Musik, Rhythmus und vertieftes Atmen werden schon seit Jahrtausenden genutzt um in veränderte Bewusstseinszustände zu gelangen. Schaman*innen und Mystiker*innen aller Zeiten und Teile der Erde verwenden dieses Wissen um Heilung zu erfahren, die Beschaffenheit der Existenz zu ergründen und sich mit den spirituellen Dimensionen des Seins zu verbinden. Die transformierende Kraft dieser Zustände ist aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Heute denkt man beim Stichwort „veränderte Bewusstseinszustände“  vor allem an die Einnahme von Drogen im Party-Setting. An kurze Euphorie, schöne Visuals, aber nicht unbedingt an langfristige Transformation.
Im gehaltenen, sicheren Raum aber ist viel mehr möglich. Eintauchen in den ureigenen Prozess, zu dem wir im Alltagsbewusstsein keinen Zugang haben. Verbindung zu den alten Wunden aufnehmen, Schließen der Abgründe, selbstverständlicher Teil der Schöpfung werden.

Wissenschaftliche Wurzeln

Eine mögliche Art diese tiefen Prozesse heute zu erleben, ist das Transpersonale Atmen. Diese Methode geht auf Stanislav Grof zurück, der es damals holotropes Atmen nannte, vom griechischen holos und tripein, „der Ganzheit entgegenstrebend“. Bei seiner psychedelischen Forschung in den 60er Jahren entdeckte er, dass Menschen in veränderten Bewusstseinszuständen Erfahrungen machen, die weit über das klassisch wissenschaftliche, biografische Modell der Psyche hinausgehen. Erfahrungen von Geburt, Tod und Wiedergeburt sowie dem Erleben der archetypischen und spirituellen Ebenen, die eben denen der alten Mystiker*innen gleichen. Jenen, die eine eigenständige, lebendige Beziehung zum Universum oder zum Göttlichen hatten, ohne dass diese durch eine Institution vermittelt wurde.

Diese Erfahrungen ließen seine Patient*innen Transformationen erleben, die langanhaltend ihr Leben veränderte

Das Transpersonale

Der Begriff transpersonal bedeutet „das Persönliche überschreitend“. Er beinhaltet alles, was über die ganz persönlich erinnerte Biographie hinausgeht. Hierzu gehören die eigenen Geburtserlebnisse und -traumata, Innenwelterfahrungen von Tieren, Pflanzen, Landschaften und Universen. Möglich sind auch Begegnungen mit dem Tod, mit Wiedergeburt, mit Initiation ins Menschsein. Erfahrungen in anderen Kulturen und anderen Jahrhunderten, Einheit mit Anderen oder mit Gott, Begegnung mit außerirdischem Leben, mit dem existenziellen Schmerz der Menschheit, sowie mit Krieg. Auch  transgenerationale Erfahrungen, das Durchleben und Aufarbeiten ungelöster Familienverstrickungen sind möglich.

Das Personale

Gleichzeitig beinhalten solche Innenweltreisen natürlich auch das zutiefst Personale, also das ganz Persönliche. Die eigene Lebensgeschichte, die eigenen Beziehungen, die aktuellen, wie auch die der Kindheit. Oder unsere ganz eigene Art Liebe und Beziehung zu verhindern. Wir können auch konfrontiert werden mit den eigenen Sehnsüchten und Ängsten, sowie mit Traumata und wiederkehrenden Mustern.

Im Prozess?

Manchmal ist es nicht so leicht, das Eintauchen und den Körper einfach machen zu lassen. Manchmal blockiert mich vor allem meine Idealvorstellung davon, was ich gerne erreichen möchte. Manchmal stoße ich vor allem auf meine eigenen Schutzmechanismen. Mein sich ewig einschaltender Kopf verhindert, dass ich in meinen Prozess eintauche. Denke ich wenigstens. Als wäre diese Trennung von mir selbst nicht mein Prozess. Genauso wie die Wut darüber. Und die Verzweiflung mich für immer weiter kontrollieren zu müssen und keinen Weg daraus zu finden. Mir schwant, das hat wohl doch was mit mir zu tun.

Schlussendlich waren eben diese Prozesse, in denen ich (vermeintlich) nicht „rein gekommen“ bin, genauso tief und lehrreich und lebensverändernd. Nur weniger bunt. Weniger flowig. Und wirklich zäh.

Integration

Am Ende von Erfahrungen in veränderten Bewusstseinszuständen gilt es, diese mit unserem Alltags-Ich in Verbindung zu bringen. Uns anzuschauen, was das, was wir erlebt haben, mit unserem Leben zu tun hat. Verknüpfungen zu weben, verbal und nonverbal, und so zu ermöglichen, dass unsere Erfahrung wirkt. Dass sie keine isolierte Erfahrung bleibt, an die man sich manchmal erinnert, sondern dass sie ihr transformatorisches Potential voll ausschöpft.

Der Sinn

Durch diese tiefen Erfahrungen ist es uns Menschen möglich, unseren Urgrund zu erforschen. Mehr Verbindung und Liebe in unser Leben zu bringen. Und  nicht nur Liebe für unsere Nächsten, sondern auch, größer betrachtet, bis ins Globale hinein. Wir werden uns fragen: Ist das, was ich tue, wirklich sinnvoll? Für mich? Für die Menschen? Für den Erdball?

Diese Erfahrungen eröffnen eine tiefere Perspektive auf unser Leben und auf uns als Menschheit. Sie fordern uns heraus, im persönlichen, ökologischen wie im politischen Sinne.

Am Anfang und danach

Meist weiß ich am Anfang nicht, worum es geht. Später kommen manchmal klare Bilder und intensive Gefühle. Manchmal sind es Szenen, die ich selbst erlebt habe, manchmal auch Bilder, die mit meiner Biografie wenig zu tun haben. Dennoch kommen sie aus meinem Inneren. Mein Körper bewegt sich wie von allein. Er weiß, wie es geht. Wenn ich ihn lasse. Er macht Geräusche und Töne. Er zittert. Er kennt sich aus im Innenweltprozess. Schiebt mich voran.

Nach etwa vier Stunden Atemprozess und Anderswelt ist das Auftauchen langsam. Meistens mag ich erstmal nicht viel sprechen. Bin weich. Durchgespült. Oft verstehe ich das Erlebte erstmal nur intuitiv. Kognitiv und in seiner Komplexität der oft auch verschiedenen Ebenen begreife ich es erst später, wenn ich im Sharing darüber spreche. Wenn ich das Bild später nochmal anschaue, das ich direkt danach gemalt habe. Wenn ich darüber nachdenke, was das eigentlich mit mir zu tun hat. Ein Puzzlestein mehr Ich. Ein Stück mehr Verbindung zum Menschsein.

Über den Autor

Avatar of Lilian Gscheidel

Gestalttherapie, Tanztherapie, Transpersonales Atmen.

Lilian leitet auch Liebesretreats, Heldenreisen, und eine Gruppe für Eltern von Sternenkindern.
Und sie begleitet Einzelpersonen und Paare in und durch existenzielle Krisen.
All colors & all genders welcome!

Transpersonales Atmen in Reetz bei Bad Belzig
12.-14.7. und 3.-6.10. 2019
sowie Termine bei Augsburg und in der Lausitz

 

 

 



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