Was uns beeinflusst und warum wir es akzeptieren sollten

Von Cornelia Wriedt

Wer einmal dieses Gefühl von „Das ist genau mein Ding“ hatte, der weiß, wovon ich spreche. Diesen Satz flüsterte mir meine innere Stimme zu, als ich vor mehr als fünfzehn Jahren an meinem ersten Qigong-Kurs teilnahm. Danach bin ich zu jeder Veranstaltung gegangen, die etwas mit dem Thema zu tun hatte. Ich war infiziert, konnte und wollte nicht mehr davon lassen. Inzwischen bin ich Qigong-Lehrerin und gebe eigene Kurse. Als Teilnehmerin übe ich außerdem seit etlichen Jahren Tai Chi und Shury Ryu Karate. Das alles ist für mich rund und passt hervorragend zusammen. Ich bin Lehrende und Lernende. 

Im Laufe der Zeit habe ich viel ausprobiert und bin viele verschiedene Wege gegangen. Ich habe an den unterschiedlichsten Orten Qigong praktiziert. Es waren Turnhallen, kahle Räumlichkeiten und ansprechende Lokalitäten dabei. Ich übte im Schloss, im Kloster, im Garten, am Strand, in den Bergen und im Wald. Dabei habe ich ganz unterschiedliche Menschen getroffen. Manche Teilnehmenden kamen über die Volkshochschule oder den Sportverein in die Kurse. Andere haben die kostenlosen Angebote unserer Gesellschaft beim „Qigong im Park“ ausprobiert oder sind im Rahmen von Gesundheitsprojekten zu mir „geschickt“ worden.

Wenn ich die Angebote anderer Lehrer besuchte, fand ich Männer und Frauen, die recht verschiedene Ansätze beim Unterrichten hatten. Neben und mit mir übten Menschen, die wenig, keine oder viel Erfahrung hatten. Obwohl es bei den meisten dieser Veranstaltungen oft „nur“ um die Achtzehn Übungen des Tai Chi Qigong ging, unterschieden sich die Ausführungen der Anleiter oft. Mal wurde die eine Übung anders benannt oder ausgeführt, mal unterschieden sich die Varianten deutlich vom Bekannten. Ich habe mich darauf eingelassen und immer von diesen Erfahrungen profitiert.

Wie gut man sich beim Praktizieren von Qigong fühlt und wie sehr man sich auf die Übungen einlassen kann, hängt immer von mehreren Faktoren ab. Mir persönlich gefällt am besten das Modell von Himmel, Erde und Mensch, wenn ich den Einfluss einer aktuellen Situation auf unser Wohlbefinden erklären sollte.

Himmel – Status der Energien

Sehen wir den Himmel nicht in seiner Eigenschaft als blaues Himmelszelt mit Wolken über uns, sondern als eine Art Status der Energien, dann hat er einen entscheidenden Einfluss auf unsere Übungspraxis. Komme ich zu einer Gruppe, die sich freiwillig uns aus eigenem Ermessen zusammengefunden hat, dann herrscht zwischen uns eine ziemlich gute Energie. Findet das Seminar auf Anweisung statt und die Teilnehmer wurden „verdonnert“, dann kann man die Ablehnung Einzelner spüren. Das macht das entspanne Anleiten schwer. Und auch das Üben gestaltet sich für alle weitaus weniger locker.

Bin ich Teilnehmerin bei einem Kurs, kann es passieren, dass ich einen Platz neben jemandem bekomme, den ich nicht besonders sympathisch finde. Es ist erstaunlich, welchen Einfluss solch eine Situation auf das Wohlgefühl hat. Übe ich dagegen mit Menschen, die ich mag, dann kann ich oft erfahren, wie gut es sich anfühlt, eine Wellenlänge zu haben.

