Wahre Verantwortung 10. Juli 2013 Die meisten Menschen rennen der Erfüllung ihrer Wünsche hinterher. Sie manipulieren andere Menschen, damit diese sich nach ihren Bedürfnissen verhalten, und sie sehen die Welt insgesamt als feindlichen Platz, an dem es um das eigene Überleben zu kämpfen gilt. Das alles sind kindliche Verhaltensweisen und Überzeugungen, die Leiden verursachen. Und all das ist nicht falsch, sondern einfach ein intelligenter Hinweis eines liebenden Universums, die persönlichen Überzeugungen zu überprüfen, bevor man für sie kämpft. Darin liegt unsere wahre Verantwortung. Im Jahr 1999 bin ich im Satsang mit Isaak Shapiro auf La Gomera mit der Gedankenüberprüfung, die in der Welt als „The Work of Byron Katie“ bekannt geworden ist, in Berührung gekommen, und es hat mich nicht mehr losgelassen. Dieser erste wesentliche Schritt der Selbst-Überprüfung ist radikal. Durch den Willen zur intelligenten Innenschau werden die schmerzlichen Wurzeln unserer Kindheit gezogen. Wir werden erwachsen. Bewusst. Liebe, Frieden, Freiheit und eine bedingungslose Lebensfreude sind Qualitäten des bewussten Erwachsen-Seins. Normalerweise folgt jeder neu geborene Mensch automatisch einem Lern- oder Konditionierungs-Prozess. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Wir beziehen uns auf Sätze, die wir hören, und setzen uns darin selbst in Szene (Ich-Bildung, Prägung). Im Glauben an äußere Autoritäten bildet oder prägt sich sehr früh ein subjektiver Blickwinkel, mit dem sich der Kinder-Mensch identifiziert. Das ist der Beginn einer Kriegführung um persönliche Bedürfnisse, die normalerweise (noch) nicht selbst bewusst überprüft sind. Verantwortungslos in Bezug auf die Wahrheit, welche Bewusstsein oder allgegenwärtig existierende Liebe ist, ist der Kinder-Mensch im täglichen Glaubenskrieg involviert. Verhängnisvolle Unwissenheit Bis das Erwach(s)en geschieht, besitzt der in seinen Grundüberzeugungen festgefahrene Mensch unabhängig von seinem Alter das Angst-aggressive Potenzial der Unwissenheit. Der daran gekoppelte Mangel an innerem Frieden (Unruhe, Mangeldenken) lässt eine friedliche, verantwortungsbewusste, freie Handlung nicht zu. Der Kinder-Mensch leidet er an seiner Feindseligkeit, an Fremdenhass, weil er sich selbst fremd ist. Krieg in Familien, gegen andere Völker, Ausbeutung, Weltuntergangs-Fantasien, Verschwörungstheorien stehen auf der Tagesordnung. Der von seinen Bedürfnissen abhängige Kindermensch fühlt sich anderen Menschen und einer bedrohlichen Umwelt gegenüber ausgeliefert. Er stagniert im oft unbewussten Glauben, ein Opfer zu sein. Dass sein unfriedliches Weltbild auf dem kindlichen Irrtum des Liebesmangels und dem daran gekoppelten Selbsthass beruht, weiß er nicht. Dass er durch sein Opfersein im selben Moment Täter ist, ist meist ausgeblendet. Er sucht Sicherheit, Schutz und Frieden, streitet für Recht und Gerechtigkeit, um Grenzen, Liebe, Anerkennung, um Nahrung, das richtige Ernährungs-, Heilungs- oder Umweltkonzept usw. im Sinne seiner von Angst erfüllten Überlebens-Strategie. Er ist Opfer seiner ungeprüften Grundüberzeugungen, in einer schmerzlichen Abhängigkeit in sich selbst gebunden und weiß es nicht. Anstatt die Verantwortung für die persönliche Denkweise und den daran gekoppelten Schmerz selbst zu übernehmen und damit aus der Opferrolle aufzuwachen, schieben wir die Verantwortung für die eigene Befindlichkeit unentwegt von uns weg. In der Schuldzuweisung geben wir sie ab an Eltern, Kinder, Partner, Lehrer, Freunde, Wissenschaftler, Ärzte, an den Staat, das Militär, an Ausländer oder an Gott. Selbstherrlich behaupten wir manchmal auch, Schuld am eigenen Leiden zu sein und/oder Verantwortung für Kinder, andere Menschen, für die Umwelt usw. zu haben. Doch das wir haben nicht. Durch den an der Wurzel sitzenden Selbsthass sind wir be- und geladen mit falsch verstandener