Wenn ich glaube, dass andere Menschen für das verantwortlich sind, was ich erlebe und fühle, dann lebe ich fremdbestimmt und wie in einem Wartesaal, in dem ich darauf warte, dass sich der, die oder das ändert, damit es mir gut geht. In Wahrheit gibt es nur eine einzige Beziehung in unserem Leben, die die Ursache für das ist, was wir jetzt in unserem Job, finanziell, mit unserem Körper, unserem Freundeskreis, unserer Familie und in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen erleben. Es ist die Beziehung zu uns selbst.

von Andrea Lettow

Unsere innere friedliche oder stürmische Stimmungslage, ist die, die wir auch im Außen, in unserem Umfeld erleben, denn: „Gleich und Gleich gesellt sich gern.“ oder „Wer Sturm sät, wird Sturm ernten.“
Ich kann andere Menschen nicht verändern, ich kann jedoch mich verändern, damit ich das erlebe, was mir gefällt. Indem ich Eigenverantwortung für mein Leben übernehme, verändert sich meine fremdbestimmte Lebenseinstellung in eine selbstbestimmte.
Es ist nicht der Job anderer Menschen, mich glücklich zu machen, sondern mein Job. Wenn ich meinen Job gut mache, indem ich gut zu mir bin und das lebe, was meiner Vorstellung von einem freudvollen und erfüllten Leben entspricht, gestaltet sich auch meine täglich erlebte Realität immer freudvoller. Aufgrund meiner Selbstliebe begegne ich Menschen, die zu meiner selbstbestimmten und freudvollen Lebenseinstellung passen, sodass ich auch immer mehr Situationen erlebe, die dem entsprechen.

Wenn ich damit beginne, zu mir zu stehen und das zu leben, was mir gefällt, dann kann es sein, dass andere Menschen ärgerlich oder wütend darauf reagieren, weil ich ihre Verhaltensmuster und Erwartungshaltungen nicht mehr befriedige. In solchen Situationen zeigt es sich, ob ich mich wieder aus Angst vor Anerkennungs- oder Liebesverlust verleugne und seelisch verbiege oder ob ich es mir wert bin, weiterhin das zu leben, was mir gut tut, sodass es sein kann, dass sich daraufhin eine berufliche, private oder andere zwischenmenschliche Beziehung auflöst.

Wenn es nicht möglich ist, ein auf Akzeptanz beruhendes friedliches Miteinander zu leben, dann ist es eine gute Entscheidung, anzunehmen, was ist, also aufzuhören, dagegen zu kämpfen und davon loszulassen. Das heißt, ich lass` andere so sein, wie sie sind und richte mich weiterhin auf das aus, was meinen Vorstellungen von einem freudvollen und erfüllten Leben entspricht.

Indem ich friedlich von dem loslasse, was mir nicht gut tut, investiere ich keine negativen Gedanken und Gefühlen mehr in etwas, das mir Energie rauben würde, wenn ich weiterhin angstvoll, traurig oder wütend daran festhalte. Wenn ich das verleugne, was mir gefällt, verleugne ich mich.
Das ist Selbstablehnung, die in Wechselwirkung zu dem steht, was ich in meiner täglichen Realität erlebe, in der ich die dazu passende Ablehnung durch andere Menschen und in bestimmten Situationen erfahre. Wir sind alle Lehrer und Schüler und somit können auch andere aus meinem Verhalten etwas über sich lernen.

 

Loslassen und neu ausrichten

Mit meinem friedlichen Loslassen von dem, was mich seelisch belastet hat, kann ich mich jetzt erleichtert auf das ausrichten, was mir gut tut.
Mein Loslassen schafft jetzt Raum für das, was zu meiner Selbstliebe passt und in Form von Menschen, Situationen und Ereignissen zu mir findet.
Wenn ich also etwas anderes erleben will, dann funktioniert das nur, wenn ich etwas anders mache als bisher.

