Eines in der Literatur und in den heutigen Medien oft behandelten und dabei rätselhaften Themen ist die Liebe. In fast allen Texten geht es um die romantische Liebe. Und daher ist der Raum für Fehlinterpretationen und Beziehungsprobleme riesig. Denn das Bild der romantischen Liebe gleicht eher dem Ideal eines paradiesischen Zustandes, das wir nur zu gut aus unserer Kindheit kennen: das Ideal unerschöpflicher Zuwendung, bedingungsloser Geborgenheit, großzügiger Erfüllung unserer Bedürfnisse, Opferbereitschaft, Vertrauen. In einem Satz: Bedingungslose Liebe im wahrsten Sinne des Wortes.

Und was das Thema Liebe noch viel komplexer macht, ist die Tatsache, dass wir als Erwachsene ganz genau spüren, ob sie uns tatsächlich selbstlos geschenkt wurde, oder ob wir von einer falschen oder unechten Liebe manipuliert wurden. Oder, wenn sie gänzlich gefehlt hat, bleiben wir danach ein Leben lang auf der Suche nach ihr und streben nach diesem paradiesischen Zustand des Geliebtwerdens, ohne diese Liebe erwidern zu müssen. Dauert diese Suche zu lange oder geht unser Wunsch, wirklich geliebt zu werden, nicht in Erfüllung, können sich Hass- und Rachegefühle entwickeln, die sich als Gewalt entladen können. Oder wir wenden die Aggressionen gegen uns selbst mit der Folge schwerer Depressionen.

Lieben lernen

Liebe spielt eine zentrale Rolle in unserem Leben als menschliche und sterbliche Wesen. Vielleicht ist es unsere Lebensaufgabe als Menschen auf Erden, die Liebe und das Lieben zu lernen.

Als Erwachsene machen wir unsere guten und weniger guten Erfahrungen mit der romantischen Liebe. Mal lieben wir oder werden aus Bedürftigkeit geliebt, oder vielleicht stehen eher finanzielle und materielle Bedürfnisse im Vordergrundund die Liebe ist nur vorgetäuscht. Oft verwechseln wir das sexuelle Begehren mit Liebe. Die Natur hat es mit dem Gefühl der Liebe geschickt eingerichtet, vor allem um für unsere Nachkommen zu sorgen. Aber wir Menschen als denkende und handelnde Wesen können die Liebe an sich nicht in Worte fassen.

Irgendwann begreifen wir dann doch, dass wir uns vom Ideal der Liebe als paradiesichem Zustand aus der Kindheit, also auch von der romantischen Liebe im Erwachsenenalter, verabschieden müssen, um uns einer realistischeren Liebeserfahrung zu widmen. Und diese beruht auf einer bewussten Entscheidung jemanden zu lieben. Dazu gehört eine Ausgeglichenheit im Geben und im Nehmen. Denn wir sind keine Kinder mehr und als Erwachsene müssen wir etwas dafür tun, damit die Liebe lebendig und wahrhaftig bleibt.

Warum ist eine bewusste Entscheidung vonnöten, jemanden zu lieben? Weil ich dann aus Liebe zu der geliebten Person mein eigenes Wohlergehen im Interesse dieser Person aus freien Stücken zurückstelle und mir darüber bewusst bin.

Dadurch handele ich verantwortungsvoll als Erwachsener und kann mit den daraus resultierenden Konsequenzen umgehen. Hier spiegelt sich der Geist der echten Ehe wieder, doch man braucht für diese Entscheidung nicht unbedingt zu heiraten.

