von Elvira Müllers

Verbundenheit und Beziehung sind ein ursprüngliches Bedürfnis des Menschen. Sie sind dem Wandel unterworfen. Die Ereignisse im Jetzt führen unsere Autorin immer wieder dahin, sich ihr Denken und Fühlen genauer anzusehen. Aber auch unablässig nach dem Positiven im Leben zu streben. Inspiration und Motivation findet sie im Miao Fa Zentrum.

Anklopfen

Persönlich faszinieren mich die Weisheitstexte des Yoga. So suchte ich bereits seit längerer Zeit nach einem Lehrer, der mich in der Meditation begleitet und wo ich Motivation zum verstärkten selbständigen Üben finden kann. Denn es geht ja im Yoga wie auch in der buddhistischen Lehre hauptsächlich um die eigene Praxis, die sich auf die traditionellen Schriften bezieht. So klopfte ich eines Tages an Shifus Tür, nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Freundlich lud sie mich ein, zu einer Tasse Tee in die kleine Bibliothek im vorderen Raum, zu einem Gespräch. Mittlerweile sind über zwei Jahre vergangen.

 

Über Shifu

Shifu Simplicity ist eine deutsche buddhistische Nonne. Das Leben einer vollordinierten Nonne widmet sich hauptsächlich der intensiven Schulung, ein möglichst achtsames und genügsames Leben zu führen. Bei diesen Studien handelt es sich nicht um ein abgehobenes oder rein intellektuelles Studium. Denn der persönliche Bezug zum Alltag, die Anwendung der Sutren im eigenen alltäglichen Leben spielen die größte Rolle. Shifu studierte Medizin und Sinologie in Göttingen, schloss ihr Studium als Ärztin ab. Ihre spirituelle Sehnsucht führte sie dann, vor vielen Jahren, zunächst nach Frankreich, nach Plum Village in das buddhistische Meditationszentrum. Unter dem Zen-Meister Thích Nhất Hạnh wurde ihr 1998 die Ordination als Nonne übertragen. Drei Jahre später erhielt sie die volle Ordination. 

Ihre Suche führte sie anschließend nach Asien. So tauchte sie während ihres vierzehnjährigen Aufenthaltes in Taiwan tief in die klassische Chan-buddhistische Tradition ein. Das Studium war nur möglich, wenn sie die chinesische Sprache beherrschte. Also machte sie sich an das Lernen. Lernte die chinesische Sprache, studierte die Grundlagen des Buddhismus in Originalschriften.  Vierzehn Jahre verbrachte sie dort. Manchmal erzählt uns Shifu über ihr Leben, ihren persönlichen Erfahrungen in der Ferne, wie von einer anderen Welt.

Hin und wieder bringe ich Shifu ein Stück selbstgebackenen Dinkel-Johannisbeere oder Kirschkuchen vorbei. Dann geht ein Strahlen über ihr Gesicht und ihre Augen leuchten vor Freude. Natürlich wird sie die kleine Leckerei zunächst dem Buddha darbringen, mit einer Geste der Verneigung.

 

MIAO FA  – wunderbares Dharma

„Miao Fa“ bedeutet übersetzt „wunderbares Dharma“. Das „Dharma“ ist die korrekte Lehre des Lebens. Sie geht von sehr alten Fragen der Menschen, von seinem Dasein aus. Die natürlichen und emotionalen Zusammenhänge des ganzen Lebens und des Universums werden mithilfe des Dharma erklärt. Manchmal, zu Beginn des Kurses, haben mich einige der Erzählungen von Shifu erschreckt. Ich war irgendwie irritiert oder auch blockiert. Vielleicht handelte es sich nur um ein einzelnes Wort, das mich berührte. Daher benötigte ich dann immer wieder etwas Rückzug um über die wahre Bedeutung dieses einzelnen Wortes nachzudenken, zu reflektieren. Es gab vor dem Lockdown jedoch regelmäßig „Monkchats“ bei Tee, Kerzenschein und kleinen Leckereien.  Jeder steuerte mal etwas dazu bei. Alle Anwesenden der einzelnen Gruppen, Anfänger wie auch weit Fortgeschrittene, hatten die Möglichkeit in der gemeinschaftlichen Runde, Fragen zu stellen und sich auch über persönliche Sichtweisen auszutauschen. Nun, das ist bedauerlicherweise derzeit leider nicht mehr möglich.