Verantwortung und daher mit Schuld und Lüge. Ohne das Wahrheits-Bewusstsein des Erwachsenen bleibt Frieden, Freiheit und wahre Liebe ein Traum. Unbewusstheit – der menschliche Schlafzustand Angst, Wut, Trauer, Depression, Unruhe, Verletztsein, Unklarheit, Unglücklichsein sind emotionale Echos von Selbsthass, hysterische Reaktionen der in der Kindheit erworbenen Gedanken, die bis heute nicht als Lügen erkannt sind. Hass besitzt einen Selbstzerstörungsmechanismus, der kaum zu kontrollieren ist. Er richtet sich sowohl gegen den eigenen Körper, gegen andere Menschen und gegen den Körper der Erde. Solange die eingeprägten Gedanken nicht selbst bewusst überprüft und genau dadurch als Illusion (Irrtum, Täuschung) durchschaut sind, bewegt sich der durch Aggression geladene Kinder-Mensch im Kreislauf seiner ursprünglich geprägten Denk- und Verhaltensstruktur. Darin gefangen lebt er in einem Traum(a). Schmerzliche Verwirrung in Bezug auf die Dinge des Lebens und der Liebe ist charakteristisch für den in Bezug auf sich selbst unbewussten Menschen. Der oft vom unbewussten Menschenkind zitierte Satz: „Das ist nun mal meine Prägung“, ist eine Verteidigungs-Strategie des eigenen Schmerzes, Ausdruck von Hilflosigkeit und Unfähigkeit zur Veränderung. Doch die eingeprägten kindlichen Überzeugungen sind eine Ein-bildung, falsche, verhängnisvolle Bildung. Sie können und müssen nicht verändert werden. Im Willen erwachsen zu sein, Verantwortung für die Einprägung zu übernehmen, werden sie leicht als Missverständnisse durchschaut. In der Klarheit des Seins zu erwachen ist sehr berührend. Erwach(s)en werden = Erwachen in der Wirklichkeit Durch intelligente Innenschau ist die Täuschung erkannt. Indem sich Liebe offenbart, erwacht der Mensch aus seinem kindlichen Traum(a), getrennt und darin einsam, ausgeliefert, nicht genug geliebt, unbefriedigt, wertlos, unheil oder verloren zu sein. Das Erwachen in der Liebe ist der entscheidende Schritt des unbewusst geprägten Kinder-Menschen hin zum Erwachsenen. Es ist der wesentliche Schritt aus der Abhängigkeit in die Freiheit, den jeder selbst tun muss. Der unbegreifliche Zustand der Liebe existiert unabhängig von äußeren Bedingungen hier und jetzt in jedem Menschen. Als das wahre Selbst durchdringt Liebe sowohl den eigenen Körper als auch die äußere Welt. Eins. Es ist immer die mysteriöse Schöpfungs-Kraft der (göttlichen) Liebe, die mich hier und jetzt in Freude bewegt. Liebe ist kein Gefühl, sondern ein Zustand der Seins-Klarheit. Wie das im Einzelfall aussieht, kann niemand wissen, bevor er/sie nicht selbst bewusst in Liebe erwacht. Um das selbst zu erfahren, ist eine gewisse Auszeit von den Alltagsbeschäftigungen hilfreich. Durch die unbewusste Anhaftung an Gedanken wie „Ich brauche Schutz, Liebe, Anerkennung, Wertschätzung“, „Etwas Schlimmes könnte passieren“. „Es ist möglich, etwas falsch zu machen“, „Sexualität ist ein menschliches Bedürfnis“, „Der Körper braucht Essen und Trinken, um am Leben zu bleiben“ ist das Menschenkind blind, unfrei, körperlich bedürftig, abhängig. Die von Generation zu Generation übertragenen Grundglaubenssätze enthalten den Schmerz der kindlichen Unwissenheit. Sie erhalten eine traumatisierte Menschheit, die im Kollektiv nicht erwachen (erwachsen werden) kann. Für bewusstes Sein ist jeder selbst verantwortlich. Dieser Wille ist charakteristisch für den Erwachsenen. Soziale Befreiung Ist der Gedanke „Ich brauche Schutz, Liebe, Anerkennung, Wertschätzung“ als eine kindliche Täuschung durchschaut, ist der Mensch frei. Das heißt nicht, dass er die zum körperlichen Leben gehörenden sozialen Strukturen oder die Darstellung seiner Fähigkeiten und Talente ablehnt. Doch weil keine Angst-gesteuerte Abhängigkeit mehr besteht, weder von Partnerschaft, Familie, Gesellschaft noch von Erfolg, erfüllt der Erwachsene seine Aufgabe in Dankbarkeit