Dazu kommt noch die zweite Bedingung, die besagt, dass sich Geben und Nehmen zwischen beiden Liebenden die Waage halten sollten, zumindest in für beide vertretbaren Zeiträumen, damit es sich keiner der Beteiligten innerhalb der Liebesbeziehung in einer kindlichen Haltung bequem machen kann. Phasen von Krankheit oder Unterstützung bei persönlichen Lebenskrisen bedürfen natürlich der Hilfestellung des stärkeren Partners, jedoch wird die Liebesbeziehung auf eine harte Probe gestellt, falls eine solche Situation einen permanenten Zustand herbeiführt.  Letzteres gilt unbedingt auch für Beziehungen, in denen ein Partner den anderen auf Dauer wenig respektvoll behandelt.

Selbstliebe

Die Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen kann uns im Wesentlichen auch besser gelingen, wenn die Liebe zu uns selbst in der Beziehung zum Partner nicht außer Acht gerät. Woher kommt eine gesunde Selbstliebe? Damit ist nicht das Ego oder die Selbstzentriertheit gemeint. Ich kann die Chance als Kind und junger Erwachsener wahrnehmen, einen liebevollen Umgang zu meiner eigenen Person zu entwickeln, indem ich von meinen Eltern und von meiner Familie die Liebeserfahrung als echt und wohlwollend erlebt und empfunden habe. Daraus entwickelt sich das „Urvertrauen“ zum Leben und zu mir selbst. Dies ist ein überaus wichtiger Entwicklungsschritt im Leben eines jeden Menschen. In diesem Lebensabschnitt werden die emotionalen und seelischen Weichen für unseren künftigen Umgang und für unsere späteren Liebesbeziehungen mit anderen Menschen als Erwachsene gestellt. Davon hängen die Qualitäten von Fähigkeiten wie Offenheit, Vertrauen, Zuwendung, Respekt, Wohlwollen, körperliche Nähe, Selbstlosigkeit u.v.m. ab, die in der Gesamtempfindung der Liebesbeziehung diese individuell als glücklich oder unglücklich bzw. womöglich als belastend bewertet werden.

Manchmal können uns jedoch wichtige Entwicklungsschritte fehlen und / oder Traumata in unserer Lebensbiografie müssen aufgearbeitet werden. Heute sind wir in der Lage einige bewährte und hilfreiche Methoden in der therapeutischen Arbeit in Anspruch nehmen zu können. Dazu zählen insbesondere die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem „Inneren Kind“, die spirituelle Meditation, die Yogapraxis, die therapeutischen Ansätze in der Kunst, in der Musik, im Zusammenhang z.B. mit Tanzen  und Körperübungen. Dadurch kann der Weg in eine glückliche und erfüllte Liebesbeziehung trotz aller Widerstände geebnet werden, unsere Bereitschaft der aktiven Mitwirkung natürlich vorausgesetzt.

Respektvolle Trennung

Oft kann auch eine authentische Liebesbeziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen doch irgendwann auseinandergehen. In dieser Situation ist es von größter Wichtigkeit, dass kein „Schuldiger“ gesucht wird, sondern man versucht mit den Gegebenheiten wieder auf erwachsene Weise umzugehen. Man kann es den Tatsachen des Lebens zuschreiben, dass wirklich nichts für immer ist. Man kann es den veränderten Lebensumständen eines Partners zugutehalten, weil wir uns schließlich alle innerhalb unserer persönlichen Anteile auch in Liebesbeziehungen ständig weiter entwickeln. Trotzdem sollte man sich als Partner die Entscheidung zur Trennung niemals leicht machen und zuallererst dem Partner eine Chance der Wiederannäherung als Antwort auf die persönliche Veränderung zugestehen.

Diese Wertschätzung des Partners ist auch ein wichtiger Aspekt der Liebe. Falls beide dann doch den Entschluss zur Trennung fassen, leuchtet eine andere Facette der Liebe durch: die Freiheit beider Partner. Die erwachsene Haltung dem geliebten Menschen gegenüber erlaubt es mir zu sagen: Ich bin mit deiner nächsten Entwicklungsphase einverstanden, gerade weil ich dich liebe. Und für mich stellt sich die Situation zudem als neue Chance für meine eigene weitere Entwicklung mit einem anderen Partner dar.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*