Erde – der Übungsort

Als Erde betrachten wir in unserem Fall einmal den Übungsort. Der hat natürlich einen sehr starken Einfluss auf unser persönliches Wohlbefinden. Obwohl ich meinen Teilnehmern im Scherz schon gesagt habe: „Mit der richtigen Einstellung könnten wir auch auf der örtlichen Verkehrsinsel üben, ohne uns stören zu lassen“, finde ich den Ort des Geschehens sehr wichtig. Ich würde dabei immer das Üben in der freien Natur vorziehen. Ganz besonders liebe ich es, unter einem lichten Baumbestand Qigong zu praktizieren. Hier erschließen sich verschiedene Möglichkeiten. In der Gruppe wird die Landschaft meist als „Raum“ empfunden. Wir haben uns einen Ort gesucht, an dem wir uns wohlfühlen und ungestört unsere Bewegungen ausführen können.

Bin ich allein, dann besteht die Option, direkt mit einem Baum zu üben. Das hört sich vielleicht komisch an, aber dadurch entsteht noch einmal eine ganz andere Energiesituation. Wer das noch nie gemacht hat, sollte es unbedingt einmal ausprobieren. In Vorbereitung auf meine Kursleiterprüfung musste ich allerdings feststellen, dass nicht jeder Baum willig ist. Wer mag, kann die Erfahrungen, die ich dabei machte, nachlesen („Qigong mit dem Apfelbaum“).

Mensch – in ständigem Wandel

Die letzte und nicht unwichtigste Komponente meiner Aufzählung ist der Mensch selbst. Auch als Lehrende bin ich nicht jeden Tag gleich gut drauf. Ich liebe Qigong und das ist für alle spürbar. Tagsüber bin ich jedoch, wie andere, in tausende Alltagsprobleme eingebunden. Der Zustand der gelassenen Achtsamkeit, den man sich so in stillen Stunden erträumt, stellt sich nur selten ein. Da müssen Sachen organisiert, der Haushalt bewältigt oder die vierbeinigen Mitbewohner zum Tierarzt gebracht werden. Trotz Qigong wird man ab und zu mal von einem Zipperlein geplagt, ist erkältet oder hat vielleicht Zahnschmerzen. (Obwohl Letztere beim Üben immer verschwinden und erst hinterher wieder kommen.) Je nachdem, wie mein Tag gelaufen ist, so fühle ich mich dann, wenn ich vor der Gruppe stehe und sie anleite. Und manchmal bekomme ich auch zu hören, dass ich heute aber ganz schön schnell mit meinen Bewegungen bin. Zum Glück ändert sich das während des Übens. Irgendwann kann ich entspannen und genießen.

Gebe ich einen Workshop, dann ist wieder alles ganz anders. Hier habe ich neben dem Anleiten, auch noch tausend andere Dinge zu bedenken. Ist noch genug Kaffee und Tee da? Kommt das Essen rechtzeitig? Ist alles so, wie ich es mir vorgestellt habe oder ist mir bei der Organisation ein Fehler unterlaufen? So bin ich während dieser Zeit auch immer irgendwie angespannt.
Bin ich Teilnehmerin in einem Kurs, dann kann ich mich fallen lassen. Ich habe keine Verantwortung, kann lernen und genießen. Aber natürlich gibt es die Zeit vor und nach dem Üben. Damit geht es mir so wie allen anderen Menschen, auch ich gebe meine Gedanken nicht am Eingang ab.

Akzeptieren, was ist

Manche Sachen kann man ändern, andere nicht. Man kann sich einen anderen Platz suchen, eine andere Lehrerin oder eine andere Qigong-Form. Wie man sich beim Beginn des Übens fühlt, das kann man kaum ändern. Man kann es nur akzeptieren. Der Befehl „Ich will jetzt ganz entspannt sein“ funktioniert nicht. Sich zur Ruhe zu zwingen, gelingt selten. Aber ich kann damit leben, dass es eben heute nicht mein Tag ist und trotzdem mit dem Üben beginnen. Vielleicht klappen einige Sachen heute nicht so wie sonst. Dann ist es halt so. Viel wichtiger ist es doch, dass ich mir die Zeit fürs Qigong überhaupt genommen habe. Annehmen was ist, bedeutet, mich der Situation nicht entgegenzustemmen. Die Dinge sind, so wie sie sind. Höre ich auf, sie zu bewerten, stören sie nicht mehr. Was bleibt, ist die Harmonie der Bewegungen und das Wissen, dass es sich nicht immer gleich anfühlt. 

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