Birgit Kratz im Gespräch mit Roy Klawitter

Roy Klawitter: Nach dem Ende der DDR wurden die Wurzeln abgeschnitten, ohne diese kann aber nun mal kein Baum wachsen. Jetzt sieht es so aus, als wären beide Seiten dran, mal genauer zu schauen.

Der illusionäre Wirtschaftsaufschwung ist offensichtlich vorbei und die „Ossis“ wissen nicht, was sie hier überhaupt sollen. Der Wirtschafts- und Individuationsgeist in den alten Bundesländern ist ja geblieben, der Osten hat sich angepasst, aber dabei das Wichtigste vergessen, die eigene Grundlage, die nun mal eine andere ist… Die Offenheit die du im „Westen“ vermisst hast, ist hier aber auch weitgehend verlorengegangen, weil die Menschen misstrauisch und ängstlich geworden sind, oder einfach dicht gemacht haben (aus Angst meistens). Die eigentlichen Qualitäten der Ostdeutschen, das Zusammengehörigkeitsgefühl (kein Nationalistisches!), die direkte Offenheit und kindliche Neugier und die Neigung zum Gemeinschaftsgeist sind irgendwie unter den Tisch gefallen.

Aus spiritueller Sicht ist natürlich jede Rolle Illusion, egal wie sie aussieht, aber ganz praktisch gibt es da noch einiges zu tun. Vermutlich ist Satsang in Westdeutschland so populär, weil dabei das Ego aufgelöst wird und das Wirkliche zum Vorschein kommt. Die Ostdeutschen hatten, glaube ich, nie so harte Egostrukturen, weil sie nicht besonders individuell waren. Unter der Maske des geschäftigen, wirtschaftlich denkenden Ostdeutschen steckt meist keine besonders echte Struktur. Im Grunde machen hier alle nur ein Spiel mit, das sie glauben spielen zu müssen, WEIL sie eben müssen, nicht weil sie wollen und können.

Dass du nun weniger Probleme mit der westdeutschen Art hast, seit du dich zu deinen Wurzeln bekennst, hat dich für die Menschen dort wahrscheinlich authentischer gemacht, weil du Ihnen plötzlich etwas zu geben hattest, eine neue Qualität, die sie noch nicht kannten! Wenn du so bist, wie du nun mal bist, dann ist das halt echter… Dass es dir nichts mehr ausmacht, wenn Leute unfreundlich zu dir sind, liegt dann wahrscheinlich daran, weil du du selbst bist und dich nicht verstecken musst. Wenn du dir selbst genügst, bist du ja nicht auf die Aufmerksamkeit der anderen angewiesen.

Die globale spirituelle Transformation, die wir gerade erleben, wird da noch einiges in Bewegung bringen. Je „höher“ die Energie kollektiv steigt, desto stärker wird das Alte und die überholten Rollen bröckeln. Alles Unechte, Aufgesetzte und Unehrliche wird im Licht des neuen Bewusstseins keinen Bestand haben können.

Birgit: Für welche Aspekte der großen Vielfalt spiritueller Richtungen sind die Menschen Deiner Erfahrung nach besonders offen und dankbar? Bei mir war es eindeutig der Zugang zur Stille, der sich mir durch das Erlernen der Meditation öffnete.

Roy Klawitter: Das tiefe Eintauchen in die Stille war irgendwie auch mein Schlüssel… Auch ich habe mich für einige Jahre total von der Welt zurückgezogen. Irgendwie hat mich das Leben immer mehr in die Enge getrieben, bis ich nur noch mit mir ALL-EIN sein konnte.

Dadurch, dass dieser Prozess bei mir nicht vollkommen freiwillig war, sondern sich zu Beginn etwas gezwungen angefühlt hat, war es für mich nicht besonders leicht, bei mir zu bleiben. Ich habe in dieser Zeit völlig zurückgezogen in einer Gartenlaube gewohnt, hatte kein Geld mehr und es war mir unmöglich, mit Menschen und den kollektiven Verhaltensformen etwas anzufangen. Ich konnte mich monatelang immer wieder nur hinlegen und versuchen zu entspannen. Das war meine Art der Meditation. Irgendwann muss ich dann einmal am Grund angekommen sein, denn dann wurde alles ganz einfach und die vielen inneren Spannungen sind verschwunden. Langsam über die Jahre wurde ich dann wieder „gesellschaftsfähig“, allerdings habe ich diese Tiefe in mir nie wieder verloren, das wurde mir aber erst viel, viel später klar…

