von Katja Schönitz

Als mein Opa verstarb, war ich tief berührt. Ich fand Briefe und Zeitungen aus vergangenen Zeiten. Sie gewährten mir Einblick in eine Zeit, die ich nicht kannte, in ein Leben, das nicht meines war. Es waren Briefe aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Zeilen, die von Gefangenschaft berichten, vom Tod von Angehörigen, vom Verbleib nach dem Krieg, auch Liebesbriefe waren dabei. Die Briefe waren Zeugen von Verbindungen zwischen Menschen. Sie waren ein großes Geschenk für den, der sie bekam und auch für mich, die zu dieser Zeit noch nicht das Licht der Welt erblickt hatte. Sie ließen mich eintauchen in andere Leben. Sie brachten mich Menschen näher, die ich nie kennenlernen durfte.

Das Papier zu fühlen, war besonders. Der Gedanke erfasste mein Herz. Wie viel diese Briefe Personen bedeutet haben mochten! Diese zu riechen- so alt. Die verschiedenen Handschriften zu sehen – teilweise krakelig, teilweise groß geschwungen. Hören konnte ich die Briefe. Das Knistern des alten Papiers während ich es öffnete, lösten eine ganz eigene Stimmung in mir aus. Die Briefe sprachen all’ meine Sinne an. Mit ihnen konnte ich die Vergangenheit wahrnehmen.

Es waren schöne Momente, die ich mit Menschen hatte, deren Energie nun woanders war. Durch diese alten, persönlichen Schriften fühlte ich mich ihnen verbunden. Meinen Gedanken schweiften – wie muss es wohl gewesen sein für Menschen in Zeiten der Ungewissheit?

Mit aller Kraft wurde mir bewusst, wie verbindend so ein kleines Stück geschriebenes Papier sein kann. Es beginnt bei der Auswahl des Briefpapieres, die bereits eine Verbindung zu dem aufbauen kann, für den der Brief gedacht ist. Wem würdest du schreiben, wenn du noch einen Brief zu verschicken hättest?

Es gibt so viele Arten von Briefen. Der wohl eindrücklichste ist der Liebesbrief, der Ausdruck von Sehnsucht nach Verbindung ist. Der Freundschaftsbrief, der aus dem Leben berichtet. Der philosophische Brief, der nach geistigem Austausch und Entwicklung strebt. Der Wutbrief, der anstelle des vorangegangenen Liebesbriefes in der Trennung versendet wird. Alle haben gemein, dass sie etwas verbindet: Sie sind Ausdruck von etwas Persönlichem.

Welche Art von Brief würde deiner sein?

Zu Zeiten meines Großvaters gab es vorgedrucktes Papier von den Alliierten. Auf diesem schrieben Menschen auf einer begrenzten Zahl von Zeilen das Wichtigste, was gesagt werden wollte.

Was wäre das Wichtigste, das du dieser Person in drei Zeilen schreiben würdest?
Der Mensch ist fern, doch bereits beim Schreiben des Briefes entsteht eine Verbindung zu ihm. Es entwickeln sich Gefühle, Gedanken entfalten sich. Der Moment, wenn der Brief in den Briefkasten gesteckt wird, wenn sich etwas auf den Weg macht…

Welches Gefühl begleitet dich, wenn du diesen Brief in den Briefkasten steckst?
Der Empfänger erhält etwas, was nur ihm gewidmet ist, handgeschrieben.
Was denkst du, wie ist es für die Person, deinen Brief zu erhalten? Welche Gedanken, Gefühle, körperliche Signale begleiten sie?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich durch die Briefe meinem Opa auch nach seinem Tod nochmal nah war, dass ich in Verbindung mit Menschen treten konnte, die ihm viel bedeutet haben, ich jedoch nie kennenlernen konnte, da Krieg und Tod ihr Leben sehr kurz gemacht haben.

Wem möchtest du gerne etwas hinterlassen? Was möchtest du, das die Nachwelt von dir liest? Wann wirst du schreiben, was du schon immer sagen wolltest? Wenn nicht jetzt, wann dann?

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