 

Respekt

„Shifu“ ist ein Ehrentitel, ist die chinesische Bezeichnung für spiritueller Lehrer und Lehrerinnen und wird als Anrede für alle buddhistischen ordinierten Mönche und Nonnen verwendet. Es handelt sich um eine respektvolle Anrede und bekundet den besonderen Respekt vor dem Lehrer, traditionell dem „Meister“, der „Meisterin“. Sie alle geben die Lehre Buddhas an ihre Schüler weiter. Dieser Titel drückt eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung aus. Shifu Simplicity ist die „Ehrwürdige Jian Xiao“. Sie ist „Äbtissin“, Leiterin des Zentrums. Ihr konsequenter Lebensstil, in dem sie sich ständig weiter schult, ist mit einhergehenden Pflichten verbunden. Mit einzuhaltenden Regeln, die eine Nonne freiwillig auf sich nimmt, um der Welt und dem Guten zu dienen und die Lehren des Buddha in ihrer Tradition, ihrem Ursprung weiter zu geben. Das Alte Wissen erfuhr, erlebte sie selbst, ganz persönlich in ihrem Klosterleben in Taiwan, durch ein tiefes „Sich einlassen“ in eine andere, ihr selbst fremden Lebensweise, einer ganz anderen Kultur als unser westliches Denken sich vorstellen kann.

 

Vertrauen – Ursprünge von Leid

Alle menschlichen Schwächen sowie der persönliche Umgang mit diesen, sind in den Lehrreden des Buddha benannt. Aber sie zeigen immer auch Lösungswege, heraus aus dem Leid oder dem Schmerz auf. Denn die Menschen hatten bereits vor über zweieinhalbtausend Jahren ähnliche Probleme, mit denen wir es heute zu tun haben. Wir schauen in der Praxis nach den Ursprüngen von Leid. In der Regel sind unter anderem Angst, Gier, Hass und der Zorn wie auch falsche Sichtweisen, Scham und Zweifel damit verbunden. Trägheit, Ruhelosigkeit und Achtlosigkeit bilden weitere Aspekte. Der Wille andere zu verletzen, zu zerstören, ob Mensch, Tier oder die Umwelt, ist thematisiert. Sie alle werden in den grundlegenden und sekundären unheilsamen geistigen Gebilden aufgeführt.

Im Gegensatz dazu finden wir die positiven Aspekte. Sie gilt es zu stärken, durch die Praxis. Durch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, der Präsenz in jedem Augenblick des Lebens, bewusste Wahrnehmung dessen, was ist. Entschlossenheit, Konzentration und Verstehen. Und als Motor brauchen wir nun einmal die Lebensfreude. Freude in unserem Handeln. Hier kommt das Vertrauen, der Respekt dem Lehrer oder wie hier beschrieben, der ordinierten Nonne Shifu Simplicity gegenüber ins Spiel. Denn allein, ohne Anregung, oder Anleitung, ohne wahres Wissen über tiefe und ganzheitliche Zusammenhänge wird es kaum möglich sein, sich selber in eine positive Richtung weiter zu entwickeln.

 

Der Unterricht

Im Unterricht begeben wir uns auf eine Art der Reise in die Zeit des Buddha zurück. Entsprechende Begebenheit werden von Shifu erzählt, manchmal auch direkt aus dem chinesischen ins deutsche von ihr übersetzt. So lernen wir beim Studium gleichzeitig die Geschichte seiner Entstehung kennen, aber auch Gesamtzusammenhänge in ihrer Tiefe teilweise zu erfassen oder zu erkennen. Immer wieder geht es um persönliche Erkenntnisse. Ich entdecke immer wieder Zusammenhänge zwischen der buddhistischen Lehre und den Weisheitstexten des Yoga. Dies macht es für mich besonders spannend.