Nehmen wir z.B. das Thema Anerkennung. Wieso ist es einigen Menschen sehr wichtig, Anerkennung von anderen zu bekommen? Wieso „verbiegen“ sie sich dafür, indem sie sich selbst verleugnen? Die Ursache dafür kann sein, dass ihnen in ihrer Kindheit von nahe stehenden Menschen etwas gesagt wurde, das diese Menschen aufgrund ihrer eigenen Erziehung nicht besser wussten und es daher so weitergegeben haben, wie auch sie es von anderen gelernt haben, wie z.B.:  „Eigenlob stinkt.“  „Wenn du nicht machst, was ich dir sage, dann kannst du was erleben.“
„Deine Gefühle interessieren keinen.“  „Du hast nichts zu wollen.“  „Wenn du nicht willst, dass es mir schlecht geht, dann mach, was ich dir sage.“

Wenn ich mich selbst für das, was ich gut gemacht habe, nicht loben darf, dann glaube ich, dass ich die Anerkennung dafür von anderen bekomme. Wenn ich kein Lob bekomme, dann glaube ich, dass ich nicht gut genug bin. Ich lerne auch, dass es unwichtig ist, was ich will und wie ich mich fühle, denn wichtig ist nur, das zu machen, was andere wollen, damit es ihnen gut geht. Das ist sehr stressig und somit sehr energieraubend für mich, denn so viele Menschen wie es gibt, so viele Meinungen und Vorlieben gibt es auch, sodass ich es nie schaffen werde, es allen recht zu machen.

Wenn ich keinen Selbstwert habe und mich daher immer für andere zurücknehme, dann lebe ich in einer Opferrolle und strahle damit aus:
„Ich verzichte auf das, was mir gut tut und opfere mich für andere auf, damit es ihnen gut geht.“ Zu einem Opfer findet auch immer der dementsprechende Täter und so werden Menschen zu mir finden, die zu meiner Opferrolle passen, sodass ich mich für sie zurücknehme und verbiege, um Anerkennung zu bekommen. Ich bekomme aufgrund meiner Opferrolle jedoch keine Anerkennung von ihnen. Sie nehmen meine Leistung als selbstverständlich an und erwarten sie auch weiterhin von mir. Vielleicht kritisieren sie mich auch noch und fordern immer mehr von mir.

Wenn mein Handeln von meiner Angst vor Anerkennungs- oder Liebesentzug bestimmt wird, werde ich mich immer wieder unter Druck setzen und überfordern. Wenn ich jedoch auf mich höre, auf die leise Stimme, die aus meinem Herzen kommt, dann folge ich der Liebe.
Dieser achtsame Umgang mit mir selbst, ist Selbstliebe. Wenn mein Handeln von meiner Selbstliebe bestimmt wird, dann lebe ich Nächstenliebe, Mitgefühl, Freundschaft etc. statt Angst. Die Liebe ist bedingungslos. Sie stellt keine Bedingungen an mich oder andere. Sie ist unser natürlicher Seinszustand, der dem Wohle aller Beteiligten dient.

 

Der wichtigste Mensch in meinem Leben

Es kann sein, dass ich in meiner Opferrolle manchmal sage: „Ich fühle mich kraft- und machtlos.“ In solch einem Moment könnte ich mich fragen: „Für wen oder was habe ich meine Kraft/Energie verbraucht bzw. an wen oder was habe ich meine Macht abgegeben und wie bekomme ich meine Macht zurück? Ich bekomme meine Macht zurück, indem ich zu dem wichtigsten Menschen in meinem Leben stehe, den ich bei meinen Überlegungen, wie ich es allen anderen recht machen kann, sehr oft oder immer ignoriere. Indem ich zu diesem Menschen stehe, übernehme ich Eigenverantwortung für mein Leben, denn dieser Mensch bin ich selbst. Ich nehme mich selbst an und zwar so, wie ich bin. Ich bin mir meine beste Freundin bzw. mein bester Freund.

Indem ich für mich da bin, lebe ich anderen vor, was auch ihnen möglich ist, nämlich ein selbstbestimmtes und freudvolles Leben zu führen.
Sei gut zu dir und gib dir die Erlaubnis, deine Träume zu leben, glücklich zu sein, das zu tun, was dir Freude bereitet. Das ist Selbstliebe.
Wann hast du dich das letzte Mal gelobt? Wann hast du dich das letzte Mal belohnt? Wann hast du das letzte Mal das gemacht, was dir Freude bereitet?