Satsang hätte mir in dieser Phase sicher viel geholfen, aber das kannte ich zu dieser Zeit noch nicht. Erst viel später kam ich damit in Kontakt und dort wurde mir meine Erfahrung immer wieder bestätigt, sie musste nicht herbeigeführt werden. Dabei hat mir Satsang sehr geholfen. In diesem Sinne gibt es wahrscheinlich keine Trennung zwischen Ostdeutsch und Westdeutsch. Wir leben in einer Zeit, wo sehr viele Menschen aufwachen (müssen)! Deshalb gibt es Menschen, die auf Satsang „reagieren“ und dadurch in die Tiefe kommen, und es gibt Menschen für die das alles unverständlich ist…. Andere sind vielleicht schon erwacht, nur eben durch das Leben SELBST, ohne Lehrer. Diese sehen dann Satsang sicher eher als Unterstützung, diesen Weg weiter zu gehen.

Birgit: Suchen viele Menschen im Osten noch nicht wirklich nach der tiefsten Wurzel allen Seins, oder suchen sie auf eine andere Art!?

Ich weiß nicht genau, ob man da so konkrete Unterschiede machen kann zwischen Ost und West. Der Unterschied liegt sicher eher darin, wie man die Menschen erreicht. In meinem Arbeitsumfeld sehe ich immer wieder, dass die ganz praktischen Angelegenheiten die Menschen hier in die Sinnsuche (und Sinnkrise) bringen.

Viele kommen zu uns eben, weil sie total gestresst sind, ihr Leben nur noch aus Herumrennen und Sorgen besteht und manchmal weil der Arzt gesagt hat: „Ich kann ihnen nicht mehr helfen, versuchen sie es doch mal mit Meditation oder Entspannung…!“. Yoga ist hier im Osten zumindest schon so „vertrauenswürdig“ geworden, so das man damit etwas Positives verbindet (vor allem aber, wenn die Krankenkassen den Kurs bezahlen, was sie aber meistens nicht machen (-; )

Ich und meine Frau, wir sind im Grunde als spirituelle Lehrer tätig, weil es eben unserer Natur entspricht und weil es uns Spaß macht. „Satsang“ ist bei uns immer dabei, wir nennen es eben anders, weil die Menschen den Begriff „Satsang“, einfach noch nicht kennen. Aber wir stoßen auch immer wieder an Grenzen, wenige sind offen für spirituelle Inhalte, viele eben nicht. Manchmal wünschen wir uns auch, intensiver arbeiten zu können – mit Menschen, die das was wir zu geben haben, auch wirklich wollen und annehmen können!
Andererseits muss letztlich jeder selbst die Entscheidung treffen, sich dem Licht zu öffnen, dann beginnt der Prozess, von SELBST!

Vielleicht ergeben sich einfach nur aus der anderen „Wurzelthematik“, dem Aufwachsen in einer anderen Kultur (Kommunismus) andere Konditionierungen als die der Westdeutschen!? Letztlich wird hier im Osten ja meist nur die westdeutsche Kultur kopiert und nachgemacht.

Somit hat man nicht nur die eigenen ostdeutschen Konditionierungen, sondern hat sich dazu noch eine Maske, z.B. der geschäftigen Individualität aufgesetzt und muss nun beide Konditionierungen als unwirklich erkennen. In diesem Falle gibt es kein Ost und West, weil ja beides Vor-stellungen sind.

Wie genau ein spiritueller Lehrer im Osten aussehen muss, weiss ich nicht, auch wenn ich ein paar davon kenne. Wahrscheinlich sollte er/sie einige praktische Kenntnisse haben und nicht zu theoretisch sein, sonst glaubt man ihm nicht.

Meiner Ansicht nach müssen wir uns SELBST erkennen, d.h. aufwachen UND dann, aus diesem Bewusstsein heraus, als das, was wir sind, tätig werden, um diese Welt wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich ist! Wir lassen zu, dass das Licht in uns angemacht wird und dass das Licht wieder in allem auf diesem Planeten leuchten kann. So einfach stelle mich mir das vor. Da bin ich immer Kind geblieben…

Kontakt:
Birgit Kratz
www.spirituelles-portal.de

Roy Klawitter
www.mahatma-yoga.com
www.kael-unity.com

 Foto: Petra Bork / pixelio.de