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Die Geschlechterlüge

Die Geschlechterlüge

Titel: Die Geschlechterlüge

Author: Cordelia Fine

Verlag: Klett-Cotta

Preis: 16,99

ISBN: 978-3-608-10274-1

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Neurosexismus widerlegt

„Frauen und Technik“ – solche und ähnliche Sätze, die leider oft genug nicht nur von Männern abschätzig genutzt, sondern leider durchaus auch mal als Phrase von Frauen hervorgeholt werden, dürften Cordelia Fine, die ursprünglich aus Kanada stammt, aber inzwischen Britin ist, wohl auch zu diesem Buch gereizt haben, in dem sie gängige Geschlechterklischees und -mythen in Frage stellt.

Die Journalistin, Psychologin und Neurowissenschaftlerin, die unter anderem in Oxford und Cambridge studiert hat, widmet sich in ihrem zweiten Buch der Widerlegung der These, dass Männer und Frauen von Natur aus unterschiedlich geistig verdrahtet und mit geschlechtstypischen Eigenschaften und Interessen ausgestattet sind. In den drei großen Kapiteln („Halbwegs veränderte Welt, halbwegs verändertes Denken“, “Neurosexismus”, „Gender-Recycling“) ihres Werkes zeigt sie auf, dass Erziehung, Umwelt und Gesellschaft uns eigentlich prägen und Vorlieben und Interessen beeinflussen, und es keineswegs – wie so oft behauptet – natürliche Anlagen sind, die schon vor unserer Geburt fest einprogrammiert unsere Gehirne als „männlich“ oder „weiblich“ klassifizieren.

Schon in ihrem sehr ausführlichen Vorwort widmet sie sich sarkastisch und pointiert aktuellen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema. Bestseller, in denen Thesen wie vor Hunderten von Jahren vertreten werden, nach denen Männer durch die Struktur ihrer Gehirne besser dazu geeignet sind analytische Berufe zu ergreifen und beispielsweise Naturwissenschaftler, Ingenieure, Banker oder Anwälte zu werden.

Die gehirnbedingte „traditionelle Fürsorgehaltung der Frau“ schlägt sich dann dank weiblicher Neuronen in sozialen Berufen wie Sozialarbeiterin, Krankenschwester, Therapeutin oder Grundschullehrerin nieder.

Die weibliche und emotionale Intelligenz ist quasi dafür zuständig, Behaglichkeit für den männlichen Genius zu bereiten – eine Lehrmeinung, die an Benimmbüchlein aus den 1950er Jahren und mittelalterliche Schriften zum Führen einer guten Ehe gemahnt. Erklärungen, die belegen sollen, warum Frauen auch heutzutage – in der Zeit der angeblichen Gleichberechtigung – kaum in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) beschäftigt sind oder Karriere machen. Die auch heutzutage noch stetig stattfindende berufliche Diskriminierung von Frauen wird hierbei schlichtweg ausgeblendet.

Laut der Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine existiert der menschliche Geist nicht von seiner Kultur getrennt, die in der Entwicklung großen Einfluss auf Denken, Handeln, Gewohnheiten, Selbstwahrnehmung usw. ausübt. Der soziolkulturelle Kontext bestimmt also stark das Selbst und damit die angenommene Geschlechterrolle. Was Theorien des „Neurosexismus“ – also diskriminierender Sexismus, mit dem Anstrich des Wissenschaftlichen versehen, in Abrede stellen.

Fazit: Bekommt man den wissenschaftlichen Blödsinn über biologische Veranlagung und daraus resultierende verschiedene Verhaltensweisen so herausdestilliert vor Augen geführt, graust es einen. Es ist natürlich bequem, sich hinter solchen Thesen zu verstecken und auszuruhen, aber: Der Mensch ist kein Opfer seiner schon in der Gebärmutter verliehenen Programmierung, sondern ein Produkt seiner Umwelt und seiner selbst. Schön, dass der Verlag dieses sehr spannende und interessante Werk herausgegeben hat. Weniger schön allerdings, dass es nicht mehr im Print erhältlich ist – aber immerhin bleibt in diesem Fall das e-Book erhältlich.

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