamanismus für mich als Mama?

Als Mama ist es sehr hilfreich für mich, die Sorgen um meine Kinder umwandeln zu können. Wenn ich meine Kinder anschaue, spüre ich, wenn es ihnen nicht gut geht. Ich denke, Einiges liegt in der Verantwortung der Eltern, sie darin zu begleiten und ihnen dabei zu helfen, das zu lösen. Doch Manches können wir nicht lösen, sondern müssen zusehen, wie sie selbst durch etwas durch müssen. Das ist vielleicht das Härteste für mich als Mama. So gerne möchte ich ihnen jedes Leid ersparen, auch wenn ich weiß, dass das keinen Sinn macht. Sie wachsen an ihren Aufgaben und gehen gestärkt daraus hervor. Und Manches kann ich ihnen gar nicht geben. Genau in diesen Situationen bin ich dankbar, wenn ich meine Sorgen in ein Gebet verwandeln kann. Es hilft mir, nicht in der Angst zu bleiben, sondern einen positiven Wunsch zu formulieren. Die Bitte und die Vision dessen wie ich es mir wünsche, sind eine Hilfe, mich auszurichten und das Vertrauen zu spüren, es dem Kind und dem Leben zuzumuten. Auf diese Weise kann ich daraufhin auch klarer reagieren und dem Kind meinen Schoß anbieten ohne innerlich mit Sorge zerrissen zu sein.

Es ist auch mit einem Aufwand verbunden, nicht allein, sondern mit den Kindern zu einem Retreat zu fahren. Wir sind es meistens nicht gewohnt, unsere Kinder zu einem Seminar mitzunehmen. Huichol Schamanismus an sich ist ein Lebensweg der seinen Ursprung in einer Dorfgemeinschaft hat. Im Indianerdorf in Mexiko nehmen alle Dorfbewohner an den Ritualen und Zeremonien teil. Die meisten Kinder lieben es, die Lieder mit zu singen, im Kreis zu tanzen und Teil einer spirituellen Gemeinschaft zu sein. Die Kinder brauchen gewöhnlich ein bis zwei Tage bis sie sich daran gewöhnt haben, aber dann ist es ein Segen, zu sehen, wie Erwachsene und Kinder sich gegenseitig bereichern und wir zu einer großen Familie werden.

 

Was hat mir der Schamanismus aus heutiger Sicht in meiner Kindheit gegeben?

Für mich bedeutete der Schamanismus in meiner Kindheit sehr viel. Meine Eltern gingen regelmäßig zu den Seminaren von Brant Secunda und nahmen meinen Bruder und mich mit. Es waren die Highlights des Jahres. Je nachdem, was bei mir los war, veränderte sich auch, was der Schamanismus mir gab. Mal war es der innere Fokus, mal ein Rückzugsort, mal ein Ort zum Ausprobieren und dann wieder ein Ort der Stille und des Innehaltens. Aber immer war es ein Halt, ein Bezug zu etwas, das immer da ist, unabhängig davon, was sonst in meinem Leben los war. Das hat mir Sicherheit gegeben.

Ich erinnere mich sehr gut an das Gefühl, als kleines Kind im Kreis auf meiner Decke zu liegen; das Feuer knistert, Brant singt, meine Eltern und die anderen aus der Gemeinschaft tanzen und beten. Es ist ein Gefühl, als wäre ich auf einem großen, warmen, weichen und starken Schoß. Eine Umarmung mit einem Gefühl der Sicherheit, dass der Moment jetzt wertvoll ist. Dass wir wertvoll sind. Alles ist jetzt da, alles und gleichzeitig das Nichts, die tiefe Stille. Jeder Atemzug ist heilig, jeder Gedanke ist wertvoll, jedes Gebet hat eine Wirkung, jeder Tanzschritt ist ein Schritt zu mir selbst… in dem Moment zählt das, was wir machen zu 100%. Ich fühle mich stark, offen, klar und weich zugleich. Eingebettet. Getragen von tiefem Wasser, gesegnet von strahlendem Licht, geliebt von Mutter Erde und geöffnet verbunden durch den Atem mit der Luft des Lebens. Wir sind ein Teil im heiligen Kreis des Lebens.

Ich sah oft, dass Menschen krank kamen und nach einer Heilungszeremonie gesund wurden. Das gab mir die Gewissheit, dass es mehr gibt als das, was ich mit den Augen sehen kann. Ich habe dadurch nicht nur gewusst, sondern auch gefühlt, dass es etwas bedeutet, mit dem Herzen zu sehen, die Intuition als feste Komponente im Alltag mit einzubeziehen. Es war immer wieder hilfreich für mich, in schwierigen Situationen Abstand durch die Adlerperspektive zu bekommen und das Leben als ständigen Prozess zu betrachten, als ein Weg, mich zu “vervollständigen”, also ganzer und heiler zu werden. Diese Sichtweise unterstützte mich darin, offen zu sein, und im Vertrauen.

Was bedeutet der Schamanismus für mich heute?

Auch heute noch, wenn wir auf Pilgerschaft gehen oder ich an einer Zeremonie teilnehme, wird der Zugang zu dem inneren Ort mit dem Gefühl der friedlichen Stille und der Geborgenheit in mir gestärkt. Der Weg dahin ist manchmal verbaut, aber ich habe zumindest das Wissen, dass der Ort da ist. Jedes Mal, wenn ich den Weg zu diesem inneren Ort der Verbundenheit gehe, festige ich den Weg dahin. Am Anfang ist es vielleicht ein dünner Pfad. Aber je öfter ich den Weg gehe, desto stabiler wird der Weg. Als würde ich jedes Mal einen Stein mitnehmen und den Weg damit pflastern.

Egal wie es mir geht und wo ich bin – dieses Gefühl aufgehoben zu sein, angebunden an das Große Ganze ist wie ein Schatz in meinem Herzen. Ein bisschen wie eine Blumenwiese in mir drin, die immer da ist. Ich kann immer dahin. Es ist sehr schön zu wissen, dass jeder Mensch und jedes Wesen diesen Schatz in sich hat.

Es ist heutzutage normal, sein Kind ein Instrument oder eine Fremdsprache lernen zu lassen. Mit den Kindern zu einem spirituellen Seminar zu fahren, ist nicht genauso üblich, aber ich kann es sehr empfehlen.

 

Mehr Infos zu den Seminaren von Brant Secunda gibt es unter www.shamanism.com

 

 

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