und Freiheit, wo immer er ist, jederzeit bereit für Veränderung, jederzeit bereit für Beifallslosigkeit, ohne in ein Drama zu inkarnieren. Der Erwachsene ist von einer Kraft bewegt, die größer und stärker ist als die Angst des an Bindung interessierten Kinder-Menschen. Ist der Gedanke: „Etwas Schlimmes könnte passieren“ (mit meinem Haus, mit meinem Körper, in der Welt) als kindliches Missverständnis durchschaut, ist das der Anfang der Besitzlosigkeit. Weil klar ist, dass die Anhaftung am Körperlichen nichts als Schmerz bringt, ist er bereit, jederzeit loszulassen. Das heißt nicht, dass der Mensch auf die Parkbank umzieht. Aber wenn das Haus im Fluss wegschwimmt oder der Körper stirbt, ist das keine Katastrophe. Der erwachsene Mensch fließt mit der Wirklichkeit. Was ist, ist gut. Sexuelle Befreiung Normalerweise sind wir nicht aufgeklärt. Von wem auch. Aufklärung findet durch die Überprüfung schmerzlicher Gedanken statt. Ist das Bedürfnis nach Liebe und sexueller Erfüllung als schmerzliches Verlangen, das auf einer kindlichen Täuschung beruht, durchschaut, dann nenne ich das sexuelle Befreiung. Im Zustand des Bewusstseins bekommt ein sexuelles Zusammensein eine neue Qualität. Ohne den Kontakt zur inneren Liebe projiziert der Kinder-Mensch automatisch seine Emotionen, die sich auf frühere Liebhaber, auf Mutter, Vater usw. beziehen, und seine Hoffnungen auf den Liebespartner. Das ist der Grund, dass unser Liebesleben oft im Desaster endet. Liebe kann nicht frei wirksam werden, wenn sie in sich selbst nicht bewusst ist. Für den, der den wesentlichen ersten Schritt verpasst oder keine Lust hat, ihn zu tun, ist Sexualität – mit wem auch immer – nichts als unbewusste pubertäre Selbst-Penetration, ausgerichtet auf lustvolle Befriedigung. Liebe ist universelle Nahrung Ist der von Generation zu Generation überlieferte Gedanke: „Der Körper braucht Essen und Trinken, um am Leben zu bleiben“ vom Menschen als Irrtum durchschaut, erwacht ein tiefer Frieden. Der Erwachsene ist hier und jetzt befriedigt. Essen und Trinken ist ein Akt tiefer innerer Berührung, der die Liebe erhält. Doch nicht nur das. Liebe geschieht durch jede Berührung mit der Außenwelt. Sie ist universelle Nahrung, macht satt. Sie kommt aus mir selbst heraus und kehrt zu mir zurück. Es ist klar, der Körper hat keine eigenen Bedürfnisse. Er folgt dem Denken. Wird uns, die wir von Geburt an reine Liebe sind, der Glaube, Essen und Trinken zu brauchen, als Wahrheit vermittelt und wir glauben das, kann der Körper in der Tat sterben, wenn physische Nahrung nicht verfügbar ist. Doch wir sterben nicht an physischem Nahrungsmangel, sondern an der Ignoranz der existenziellen Liebe. Wecksignale Ist der von unbewussten Menschen übertragene und angenommene Grundglaubenssatz: „Es ist möglich etwas falsch zu machen“ selbst bewusst überprüft, wird klar, dass die oben genannten schmerzlichen Emotionen nicht falsch sind. Es gibt keine negativen Gedanken, keine guten und bösen Menschen. Gedanken/Emotionen müssen nicht verändert, weggelogen, kontrolliert oder überwunden werden. Es sind Signale des Bewusstseins, Wecker, Hinweise in der Wirklichkeit, die ungetrübte Lebensfreude ist, aufzuwachen. Es ist Zeit, erwachsen zu sein, die Wahrheit zu erkennen, frei zu sein. Liebe, Frieden, Freiheit sind weder durch Anstrengung noch durch Verurteilung des angenommenen Bösen zu erreichen, sondern ein Geschenk des Willens, zum persönlichen Schmerz zu stehen, ihn offenzulegen und ihn intelligent zu überprüfen. Dieser Wille ist wahrer Mut und die Haltung des Erwachsenen. Der Tod: eine angenommene Überzeugung Die Überprüfung schmerzlicher Grundüberzeugungen beendet letztendlich die angenommene Körperidentifikation. Der Erwachsene lässt sich vom physischen Tod nicht mehr abschrecken. Hier und jetzt hat er eine Zukunft über den Tod hinaus. Foto: Roland Oonk / pixelio.de