 

Chan Buddhismus

Chan ist das chinesische Wort für das bekanntere japanische Wort Zen. Der Buddhismus wird oft als „Wissenschaft des Geistes“ bezeichnet. Im Chan-Buddhismus geht es immer um die Suche nach dem wahren Selbst. Meditation ist dabei eine Hilfestellung, eine Übung. „Es gilt, jeden einzelnen Gedanken loszulassen, alle rationalen Theorien und verworrene Emotionen hinter sich zu lassen, sich selbst in einen Zustand zu bringen, in dem kein einziger Gedanke, kein hinderliches Gefühl aufkommt, sondern nur noch die direkte Wahrnehmung steht, eine absolute Bewusstheit.“

 

Das Gesetz oder Weltengesetz

Die Lehre des Lebens ist im Buddhismus das Dharma. Das Gesetz. Die natürlichen und emotionalen Zusammenhänge des ganzen Lebens werden mithilfe des Dharma erklärt. „Das Dharma ist die Lehre des Lebens, allumfassend und immer gültig.“ Es kann zu jeder Zeit auf die aktuellen Ereignisse übertragen werden.[1] Leben ist entstehen, werden und vergehen. Unsere Vergänglichkeit ist derzeit sehr präsent. Die äußere Situation wirkt auf unser Innerstes ein. So sind auch unserem Geist, unsere Gedanken und Wünsche ständig Veränderungen unterworfen. In Buddhas Lehre geht es darum, zu lernen, nicht so sehr und ständig, den eigenen wirren Gedanken unreflektiert zu folgen, sich ihnen auszusetzen. Mit all ihren negativen Folgen. Sondern ihrem Ursprung erforschen. Sich dabei auf den wahren inneren Kern zu konzentrieren. Veränderung bedeutet Mut, den Mut sich auf veränderte Bedingungen einzulassen, selber forschen, Arbeit, Vertrauen in sich selbst, Glaube an sich selbst, Hingabe an die eigene innere Überzeugung und Gewissheit.

Dies macht es für mich gerade jetzt, in den sich immer mehr verändernden Zeiten von Corona, immer wichtiger: Eine Orientierung, eine Art Ziel oder Basis gefunden zu haben, auf die ich aufbauen kann. Im Vertrauen. Denn im Mittelpunkt steht das ständige Bemühen um Achtsamkeit, die Präsenz in jedem Augenblick des Lebens. Oder auch: „awareness“. Das Wort „awareness“ leitet sich vom Englischen​ „to be aware“ ab. Es beinhaltet unter anderem, sich über sich selbst oder über etwas bewusst zu sein, fortwährend nach einem klaren oder reinen Geist zu streben. Es bedeutet die individuellen Grenzen und Bedürfnisse von mir selbst, wie auch von anderen stets zu respektieren und zu achten.

 

Miao Fa Zentrum – für Meditation und Chan-Buddhismus

Vor zweieinhalb Jahren, im Herbst 2018, eröffnete Shifu, wie wir sie der einfachhalber nennen, ihr eigenes Zentrum, das Miao Fa Zentrum für Meditation und Chan-Buddhismus in Berlin-Spandau, am Rande der Stadt.  Sie folgte damit ihrer persönlichen Intuition, ihrer inneren Überzeugung.  In großer Entschlossenheit, mit viel Eigeninitiative ließ sie die Einrichtung per Schiff direkt aus Taiwan anliefern. Die Statue des Buddha, die braunen Sitzkissen und Decken, Instrumente, Bilder und andere wertvolle traditionelle Gegenstände.  Der Rest der Einrichtung stammt aus zweiter Hand. So verwandelte sie die Räume einer ehemaligen Bäckerei mithilfe von Eltern und Freunden in ein buddhistisches Zentrum in der chinesischen Chan Tradition.