Selbsterkenntnisse

Es gibt eine Spiegel-Übung zum Thema Selbstliebe, von der ich vor einigen Jahren in einem Buch las. Bei dieser Übung, bei der man viel über sich selbst erfährt, stellt man sich vor den Spiegel und sagt seinem Spiegelbild: „Ich liebe dich.“
Ich hatte lange Zeit einen geringen Selbstwert und versuchte, es anderen immer recht zu machen, was sich somit auch furchtbar anfühlte. Und so habe ich diese Übung vor vielen Jahren auf meinem Weg ausprobiert, auf dem ich gelernt habe, mir meine beste Freundin zu sein.
Ich stellte mich also eines Tages vor den Spiegel in meinem Bad, um mir zu sagen, dass ich mich liebe. Ich sah mich jeden Tag beim Zähneputzen, Schminken etc. im Spiegel an, jedoch nicht so bewusst, wie ich es bei dieser Spiegelübung tun würde. Wie ich so dastand, fand ich es plötzlich albern, mit meinem Spiegelbild zu reden und mir zu sagen: „Ich liebe dich.“ Dennoch versuchte ich vorsichtig, mir in die Augen zu sehen. Es ging nicht und ich dachte verblüfft: „Wieso kann ich mir jetzt nicht in die Augen sehen?“

Ich musste auf die Antwort nicht lange warten, denn ich erinnerte mich an etwas, dass ich mal sagte, als ich mich von dem distanzierte, das einem anderen Menschen schaden würde. Ich sagte: „Das mache ich nicht, denn ich will mir das nächste Mal, wenn ich wieder in den Spiegel schaue, in die Augen sehen können.“ Bei dieser Erinnerung wurde mir plötzlich bewusst, wieso ich mir in diesem Moment nicht in die Augen sehen konnte, denn es gab einen Menschen, den ich oft verletzt habe, indem ich ihn verleugnet und allein gelassen habe. Dieser Mensch bin ich.

Obwohl diese Erkenntnis sehr tiefgreifend war, waren die Tränen erlösend, denn ich verspürte danach inneren Frieden. Ich stellte mir dann noch eine Frage: „Was kann ich jetzt tun, damit sich mein Leben verbessert? Nach einem kurzen Moment meldete sich eine Stimme in mir, die ich in meinem Seelenhaus schon lange nicht mehr gehört hatte. Jetzt, in diesem friedlichen Moment, konnte ich sie hören. Es war die Liebe. Sie sagte: „Vergib dir und anderen, lass friedvoll von dem los, was dir Energie raubt und lebe das, was dir Freude bereitet.“ Ich hörte auf die Liebe, denn es fühlte sich gut an. Ich bat sie, die Führung in meinem Seelenhaus zu übernehmen und mir bei meinen Entscheidungen und Handlungen zu helfen.“

Und ich tat noch etwas. Ich nahm mich in den Arm und sagte mir: „Ich lass dich nie wieder allein. Ich bin immer für dich da.“
Diese einfache und dennoch sehr wirksame Spiegelübung war sehr hilfreich auf meiner Reise zu mir selbst, bei der ich mir immer mehr gestattete, mich anzunehmen, wie ich bin, mit all meinen Schwächen und Stärken und das zu leben, was mir Freude bereitet. Ich wurde zu meiner besten Freundin.

Und ja, wenn ich in den Spiegel sehe, dann sage ich mir: „Ich liebe dich, du bist großartig.“
Es ist die Großartigkeit, die ich auch in meinen Mitmenschen sehe, die genau wie ich ihre Lebenslektionen lernen.
Wir sind nicht unser Körper, wir sind grenzenlose geistige Wesen in einem menschlichen Körper, die an der Universität Erde lernen, die Liebe in all ihren Ausdrucksformen, wie Selbst- und Nächstenliebe, Freundschaft, Mitgefühl etc. zu leben.

Wenn wir darauf warten, dass uns andere glücklich machen, dann verpassen wir das zu leben, was uns mitgegeben wurde, um uns selbst glücklich zu machen und es mit anderen zu teilen. Wir sind einzigartig und können uns daher nicht miteinander vergleichen. Wir können uns jedoch zum Wohle aller inspirieren, ergänzen und uns die Hand reichen, damit es uns leichter fällt, wieder aufzustehen und unseren Weg zu gehen. Das Gefühl von innerem Frieden kann nur ich selbst in mir erschaffen, indem ich mich annehme, wie ich bin und einen achtsamen, liebevollen Umgang mit mir pflege. Die Veränderung, die ich mir in meinem Leben wünsche, beginnt bei mir selbst und zwar durch Selbstliebe.

 

Fotos: Armin Tollmann / pixelio.de o., Andrea Lottow u.