von Judith Mücke

Dieser Artikel soll für all jene Menschen ein Lichtblick sein, die mit einer inneren Leere den Alltag verbringen. Einem Zustand, der sich anfühlt, als wäre man nicht richtig da, als gäbe es einen nicht. Man kann diese unsägliche innere Verfassung auch als Identitätsschwäche oder als innere Abwesenheit beschreiben. Viele Menschen fühlen sich innerlich tatsächlich leer, ahnen auch, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, doch sie wissen oft nicht, dass sie diese seltsame innere Verfassung auch hinter sich lassen können.

Innere Leere ist nicht Nichts

Eine innere Leere ist nicht einfach nur Nichts. Es ist vielmehr ein unangenehmes, manchmal auch beunruhigendes oder bedrückendes Wegbleiben der eigenen inneren Regungen, Gefühle und Impulse. Das Leben schwingt und pulsiert um einen herum, doch es ist so, als wäre man nicht richtig beteiligt. Wir Menschen entwickeln in solch einer Situation wirklich gute Strategien, um trotzdem gut, richtig oder halbwegs angemessen auf das Leben und unsere Mitmenschen reagieren zu können, doch auf Dauer kann das sehr ermüdend sein. So bringt die innere Leere also immer ihre kleine Schwester mit: die Erschöpfung. Es ist der hohe Energieaufwand, mit dem wir über Jahre hinweg, die Kluft zwischen uns und dem Leben überbrücken müssen. Irgendwann fühlen wir uns nicht nur leer, sondern auch noch schlapp und müde.

Vom Versuch, der inneren Leere zu entkommen

Wenn wir uns innerlich halbtot fühlen, dann versuchen wir natürlich, diesem Zustand durch Ablenkung zu entkommen. Wir gehen feiern, schauen Filme, arbeiten, zocken, kümmern uns um andere Menschen oder funktionieren einfach wie am Schnürchen. Wir werden richtig gut darin, uns regelmäßig mit Lebendigkeit aufzuladen, indem wir täglich viele kleine Hormonschübe produzieren. Mit Sport, Sex, Drogen, Shoppen, wenig Schlaf oder aufregendem Zeitvertreib hauchen wir uns immer wieder Leben ein, denn all diese Dinge sorgen dafür, dass wir Überlebenshormone ausschütten, die uns wach und energetisch machen. Eine hormonelle Abhängigkeit kann nun entstehen, welche unser Immunsystem schwächt und unsere Nebennieren langsam erschöpfen lässt. Egal, hauptsache wir fühlen uns nicht immer so taub und abgeschnitten und das Leben geht weiter.

Wir sind das Leben

Eigentlich sollten wir uns bis ins hohe Alter lebendig fühlen, doch das können wir nicht, wenn wir nicht mit uns verbunden sind. Eine Unverbundenheit mit uns selbst, kann innere Leere erzeugen. Auch Leere ist ein Ausdruck des Lebens. Sie tut zwar so, als wäre sie nichts, doch in Wirklichkeit ist Leere ein quälender Mangelzustand. Wenn wir zu wenig Geld, Liebe, Bewegung oder Sauerstoff haben, dann fühlen wir uns meist unwohl. So ist es auch mit der Abwesenheit unseres inneren Wesens: wir fühlen uns damit mehr oder weniger schlecht. Doch warum haben wir unser inneres Wesen vor die Tür gesetzt? Und wie können wir es wieder in uns hinein holen?

Not macht erfinderisch

Kein Mensch trennt sich freiwillig von sich selbst ab. Es ist immer eine Notlage, die uns dazu bringt, innerlich zu fragmentieren. Am Ende will unser System dafür sorgen, dass wir überleben. Und dafür müssen wir manchmal Teile von uns wegsperren und die Tür nun andauernd zu halten. Werden wir in ein traumatisiertes Familiensystem hinein geboren, dann verbinden wir uns oft mit dem Schmerz unserer Ahnen. Unser System nimmt solch einen Schmerz dann gern als den eigenen wahr und versucht ihn so zu integrieren, dass er uns nicht zerstört. Zudem verdrängt das Fremde unser inneres Wesen: Willkommen innere Leere! Aber auch unsere eigenen Verletzungen und tiefe Traurigkeit schieben wir vor die Tür, weil wir mit diesen Gefühlen einfach nicht klar kommen. Und natürlich auch jedes Trauma, alles, was zu viel, zu schlimm, zu extrem war, wird von unserem System innerhalb von Sekunden ins Nachbarzimmer gesperrt. Tür zu und ruhe – noch mehr Leere!

Die Türen zur Seele öffnen

Die Alternative zur inneren Leere ist das Fühlen von Schmerz und Traurigkeit. Nur so können wir inneren Frieden, Liebe und anhaltende Lebendigkeit wieder erleben. Kein Wunder also, dass so viele Menschen lieber halbtot herum laufen, anstatt ihre verschlossenen Seelentüren zu öffnen. “Heilung tut weh!” – sagte einmal ein großartigerTraumatherapeuth zu mir. Ja, das kann ich bestätigen. Wir weinen und schluchzen, wenn es losgeht. Alte verdrängte Erinnerungen kommen hochund der Körper kann zittern und beben, wenn sich Trauma, Schmerz oder Trauer aus uns heraus bewegen, um uns zu verlassen. Es ist zeitweise Arbeit und auch etwas anstrengend, aber es lohnt sich. Das Leben zu spüren und verbunden zu sein, ist das, was die Reise eines lebendigen Wesens ausmacht und uns ein sinnvolles Dasein verschafft. Verfüttern wir hingegen unser Leben an unsere innere Leere, dann ist es so, als wäre der Wagon vom Gleis gefallen. Die Reise ist zu Ende.

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