 

Das Zentrum

Shifu Simplicity leitet das Zentrum persönlich. Die Tür steht allen Menschen offen. Hier findet eine Art der Nachbarschaftshilfe statt. Diese gehört traditionell auch zum Service vieler Tempel in asiatischen Ländern. Menschen mit ihren alltäglichen Sorgen und Anliegen finden hier Unterstützung und Beistand. Denn jeder ist willkommen und Shifu hört aufmerksam zu. Das Zentrum bietet kostenlose Kurse in Meditation, kombiniert mit dem Unterricht über Buddhismus, regelmäßige Meditationen, Sutra-Studien, Achtsamkeitstraining, Eintagesretreats, Lebensberatung, Monk Chats (Frage und Antwort über Buddhismus mit Shifu Simplicity oder Gästen) sowie Gehmeditationen an der Havel im Freien an. Auf Anfrage bietet Shifu auch Seminare und Vorträge außerhalb des Zentrums in Berlin und anderen Orten an. Zum Beispiel in Schulen. In erster Linie geht es ihr jedoch um die Weitergabe des traditionellen Chan-Buddhismus. Es ist ihr wichtig, diesen in Deutschland zu lehren, dem Land, in dem sie einst geboren wurde.

 

Finanzierung – das Prinzip von Dana

Wie in asiatischen Klosterleben oder Traditionen üblich, finanziert sich das Miao Fa Zentrum ausschließlich durch Spenden. Das Spenden hat in diesen Ländern einen anderen Schwerpunkt als in westlichen Zivilgesellschaften. Seit Jahrtausenden geben Mönche und Nonnen das Dharma, das sie intensiv praktizieren, weiter. Sie geben oder tun etwas für die Welt. Dafür erhalten sie Dankbarkeit von der Bevölkerung und werden dafür von der Bevölkerung unterstützt. Großzügigkeit (Dana) ist ein wesentlicher Bestandteil der buddhistischen Übung. Das Miao-Fa Zentrum möchte an diesem buddhistischen Prinzip festhalten. Denn alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, hier teilzunehmen, sich persönlich spirituell weiter entwickeln zu können.

Eine Spende zu geben, steht jedem einzelnen Menschen offen. Das „Geben“ sollte von Herzen kommen. Nicht rein materiell. Auf diese Art und Weise werden der Aufbau und Unterhalt des Zentrums, der Lebensunterhalt der dort lebenden Nonnen sowie alle angebotenen Aktivitäten unterstützt. Ein jeder kann sich selber fragen: “was ist es mir persönlich wert, was ist mir möglich?  was kann ich geben?“ Auf Wunsch stellt das Miao-Fa Zentrum auch gerne eine Spendenbescheinigung aus.

 

Erweiterung des Zentrums

Aus ihrer geerdeten, klaren und zuversichtlichen Haltung heraus, entstand der Wunsch zur Erweiterung des Miao-Fa Zentrums außerhalb Berlins. Die Eröffnung eines buddhistischen Klosters in Brandenburg, in naturnaher Umgebung, gelegen an einem See, ist in Planung. Als zweites Standbein, für längere Aufenthalte, für die Übungspraxis des Chan-Buddhismus. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert, soll auf Spendenbasis erfolgen. Auch ich unterstütze gerne die Umsetzung mit Freude.

 

[1] https://www.buddhanetz.net/dharma-die-lehre-buddhas/

 

Miao Fa Zentrum für Meditation und Chan-Buddhismus
Streitstr.23
13587 Berlin Spandau
030-74074628
info@miao-fa.de
www.miao-fa.de
Konto: Miao Fa Zentrum
IBAN: DE31 1004 0000 0893 1933 00
BIC: COBADEFFXXX
Verwendungszweck: Spende

 

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